Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

Lebensversicherung 
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â—— ———„ —— — — — 
gen fallender oder steigender Versicherungssumme. 
Endlich kann vereinbart sein, daß der Versicherer 
von seiner Leistung ganz oder teilweise frei wird, 
wenn der Versicherungsfall innerhalb einer be- 
stimmten Zeit nach Abschluß des Vertrages ein- 
tritt (Versicherung mit oder ohne Wartezeit [Ka- 
renz). 
Auch die Leistungen des Versicherungsnehmers 
lassen verschiedene Variationen zu. Seine Ver- 
pflichtung kann in einmaliger oder in wieder- 
kehrender Prämienzahlung bestehen; die wieder- 
kehrenden Prämienzahlungen können gleichblei- 
bend, steigend oder fallend, lebenslänglich bis zum 
Tode des Versicherungsnehmers oder abgekürzt 
nur auf eine bestimmte Reihe von Jahren sein. 
II. Den Gegensatz zu den bisher erwähnten Arten 
der LV, bei denen Leistung und Gegenleistung in 
Abhängigkeit von dem Leben oder Sterben ei- 
ner Person stehen, bilden die Versicherungen 
„verbundener Leben“, das sind Versiche- 
rungen, für die die Sterblichkeit von mehr als 
einer Person von Bedeutung ist. Versicherung 
verbundener Leben kommt vor als einseitige Ueber- 
lebensrenten bei der Witwen= und Waisenver- 
sorgung, als wechselseitige Ueberlebensrenten bei 
der Kapitalversicherung auf den Tod des von zwei 
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Personen Zuerststerbenden (Versorgung von Ehe- 
leuten, Geschäftsinhabern). 
III. Der großen L Bwird die kleine L0V— Volks- 
versicherung genannt — gegenübergestellt. 
Man versteht unter ihr Versicherungen auf ge- 
ringere Beträge von höchstens 2000 Mk. für den 
Todes-- oder für den Erlebensfall, bei denen eine 
ärztliche Untersuchung nicht verlangt und die 
Prämien in kleinen Teilzahlungen, oftmals wö- 
chentlich oder monatlich entrichtet werden. Be- 
strebungen, die Volksversicherung auf eine brei- 
tere, von den privaten Gesellschaften weniger 
abhängige Grundlage zu stellen, machen sich 
geltend. 
IV. Ueber die LV im Dienste der landwirt- 
schaftlichen Entschuldung Nlandwirtsch. Kredit- 
wesen 1 15, oben S. 741. 
82. Geschichtlichest) und gegenwärtiger Stand. 
I. Die ersten L VBGesellschaften sind in England 
gegründet worden. Hier trat am 24. 1. 1705, 
und zwar in London, ein Verein zur Errichtung 
einer „ewigen Lebensasseluranz“ der „Amicable“ 
zusammen, der am 25. 7. 1706 durch Parlaments- 
akte inkorporiert wurde. Zwei andere Gesellschaf- 
ten, die bereits vor dieser errichtet worden sind, 
waren von geringerer Bedeutung und hatten auch 
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ein nur verhältnismäßig kurzes Dasein. 
„Amicable“ war noch sehr unvollkommen; indes 
mit der weiteren Ausbildung der Technik der LV 
wuchs sowohl die Zahl der Anstalten als auch 
die Teilnahme des Publikums am Lebensversiche- 
rungswesen. 
Trotzdem währte es volle hundert Jahre, bis 
das englische Vorbild Nachahmung in Deutschland 
fand. Erst im Jahre 1806 gelang es einem Ham- 
burger, namens Bennecke, ein Aktienkapital von 
vier Millionen Mark Banko zur Errichtung einer 
deutschen LVBank zusammen zu bringen. Diese 
auf Aktien errichtete Gesellschaft trat auch in Wirk- 
samkeit; allein unter den damaligen unruhigen, 
1) Grosenteils aus der 1. Auflage (damals bearbeitet 
von Prof. Ludwig Elster) übernommen. 
  
– — — — —— 
kriegerischen Zeiten konnte das neue Institut den 
erwünschten Fortgang nicht nehmen und seine 
Leiter sahen sich nach Verlauf weniger Jahre ge- 
zwungen, das Geschäft einzustellen. Im Jahre 
1822 hatte man dann in Elberfeld die Absicht, mit 
der Feuerversicherungsgesellschaft zugleich die LV 
zu verbinden. Dies Projekt kam jedoch nicht zur 
Ausführung. 
Fünf Jahre später (1827) trat Ernst Wilhelm 
Arnoldi, der Begründer der Feuerversicherungs- 
bank zu Gotha, mit dem Plane für eine zu be- 
gründende LVenstalt für Deutschland vor die 
Oeffentlichkeit. Ausländische, vor allem englische 
Gesellschaften, hatten allmählich größeren Einfluß 
in Deutschland gewonnen, und wer sein Leben ver- 
sichern wollte, wandte sich diesen Instituten zu. 
Diesem Zustande wollte Arnoldi ein Ende bereiten. 
Am I1. 1. 1829 trat „die Lebensversicherungs- 
bank für Deutschland in Gotha“ mit einem Stamm 
von 813 Personen, die ein Versicherungskapital von 
1 452 100 Tlrn. repräsentierten, in Wirksamkeit. 
Zu derselben Zeit, wo dieses Unternehmen in 
Thüringen gefördert wurde, war ein Lübecker Kauf- 
mann, Vermehren, in gleicher Richtung tätig. 
Noch bevor die Gothaer Bank ins Leben trat, wurde 
die „Deutsche Lebensversicherungsgesellschaft“ zu 
Lübeck im Jahre 1828 begründet. 
In rascher Aufeinanderfolge reihten sich andere 
Anstalten an diese beiden ersten an. Heute gibt 
es in Deutschland, abgesehen von zahlreichen 
rationell betriebenen Sterbekassen, 16 deutsche 
Gegenseitigkeitsvereine und 27 Aktiengesellschaf- 
ten; dazu kommen 21 ausländische Gesellschaften, 
die in Deutschland Geschäfte betreiben. 
II. Die Geschäftsergebnisse der in 
Deutschland arbeitenden Gesellschaften sind für 
Ende 1910 nach den „Veröffentlichungen des 
Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung“ 
folgende: 
Der Bestand an Versicherungssummen betrug 
in Millionen Mark: 
Große Ver- Ren- Volks- Sterbe. 
sicherung ten- rer. geld- 
Unternehmungen auf den ver- siche. ver- 
Todes= Lebens- siche- rung siche. 
fall fall rung rung 
Deutsiche: 
Aktiengesellschaften 6179 123 20 1304 131 
Gecgenseitigkeits- 
vereine 4873 390 6 55 133 
Ausländische Unter- 
nehmungen 875 115 1 12 — 
Die wichtigsten Ergebnisse der Betriebsrechnung 
in 1000 Mark: 
Deutsche Unterneh- 
Ausländische 
mungen unterneh= 
Bezeichnung Große Ver- mungen 
der Ausgaben sicherung u. Volks- 2 
— (Deutsches 
Sterbegeld- versicherung Geschäf) 
versicherung l 
Prämieneinnahme 505 431 105 134 44 028 
Kapitalerträge 171 534 19 325 — 
Schadenfälle 256 685 47 610 31 923
	        
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