Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Mediatisierte (Persönliche Rechte) 
827 
  
Einige dieser Rechte sind ein Ausfluß ihrer ehe- 
maligen Herrscherstellung, daher unabhängig von 
dem fortdauernden Besitze eines standesherrlichen 
Gebietes. Es handelt sich um persönliche Rechte 
der M. Ist der Besitz dieser Rechte aber überhaupt 
nicht bedingt von dem Besitze eines standesherr- 
lichen Gebietes, so können die M. sie nicht nur in 
dem Staate in Anspruch nehmen, in dem sie 
standesherrlich begütert sind, sondern in allen 
deutschen Staaten, soweit deren Rechtsordnung 
eine persönliche Sonderstellung der Standesherren 
überhaupt anerkennt. Daß Bayern die Vorrechte 
nur den in Bayern standesherrlich begüterten M., 
die die bayerische Staatsangehörigkeit besitzen und 
in die Adelsmatrikel eingetragen sind, und alles 
dies nur im rechtsrheinischen Bayern zugestehen 
will, kann sich nur auf die dinglichen Rechte be- 
iehen. 
Auf Grund des a 14 der Deutschen Bundesakte 
sind als persönliche Vorrechte der M. folgende 
gesetzlich anerkannt: 
1. Das Recht der Ebenbürtigkeit (a4 
Nr. 1 der Bundesakte) X Ebenbürtigkeit 1). 
2. Ehrenrechte. Zufolge Bundes Beschl 
v. 18. 8. 1825 sollte den ehemals reichsständischen 
Familien ein ihrer Ebenbürtigkeit angemessener 
Titel und Rang und zwar den Fürsten das Prädi- 
kat „Durchlaucht“ und nach dem Beschl v. 13. 2. 
1829 den Häuptern der gräflichen Familien das 
Prädikat „Erlaucht“ erteilt werden. (Verzeichnisse 
der in Betracht kommenden Familien sind von den 
Staaten der Bundesversammlung eingereicht wor- 
den; vgl. den Anhang „Standesherren“.) Dies wur- 
de in Preußen durchgeführt durch die Kab O v. 
21. 2. 32. Die Kab O v. 3. 3. 33 legte allen den 
Fürstentitel führenden Mitgliedern der genannten 
Familien das Prädikat „Durchlaucht“ bei. Nach- 
dem jedoch die KabO v. 22. 10. 61 auch den 
bloß landsässigen Fürsten mit Ausnahme des Fürst- 
bischofs von Breslau, der das Prädikat „Fürstliche 
Gnaden“ führt, das Prädikat „Durchlaucht“ bei- 
gelegt hat, besteht in dieser Hinsicht zwischen den 
ehemals reichsständischen und den landsässigen 
Fürsten kein Unterschied mehr. Dagegen ist das 
Prädikat „Erlaucht“ ausschließlich den Häuptern 
ehemals reichsständischer Familien vorbehalten2). 
Da nach dem Bundesbeschlusse der Rang und 
Titel den M. wegen ihrer Ebenbürtigkeit mit den 
regierenden Häusern beigelegt werden sollte, so 
erscheinen jene Prädikate als ein Ausfluß der Zu- 
gehörigkeit der M. zu dem hohen Adel Deutsch- 
lands. Diese Eigenschaft ist aber von dem gegen- 
wärtigen Besitze einer Standesherrschaft über- 
haupt unabhängig. Rang und Titel müssen dem- 
1) Neuerdings Piloty, das Recht der Ebenbürtigkeit 
zwischen hohem und niederem Adel in Deutschland und 
inebes. in Bayern (Streitfall Castell-Faber), ohne Jahr, 
nicht im Handel (1910). D. H. 
2) Seit längerer Zeit hat sich der Brauch herausgebildet, 
den Nachgeborenen aus fürstlichen Häusern (z. T. sogar im 
amtlichen Verkehr) das Prädikat „Durchlaucht“ zu geben 
(vgl. Gothaischer Hofkalender 1913, 108 und Preuß. Hof- 
rangreglement 1903, Kommentar). In Bayern ist am 
7. 3. 11 mit Ermächtigung des Prinzregenten die Anordnung 
an die Regierungen ergangen, den Nachgeborenen der fürst- 
lichen standesherrlichen Häuser amtlich das Prädikat „Durch- 
laucht“ und allen gräflichen Nachgeborenen der standesberr- 
lichen Häuser das Prädikat „Erlaucht“ zu geben. D. H.] 
  
nach als rein persönliche Ehrenrechte auch den in 
Preußen nicht standesherrlich begüterten M. bei- 
gelegt werden. M., welche nicht preußische Unter- 
tanen sind, genießen wie alle fremden Staats- 
angehörigen im Inlande den ihnen nach dem 
Rechte ihres Heimatsstaates zustehenden Titel und 
Rang. In Bayern dürfen sich die Mitglieder eines 
ehemals reichsfürstlichen Hauses niemals Prinz, 
sondern nur Fürst nennen. Dem Haupte steht die 
Bezeichnung „Fürst und Herr“ oder „Graf und 
Herr“ zu. 
3. Die Freiheit von der Militär- 
pflicht war den in der Bundesakte einge- 
gangenen Verpflichtungen entsprechend den M. 
in allen deutschen Staaten gewährt worden und 
ist nunmehr reichsgesetzlich anerkannt durch das 
G v. 9. 11. 67. 
4. Privilegierter Gerichtsstand, 
welcher bis zum 1. 10. 79 noch allgemein Rechtens 
war, ist aufgehoben durch die Reichsjustizgesetze. 
In bürgerlichen FRechssstreitigkeiten ge- 
nießen die M. keinerlei Sonderstellung mehr. Das 
Ec z. GG # 7 hat nur das landesgesetzlich den 
Standesherren gewährte Recht auf Austräge un- 
berührt gelassen. In Preußen hatte die Instr v. 
30. 5. 1820 in Strafsachen mit Ausnahme 
der im königlichen Dienste begangenen Verbrechen 
den Häuptern der standesherrlichen Familien, so- 
fern sie nicht den Gerichtsstand vor einem Ober- 
gerichte vorzogen, einen privilegierten Gerichts- 
stand vor Austrägalgerichten zugesichert, deren Ent- 
scheidungen der königlichen Bestätigung bedurf- 
ten, gegen die jedoch kein Rechtsmittel zulässig 
war. Dies ist anerkannt durch die späteren Re- 
zesse und in den neuen Provinzen. In demselben 
Umfange wie in Preußen besteht das Recht auf 
Austräge in Baden. Hessen erkennt es auch für 
Zivil sachen an. Dagegen besteht es in Bayern 
und Württemberg überhaupt nicht. In Sachen 
der freiwilligen Gerichtsbarkeit be- 
steht in Preußen (5 189 R v. 20. 5. 98 a 138 
preuß. A v. 21. 9. 99) der privilegierte Gerichts- 
stand fort, der sich jetzt auf Vormundschaftssachen 
(Oberlandesgericht) und Nachlaßsachen (das vom 
Standesherren bestimmte Gericht) beschränkt. In 
Württemberg hat der Besitzer der Standes- 
herrschaft in Sachen der freiwilligen Gerichts- 
barkeit privilegierten Gerichtsstand vor dem Land- 
gerichte. 
5. Persönliche Steuerfreiheit. 
Auf Grund der Zusicherung der Bundesakte hatten 
die Einzelstaaten früher den M. in ausgedehntestem. 
Maße Steuerfreiheit zugesichert. Diese ist jetzt im 
wesentlichen verschwunden. 
In Preußen ist die Freiheit von Personal- 
steuern, soweit sie noch bestand, durch G v. 18.7. 92 
gegen Entschädigung aufgehoben. Die Befrei- 
ungen von der Gemeindeeinkommensteuer bestehen 
nach § 40 Komm Abg G v. 14. 7. 93 fort, sind aber 
nach § 21 a. a. O. zum zwanzigfachen Betrage der 
Jahressteuer ablösbar. Die Befreiung steht einem 
M. nur da zu, wo er bisher schon ein wohl er- 
worbenes Recht darauf hatte, kann jedenfalls, 
da das Komm Abg G eine allgemeine Befreiun 
der M. nicht kennt, von ihnen nicht neu in Anspru 
genommen werden. Für indirekte Steuern be- 
steheen überhaupt keine Befreiungen. Die Streit- 
frage, ob die in den alten Provinzen nicht standes- 
herrlich begüterten M. eine Freiheit von Personal- 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.