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landw. Interessen durch die Landwirtschaftskam-
mern wahrgenommen (unten # 6
III. Zu den landw. Vereinen können auch die
„Deutsche Landwirtschafts-Gesell-
schaft“ und der „Bund der Landwirte“, beide mit
dem Sitz in Berlin, gerechnet werden. Die erstere,
1885 gegründet, hat sich die Aufgabe gestellt, den
gesamten Betrieb der Landwirtschaft durch Veran-
staltung von jährlichen allgemeinen Ausstellungen,
von Versammlungen, Prüfungen, Handelsver-
mittlungen, Erteilung von Ratschlägen in allen
landwirtschaftlichen, technischen, Buchführungs-,
Bau- und Maschinen-Angelegenheiten und durch
Schriften zu fördern. Sie veranstaltet jährlich eine
Wanderausstellung, deren Ort durch ganz Deutsch-
land wechselt, sowie Herbst= und Winterversamm-
lungen und arbeitet in 8 Abteilungen und 40 Aus-
schüssen und Sonderausschüssen. Der Bund der
Landwirte, 1893 gegründet, hat den Zweck, alle
landw. Interessenten ohne Rücksicht auf politische
Parteistellung und Größe des Besitzes zur Wah-
Landwirsschaftstammern
rung des der Landwirtschaft gebührenden Ein-
flusses auf die Gesetzgebung zusammenzuschließen,
um der Landwirtschaft eine ihrer Bedeutung ent-
sprechende Vertretung in den parlamentarischen
Körperschaften zu verschaffen. Die Bedeutung
der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft liegt so-
mit vorzugsweise auf landwirtschaftlich-technischem,
die des Bundes der Landwirte auf politischem
Gebiete.
#3. Die Landwirtschaftskammern in Preußen.
a) Organisation.
I. Während Handel und Gewerbe schon seit länge-
ren Jahren in den Handelskammern [)(Vov. 1I.2.
48) staatlich anerkannte Organe zur Wahrnehmung
ihrer Interessen besaßen, bestand eine gesetzlich
geregelte Vertretung der Landwirtschaft bis in
den Anfang der 1890er Jahre noch nicht. Zwar
hatte sich das Vereinsleben reich und blühend
entwickelt (bis zur Gründung der Landwirtschafts-
kammern bestanden in Preußen 22 Zentralvereine,
2348 Vereine mit mehr als 200 000 Mitgliedern),
und stand auch durch das den Zentralvereinen ein-
geräumte Ernennungerecht zum Landesökonomie-
kollegium in (§ 2) näherer Beziehung zur Staats-
regierung, in der Hauptsache waren aber die
Vereine Fachvereine und von einer regelmäßigen
Mitwirkung bei den staatlichen Maßnahmen aus-
geschlossen. Der Wunsch, einen größeren Einfluß
auf diese zu erhalten, war daher erklärlich. Diesen
den rein freiwilligen Vereinigungen zu gewähren,
erschien aber bedenklich, weil diesen einerseits viel-
fach nicht nur Landwirte, sondern auch Personen
anderen Berufs angehörten und weil andererseits
manche Landwirte ihnen nicht beigetreten waren.
Es kam hinzu, daß die Vereine nur die durch die
freiwileigen Beiträge ihrer Mitglieder aufgebrach-
en Mittel zur Verfügung hatten und daß diese viel-
fach nicht ausreichten, um trotz reichlich gewährter
Staatsunterstützung den in immer größerem Um-
fange an sie herantretenden Aufgaben zu ent-
sprechen. Der 1884 auftauchende Gedanke, den
landw. Vereinen zur Förderung ihrer Bestrebun-
gen durch Einräumung des Besteuerungsrechtes
größere Mittel zur Verfügung zu stellen, fand aber
zunächst nicht die Mehrheit der befragten Zentral-
vereine; ebenso stellten sich dem Gedanken,
eine korporative Organisation der Landwirte durch
–2
Gesetz zu schaffen, die Vertreter der bestehenden
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. II.
Vereine durchgehends ablehnend gegenüber, weil
jie wohl fürchteten, daß eine bewährte Tätigkeit
beseitigt werden möchte, ohne daß die Gewißheit
bestand, daß ein guter Ersatz an ihre Stelle treten
werde. Die Strömung, welche zur Gründung des
„Bundes der Landwirte“ (§ 2 III) führte, war
aber stark genug, um auch dem Verlangen nach
Schaffung einer starken und unabhängigen Ver-
*7 der Landwirtschaft Nachdruck zu ver-
leihen.
II. So kam das Gesetzüber Landwirt-
schaftskammern v. 30. 6. 94 zustande. Dieses
enthält aber nur die für eine Organisation un-
entbehrlichsten Bestimmungen; der Ausbau
im einzelnen ist den vom Könige zu bestäti-
genden Satzungen überlassen, um auf diese
Weise den provinziellen Verschiedenheiten der
landw. Verhältnisse in weitem Maße Rechnung
tragen zu können. Nach seinem # 2 haben die
Landwirtschaftskammern die Bestimmung,
die Gesamtinteressen der Land= und Forstwirtschaft
ihres Bezirks wahrzunehmen, zu diesem Behufe
alle auf die Hebung der Lage des ländlichen Grund-
besitzes abzielenden Einrichtungen, insbesondere
die weitere korporative Organisation des Berufs-
standes der Landwirte, zu fördern. Sie haben das
Recht, selbständige Anträge zu stellen, sind also nicht
auf die Abgabe von Gutachten auf Befragen ein-
geschränkt. Sie haben ferner die Verw Behörden
durch tatsächliche Mitteilungen und Erstattung von
Gutachten zu unterstützen, sich über Maßregeln
der Gesetzgebung und Verwaltung zu äußern, die
die allgemeinen Interessen der Landwirtschaft oder
die besonderen der beteiligten Bezirke berühren
und bei den Maßnahmen mitzuwirken, welche die
Organisation des ländlichen Kredits und sonstige
gemeinsame Aufgaben betreffen. Insbesondere
ist auf sie auch die Aufgabe übergegangen, den
technischen Fortschritt der Landwirtschaft durch
zweckentsprechende Einrichtungen zu fördern, zu
welchem Zwecke ihnen die Befugnis beigelegt
worden ist, die Anstalten, das gesamte Vermögen,
sowie die Rechte und Pflichten der bestehenden
landw. Zentralvereine auf deren Antrag zur be-
stimmungsmäßigen Verwendung und Verwaltung
zu übernehmen und mit deren bisherigen lokalen
Gliederungen ihrerseits in organischen Verband zu
treten, sowie sonstige landw. Vereine und Genossen-
schaften in der Ausübung ihrer Aufgaben zu unter-
stützen. Schließlich ist den Kammern auch eine
Mitwirkung bei der Verwaltung und den Preis-
notierungen der Produktenbörse sowie der Märkte,
insbesondere der Viehmärkte, übertragen worden.
Durch diese Zweckbestimmung der Landwirtschafts-
kammern ist die Interessenvertretung mit der un-
politischen technischen Arbeit eng verbunden und
dadurch der Gefahr, daß die Kammern etwa reine
Agitationsvereine würden, vorgebeugt worden.
III. Das Gesetz hat also nicht etwa die Land-
wirtschaftskammern errichtet, sondern nur die Be-
fugnis gegeben, solche einzurichten, und zwar
durch Kgl Verordnung auf Grund von Satzungen,
für deren Inhalt das Gesetz bestimmte Vorschrif-
ten enthält.
Auf Grund des G v. 30. 6. 94 sind nach und nach
in sämtlichen preußischen Provinzen mit Ausnah-
me des RegBezirkes Sigmaringen — wo der
„Verein zur Beförderung der Landwirtschaft und
der Gewerbe“ Rechtsfähigkeit besitzt (Satzung
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