Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Spezial., auf denen Fabrikate aller Art feilgehalten wur- 
den, einem dringenden Bedürfnisse der Bevölkerung. Sie 
bildeten ferner eine Art Eicherheitsventil gegen die Macht- 
stellung, welche die ansässigen Gewerbetreibenden infolge 
der Gebundenheit des gewerblichen Lebens, der Regulierung 
der Gütererzeugung und der Zwangs= und Bannrechte be- 
saßen. Dagegen war für die Bersorgung der Bevölkerung 
mit Lebensmitteln der M. Berkehr von untergeordneter Be- 
deutung, teils weil das Land sich Überwiegend noch im Zu- 
stande der Naturalwirtschaft befand, teils weil die in den 
einzelnen Bezirken erzeugten Lebensmittel zur Deckung des 
Bedarfs der dort heimischen Bevölkerung ausreichten. Diese 
Berhältmisse haben sich insolge der modernen Entwicklung 
mehr und mehr in ihr Gegenteil verkehrt. Der Detailhandel 
hat sich in einer Weise ausgebreitet, daß der Bevölkerung 
überall ausreichend Gelegenheit geboten ist, ihren Bedarf 
an Gebrauchs- und Luxusgegenständen an iherm Wohnsitze 
oder mindestens in einer größeren benachbarten Ortschaft 
leicht und bei der starken Konkurrenz, die im Detailwaren- 
handel sast steis besteht, zu ongemessenen Preisen zu befrie- 
digen. Die Jahr- und bei besonderen Gelegenheiten statt- 
sindenden SpezialM. haben daher an wirtschaftlicher Be- 
deutung eingebüßt; man kann selbst bezweiseln, ob ange- 
sichts der mit ihnen verbundenen Schäden, der Benachteili- 
gung des ortsansässigen Gewerbes, der Verführung des 
Publikums zum Erstehen nutzloser Gegenstände, der nicht 
seltenen Lieferung mangelhafter Ware diese Art M. nicht 
besser beseitigt werden sollte. Anders hingegen liegt es mit 
der Bersorgung der Bevölkerung an Lebensmitteln. Um den 
riesigen Menschenanhäufungen, die unsere großen Städte 
darstellen, den regelmäßigen Lebensunterhalt zu sichern, 
bedarf es der ununterbrochenen Heranschaffung außerordent- 
licher Mengen der verschiedensten Nahrungsmittel oft aus 
weiter Ferne. Die Ueberführung vieser Nahrungsmittel in 
die letzte Hand, die immer gleichmäßig und pünktlich vor sich 
gehen muß, ist eines der schwierigsten Probleme des moder- 
nen Wirtschaftslebens, das nur durch großartige Organisation 
gelbst werden kann und zu ganz neuen Formen des M. Ber- 
kehrs geführt hat (Teilung des M. Perkehrs in Groß= und 
Detailverkauf, Errichtung städtischer M. Hallen, Angliederung 
der Bieh M. an öffentliche Schlachthäuser usw.). 
III. Das Recht, einen Markt zu hal- 
ten, wurde im Mittelalter vom Kaiser, später 
vom Landesherrn als Privileg verliehen. Mit 
ihm war regelmäßig das Recht zur Erhebung von 
M. Zöllen und zur Errichtung einer Münzstätte 
oder wenigstens einer Wechselstelle verbunden. 
Die auf diese Weise dem M. Berechtigten zufließen- 
den Erträgnisse machten das M. Recht zu einem 
oft sehr wertvollen Vermögensobjekte. Die Ver- 
leihung erfolgte an Gemeinden, Klöster, kirchliche 
Würdenträger, auch an Privatpersonen. In 
neuerer Zeit wird die Einrichtung eines Marktes 
als ein Verw Akt betrachtet, der wegen seiner wirt- 
schaftlichen Bedeutung und namentlich der Mög- 
lichkeit nachteiliger Wirkungen für das Gemein- 
wohl den staatlichen Organen vorbehalten ist und 
für den M. Berechtigten nicht mehr die Quelle 
von Vermögensvorteilen bilden soll. In Ueber- 
einstimmung mit der preuß. Gewerbeordnung be- 
stimmt die Reichsgewerbeordnung (§5 68), daß der 
M. Verkehr in keinem Falle mit anderen als solchen 
Abgaben belastet werden darf, welche eine 
Vergütung für den überlassenen Raum und den 
Gebrauch von Buden und Gerätschaften bilden. 
Die aus früheren Zeiten stammenden M. Rechte 
sind zwar nicht aufgehoben, aber der M. Berechtigte 
kann auf sein Privileg keinen Widerspruch gegen 
die behördliche Anordnung von M. gründen. Er 
Markt 
  
kann letiglich Entschädigungsansprüche geltend 
machen und auch das nur, ofern die Zahl der 
bisher abgehaltenen M. vermindert wird und 
eine größere Zahl ausdrücklich und unwiderruflich 
verliehen war. Gemeinden müssen zur Begrün- 
dung eines Entschädigungsanspruchs überdies noch 
nachweisen, daß ihr Recht sich auf einen speziellen 
lästigen Titel gründet (GewO §# 65 Abs 2). Ueber 
Vorhandensein und Umfang einer Entschädigungs- 
pflicht ist im Rechtswege [Nl zu entscheiden. 
. Die reichsgesetzliche Regelung des Markt- 
wesens; Messen, Jahr= und Wochenmärkte. 
I. Die Gewerbeordnung beschränkt die Regelung 
des M. Verkehrs auf Messen, Jahr- und Wochen M. 
Deren Zahl, Zeit und Dauer ist von der zuständigen 
Verw Behörde festzusetzen (§ 65 Abs 1). Die Fest- 
setzung erfolgt in der Regel für eine Gemeinde 
oder eine sonstige Korporation, kann aber auch für 
eine Privatperson erfolgen. Sie begründet in 
keinem Falle ein privatrechtliches M. Recht, wie 
es in früheren Zeiten verliehen wurde (§ 1 III); 
auf die Aufhebung von M., die gemäß § 65 GewO 
angeordnet sind, kann daher kein Entschädigungs- 
anspruch gestützt werden. 
Zuständig zur Genehmigung ist in Preußen 
für Kram-(Jahr.) M. der Provinzialrat, in Berlin der 
Oberpräsident, in der Beschwerdeinstanz der Min für H. u. G. 
(ZustG # 127), für Wochen M. der Bezirksausschuß unter 
Zustimmung der Gemeindebehörden (Gemeindevorstand 
und Gemeindevertretung) des M. Orts (Zust G # 128), in der 
Beschwerdeinstanz der Provinzialrat, in Berlin der Min für 
H. u. Gew. Sofern bei der Aushebung dieser M. Entschä- 
digungsansprüche von M. Berechtigten in Frage kommen 
(1 1 III), bedürfen die Beschlüsse der Zustimmung des Min 
für H. u. Gew. (Zustch 1 129). In Bayern ist für Messen 
und Jahr M. das Min des Kal Hauses und des Aeußern, für 
Holz= und Biktualien M. für den örtlichen Bedarf die Distrikts- 
BerwBehörde, in München der Magistrat zuständig, im 
Kagr. Sachsen für Messen und Jahr M. das Min Inn, für 
Wochen M. der Stadtrat und die Amtshauptmannschaft, in 
Württemberg die Kreisregierung, in Baden für Messen und 
Jahr M. das Min Inn, für Wochen M. der Bezirksrat. 
II. Gegenstände des Wochen M. Ver- 
kehrs sind rohe Naturerzeugnisse mit Ausnahme 
des größeren Viehs; Fabrikate, deren Erzeugung 
mit der Land= und Forstwirtschaft, dem Garten- 
und Obstbau oder der Fischerei in unmittelbarer 
Verbindung steht oder zu den Nebenbeschäftigun- 
en der Landleute der Gegend gehört oder durch 
agelöhnerarbeit bewirkt wird; frische Lebens- 
mittel aller Art (GewO #66 Abs 1). Zu den rohen. 
Naturerzeugnissen gehören nicht allein die in 
GewO #59 Ziff. 1 aufgeführten rohen Erzeugnisse 
der Land= und Forstwirtschaft, des Garten- und 
Obstbaues, der Geflügel- und Bienenzucht, der 
Jagd und der Fischerei, sondern auch Mineralien, 
wie Sand, Kies, Kohlen, ferner wildgewachsene 
Kräuter, Beeren, Früchte. Als Erzeugnisse der 
ländlichen Hausindustrie kommen insbesondere vor 
Holz= und Korbwaren, Besen, Schnitzereien, Lei- 
nen- und Wollengarne, Leinwand, Spielwaren. 
Zu den frischen Lebensmitteln ist auch Kochsalz, 
Margarine, ungeräucherte Wurst zu rechnen, da- 
gegen nicht Lebensmittel, die zur Konservierung 
eine besondere Behandlung durch Pökeln, Räu- 
chern, Marinieren usw. erfahren haben. Geistige 
Getränke gehören nicht zu den Gegenständen des 
Wochen M. Verkehrs. Der Kreis der Gegenstände 
des Wochen M. Verkehrs darf nach Ortsgewohnheit 
 
	        
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