Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
Preußen 65 
  
Bearbeitung im einzelnen seinen Beigeordneten 
übertragen hat. In den übrigen Städten der 
Monarchie erscheint als Obrigkeit dagegen grund- 
sätzlich der Mag und nur gewisse obrigkeitliche 
Funktionen — die örtlichen Geschäfte der Kreis-, 
Bezirks-, Provinzial- und allgemeinen Staats- 
verwaltung, die Führung der Standesregister, 
die Verrichtungen eines Hilfsbeamten der Staats- 
anwaltschaft und des Amtsanwaltes — sind (mit 
Ausnahme von Ha.) der persönlichen Zustän- 
digkeit des BM überwiesen, was jedoch nicht 
ausschließt, daß auch hier eine Uebertragung an 
ein anderes Mag Mitglied erfolgt. Besonderer 
Erwähnung bedarf die Verwaltung der Orts- 
polizei. Als Ausfluß der Staatsgewalt überall 
im Namen des Königs ausgeübt, ist sie dem länd- 
lichen Gem Vorstande überhaupt nur in H.N. und 
Hoh. anvertraut, während in den übrigen Pro- 
vinzen die Gem Vorsteher lediglich als unselb- 
ständige Organe der Landräte, Amtsvorsteher, 
Distriktskommissare, Amtmänner und Land B 
polizeilich tätig sind. In den Städten dagegen 
gehört die Polizeiverwaltung, sofern sie nicht be- 
sonderen Kgl Behörden übertragen ist, zu den 
persönlichen Obliegenheiten des BM, und nur in 
Ha. ist der Mag als solcher zuständig, doch kann sie 
hier ebenso wie in der übrigen Monarchie von der 
Aussichtsbehörde einem bestimmten Magit- 
gliede übertragen werden, das dann auch dem 
BM gegenüber völlig selbständig und unter eige- 
ner Verantwortlichkeit handelt. Dem Mag ist 
aber auch außerhalb Ha. eine Mitwirkung bei der 
Verwaltung der Ortspolizei insoweit eingeräumt, 
als er über die Organisation des Polizeidienstes 
zu beschließen, die polizeilichen Gem Beamten an- 
zustellen und zu allen ortspolizeilichen Vorschrif- 
ten, sowie sie nicht das Gebiet der Sicherheits- 
polizei betreffen, seine Zustimmung zu geben hat 
Gemeindeverwaltungj. 
II. Das Verhältnis des Gem Vorstandes zur 
Gem Vertretung regelt sich am einfachsten da, wo 
der erstere bureaukratisch organisiert ist, also in 
den Land Gem — Rh. und W. haben ihre Be- 
sonderheiten und werden später behandelt — und 
in den Städten der Rh. Hier sind die Bildung des 
Gem Willens durch Beschlußfassung und seine 
Ausführung im Wege der Verwaltung scharf von 
einander geschieden, derart, daß jene der Gem Ver- 
tretung, diese aber dem Gem Vorstande zusteht, 
und jedes der beiden Organe das andere in seiner 
Tätigkeit zu kontrollieren hat. Das Kontrollrecht 
der Gem Vertretung ist allerdings das umfassen- 
dere, da es sich auf die gesamte Verwaltung er- 
streckt. Es berechtigt das Kollegium, sich von der 
Ausführung seiner Beschlüsse und der Verwendung 
der Einnahmen zu überzeugen, zu diesem Zweck 
die Akten einzusehen und — was allerdings nur in 
den StO besonders ausgesprochen, aber zweifellos 
auch in den Land Gem zulässig ist — Ausschüsse 
aus seiner Mitte zu ernennen, an deren Verhand- 
lungen der Gem Vorsteher selbst oder durch einen 
Vertreter teilnehmen kann. Der Gen Vorstand 
kann die Beschlüsse des Kollegiums dagegen nur 
beanstanden, wenn sie 1. entweder dessen 
Befugnisse überschreiten, gesetz= oder rechtswidrig 
sind, 2. oder aber das Gemeinwohl (StO Rh.: 
Staatswohl) oder das Gem Interesse verletzen. 
Im ersten Falle bedarf es einer, von der Auf- 
sichtsbehörde eventl. erzwingbaren, formellen 
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. 
  
und begründeten Beanstandungsverfügung (da- 
gegen die Klage im Verwtreitverfahren), im 
zweiten, der in Ha. überhaupt nicht vorgesehen ist, 
hat der Gem Vorsteher die Ausführung des betr. 
Beschlusses zunächst auszusetzen und erst, wenn 
die Versammlung darauf beharrt, die Entscheidung 
des Kreis= bezw. Bezirks-Ausschusses anzurufen, 
die ihrerseits nur dann ergehen darf, wenn die 
Sache nicht auf sich beruhen kann. Von dem 
Satze, in dem dies Uebergewicht der Gen Vertre- 
tung zum Ausdruck gelangt, daß nämlich die letz- 
tere „über alle Gem Angelegenheiten zu beschlie- 
ßen hat, soweit sie nicht dem Gem Vorstande 
überwiesen sind“, macht nur Ha. eine Ausnahme, 
indem hier die Verwaltung der Gem Angelegen- 
heiten grundsätzlich dem Vorsteher zugewiesen 
und nur für gewisse namentlich aufgezählte Gegen- 
stände vorgeschrieben ist, daß er dabei die Be- 
schlußfassung durch die Gem Vertretung oder den 
Gem Ausschuß zu veranlassen hat. Hierher gehö- 
ren Veränderungen des Gem Bezirks, der Gem- 
Verfassung, im Bestande oder in der Benutzung 
des Gem Vermögens, ferner Anleihen, Prozesse, 
die Einführung neuer oder Aenderungen in dem 
Verteilungsfuß bestehender Abgaben, die An- 
stellung und Kündigung der Gem Beamten usw. 
In den Land Gem mit kollegialischem Gem- 
Vorstande ist die Kräfteverteilung zwischen den 
Gem Organen nicht anders, sodaß auch hier die 
Gem Vertretung allein zur Beschlußfassung be- 
rufen erscheint und dieses Recht nicht etwa mit 
dem andern Kollegium zu teilen braucht. Kompli- 
zierter ist das Verhältnis dagegen in den Städten 
mit Mag Verfassung, da hier ein Gem Beschluß 
nur durch übereinstimmende Beschlüsse beider 
Körperschaften zustande kommen kann. Wird da- 
mit zur Bildung des Gen Willens eine gemein- 
same Tätigkeit beider Organe erfordert, so ist 
dessen Ausführung doch wieder ausschließlich dem 
einen derselben vorbehalten. Die St VV darf ihre 
Beschlüsse in keinem Falle selbst zur Ausführung 
bringen, sodaß die eigentliche Verwaltung auch 
hier allein Sache des Gem Vorstandes und nur 
ihre Kontrolle der St VV überlassen ist. Der In- 
halt dieses Kontrollrechts ist derselbe wie in den 
trh. Städten, über das Beanstandungsrecht des 
Mag wird auf das Bezug genommen, was im vori- 
gen § über das entsprechende Recht des BM gegen- 
über dem Mag gesagt worden ist. Zu unterscheiden 
sind im übrigen die St O für O., W., Fr. und H-N. 
einer= und für Ha. und S-H. andererseits. Die 
erste dieser beiden Gruppen stimmt mit StO Rh. 
und der Mehrzahl der LGO in dem bereits erör- 
terten Satze überein, daß die St VV über alle 
Gem Angelegenheiten zu beschließen habe, soweit 
sie nicht dem Mag überwiesen sind. Die zweite 
Gruppe verlegt dagegen den Schwerpunkt der 
städtischen Verwaltung mehr in den Mag, indem 
sie den letzteren nur für einen bestimmten, aller- 
dings ziemlich weit gezogenen Kreis von Ange- 
legenheiten an die Zustimmung bezw. Mitwirkung 
der St V bindet. Die St O S. zieht in diesen 
Kreis „alle inneren Gem Angelegenheiten und 
Gegenstände der Stadtökonomie, soweit sie nicht 
dem Mag überwiesen sind“, während die StO 
Ha. in ähnlicher Weise wie die LGO des ehemali- 
gen Königreiches die wichtigsten der betr. Gegen- 
stände einzeln aufzählt, nachdem sie vorher allge- 
mein ausgesprochen hat, daß das Bürgervorsteher- 
II. 5
	        
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