Mediatisierte (Persönliche Rechte)
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Einige dieser Rechte sind ein Ausfluß ihrer ehe-
maligen Herrscherstellung, daher unabhängig von
dem fortdauernden Besitze eines standesherrlichen
Gebietes. Es handelt sich um persönliche Rechte
der M. Ist der Besitz dieser Rechte aber überhaupt
nicht bedingt von dem Besitze eines standesherr-
lichen Gebietes, so können die M. sie nicht nur in
dem Staate in Anspruch nehmen, in dem sie
standesherrlich begütert sind, sondern in allen
deutschen Staaten, soweit deren Rechtsordnung
eine persönliche Sonderstellung der Standesherren
überhaupt anerkennt. Daß Bayern die Vorrechte
nur den in Bayern standesherrlich begüterten M.,
die die bayerische Staatsangehörigkeit besitzen und
in die Adelsmatrikel eingetragen sind, und alles
dies nur im rechtsrheinischen Bayern zugestehen
will, kann sich nur auf die dinglichen Rechte be-
iehen.
Auf Grund des a 14 der Deutschen Bundesakte
sind als persönliche Vorrechte der M. folgende
gesetzlich anerkannt:
1. Das Recht der Ebenbürtigkeit (a4
Nr. 1 der Bundesakte) X Ebenbürtigkeit 1).
2. Ehrenrechte. Zufolge Bundes Beschl
v. 18. 8. 1825 sollte den ehemals reichsständischen
Familien ein ihrer Ebenbürtigkeit angemessener
Titel und Rang und zwar den Fürsten das Prädi-
kat „Durchlaucht“ und nach dem Beschl v. 13. 2.
1829 den Häuptern der gräflichen Familien das
Prädikat „Erlaucht“ erteilt werden. (Verzeichnisse
der in Betracht kommenden Familien sind von den
Staaten der Bundesversammlung eingereicht wor-
den; vgl. den Anhang „Standesherren“.) Dies wur-
de in Preußen durchgeführt durch die Kab O v.
21. 2. 32. Die Kab O v. 3. 3. 33 legte allen den
Fürstentitel führenden Mitgliedern der genannten
Familien das Prädikat „Durchlaucht“ bei. Nach-
dem jedoch die KabO v. 22. 10. 61 auch den
bloß landsässigen Fürsten mit Ausnahme des Fürst-
bischofs von Breslau, der das Prädikat „Fürstliche
Gnaden“ führt, das Prädikat „Durchlaucht“ bei-
gelegt hat, besteht in dieser Hinsicht zwischen den
ehemals reichsständischen und den landsässigen
Fürsten kein Unterschied mehr. Dagegen ist das
Prädikat „Erlaucht“ ausschließlich den Häuptern
ehemals reichsständischer Familien vorbehalten2).
Da nach dem Bundesbeschlusse der Rang und
Titel den M. wegen ihrer Ebenbürtigkeit mit den
regierenden Häusern beigelegt werden sollte, so
erscheinen jene Prädikate als ein Ausfluß der Zu-
gehörigkeit der M. zu dem hohen Adel Deutsch-
lands. Diese Eigenschaft ist aber von dem gegen-
wärtigen Besitze einer Standesherrschaft über-
haupt unabhängig. Rang und Titel müssen dem-
1) Neuerdings Piloty, das Recht der Ebenbürtigkeit
zwischen hohem und niederem Adel in Deutschland und
inebes. in Bayern (Streitfall Castell-Faber), ohne Jahr,
nicht im Handel (1910). D. H.
2) Seit längerer Zeit hat sich der Brauch herausgebildet,
den Nachgeborenen aus fürstlichen Häusern (z. T. sogar im
amtlichen Verkehr) das Prädikat „Durchlaucht“ zu geben
(vgl. Gothaischer Hofkalender 1913, 108 und Preuß. Hof-
rangreglement 1903, Kommentar). In Bayern ist am
7. 3. 11 mit Ermächtigung des Prinzregenten die Anordnung
an die Regierungen ergangen, den Nachgeborenen der fürst-
lichen standesherrlichen Häuser amtlich das Prädikat „Durch-
laucht“ und allen gräflichen Nachgeborenen der standesberr-
lichen Häuser das Prädikat „Erlaucht“ zu geben. D. H.]
nach als rein persönliche Ehrenrechte auch den in
Preußen nicht standesherrlich begüterten M. bei-
gelegt werden. M., welche nicht preußische Unter-
tanen sind, genießen wie alle fremden Staats-
angehörigen im Inlande den ihnen nach dem
Rechte ihres Heimatsstaates zustehenden Titel und
Rang. In Bayern dürfen sich die Mitglieder eines
ehemals reichsfürstlichen Hauses niemals Prinz,
sondern nur Fürst nennen. Dem Haupte steht die
Bezeichnung „Fürst und Herr“ oder „Graf und
Herr“ zu.
3. Die Freiheit von der Militär-
pflicht war den in der Bundesakte einge-
gangenen Verpflichtungen entsprechend den M.
in allen deutschen Staaten gewährt worden und
ist nunmehr reichsgesetzlich anerkannt durch das
G v. 9. 11. 67.
4. Privilegierter Gerichtsstand,
welcher bis zum 1. 10. 79 noch allgemein Rechtens
war, ist aufgehoben durch die Reichsjustizgesetze.
In bürgerlichen FRechssstreitigkeiten ge-
nießen die M. keinerlei Sonderstellung mehr. Das
Ec z. GG # 7 hat nur das landesgesetzlich den
Standesherren gewährte Recht auf Austräge un-
berührt gelassen. In Preußen hatte die Instr v.
30. 5. 1820 in Strafsachen mit Ausnahme
der im königlichen Dienste begangenen Verbrechen
den Häuptern der standesherrlichen Familien, so-
fern sie nicht den Gerichtsstand vor einem Ober-
gerichte vorzogen, einen privilegierten Gerichts-
stand vor Austrägalgerichten zugesichert, deren Ent-
scheidungen der königlichen Bestätigung bedurf-
ten, gegen die jedoch kein Rechtsmittel zulässig
war. Dies ist anerkannt durch die späteren Re-
zesse und in den neuen Provinzen. In demselben
Umfange wie in Preußen besteht das Recht auf
Austräge in Baden. Hessen erkennt es auch für
Zivil sachen an. Dagegen besteht es in Bayern
und Württemberg überhaupt nicht. In Sachen
der freiwilligen Gerichtsbarkeit be-
steht in Preußen (5 189 R v. 20. 5. 98 a 138
preuß. A v. 21. 9. 99) der privilegierte Gerichts-
stand fort, der sich jetzt auf Vormundschaftssachen
(Oberlandesgericht) und Nachlaßsachen (das vom
Standesherren bestimmte Gericht) beschränkt. In
Württemberg hat der Besitzer der Standes-
herrschaft in Sachen der freiwilligen Gerichts-
barkeit privilegierten Gerichtsstand vor dem Land-
gerichte.
5. Persönliche Steuerfreiheit.
Auf Grund der Zusicherung der Bundesakte hatten
die Einzelstaaten früher den M. in ausgedehntestem.
Maße Steuerfreiheit zugesichert. Diese ist jetzt im
wesentlichen verschwunden.
In Preußen ist die Freiheit von Personal-
steuern, soweit sie noch bestand, durch G v. 18.7. 92
gegen Entschädigung aufgehoben. Die Befrei-
ungen von der Gemeindeeinkommensteuer bestehen
nach § 40 Komm Abg G v. 14. 7. 93 fort, sind aber
nach § 21 a. a. O. zum zwanzigfachen Betrage der
Jahressteuer ablösbar. Die Befreiung steht einem
M. nur da zu, wo er bisher schon ein wohl er-
worbenes Recht darauf hatte, kann jedenfalls,
da das Komm Abg G eine allgemeine Befreiun
der M. nicht kennt, von ihnen nicht neu in Anspru
genommen werden. Für indirekte Steuern be-
steheen überhaupt keine Befreiungen. Die Streit-
frage, ob die in den alten Provinzen nicht standes-
herrlich begüterten M. eine Freiheit von Personal-