Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Militärersatz 
837 
  
I. Militärersatz 
1. Begriff und gesetzliche Grundlagen. 
Unter Milrsatzwesen versteht man die Gesamtheit 
der Einrichtungen und Maßnahmen, die sich auf 
die Ergänzung der bewaffneten Macht beziehen. 
Die einschlägigen Bestimmungen finden sich außer 
in der RV in dem R betreffend die Verpflich- 
tung zum Kriegsdienste v. 9. 11. 67 („Wehr- 
gesetz" B#G Bl 131), im RMilG v. 2. 5. 74 (Rl 
45) und den R v. 6. 5. 80 (RE#l 103), v. 
31. 3. 85 (Röl 81), v. 11. 2. 88 (Rnl 11), 
v. 27. 1. 90 (R#Bl 7), v. 26. 5. 93 (RGBl 185) 
und v. 25. 3. 99 (Röl 213). Das gesamte 
einschlägige Material ist enthalten in der Deutschen 
Wehrordnung (WO), die vom Kaiser unterdem 
22. II. 88 erlassen ist (RZBl 1889, 1 ff) und seit- 
dem einige Aenderungen in der im militärischen 
Leben üblichen Form der Deckblätter erhalten 
hat. Sie gilt für das ganze Reich mit Ausnahme 
Bayerns. In Bayern gilt die WO f. d. Kgr. 
Bayern v. 19. 1. 89, die mit der WO im allge- 
meinen wörtlich übereinstimmt. Die militärischen 
Ergänzungsbestimmungen zur W0O sind in den 
Heerordnungen (ÖHO) enthalten, die von den 
Kontingentsherren erlassen sind. Die preußische 
HO datiert wie die W v. 22. 11.88; die bayerische, 
sächsische und württembergische stimmen mit ihr 
überein. Es gelten also auch hier trotz der Ver- 
schiedenheit der Quellen die gleichen Vorschriften. 
Die WdO stellt Rechtsvorschriften dar, während 
die HO die Eigenschaft militärischer Dienstvor- 
schriften habeen. Die Wist gegengezeichnet vom 
R, die HO von den zuständigen Kriegs Min. Hier- 
zu kommt noch die Marineordnung, die die 
für die Kaiserl. Marine erforderlichen Ergänzungs- 
bestimmungen zur WoO enthält, vom Kaiser unter 
dem 3. 4. 09 erlassen, vom Staatssekretär des 
Reichsmarineamts als Stellvertreter des RK 
gegengezeichnet ist und auch die Eigenschaft einer 
militärischen Dienstvorschrift hat. 
Wegen der Kolonien T vg. Schutztruppe. 
#2. Crganisation der Ersatzbehörden. Die 
Organisation der Ersatzbehörden beruht auf der 
Einteilung des Gebietes des Deutschen Reiches 
in 24 Armeekorpsbezirke (18 preuß., 3 bayer., 
2 sächs. und 1 württ.). Das preuß. Gardekorps 
rekrutiert sich aus allen zum preuß. Kontingent 
gehörigen Bundesstaaten. Jeder Armeekorpsbe- 
zirk bildet einen besonderen „Ersatzbezirk“. Außer- 
dem bildet das Großherzogtum Hessen noch einen 
(25.) Ersatzbezirk (WO §5 1 Nr. 1; Mil Konv. mit 
Hessen a 10). Jeder Ersatzbezirk zerfällt in der 
Regel in vier, das Großherzogtum Hessen in zwei 
„Infanterie-Brigade-Bezirke“; jeder Infanterie- 
Brigadebezirk besteht aus den zugehörigen „Land- 
wehrbezirken“" (WO 581 Nr. 2 und 3). Die zeitige 
Landwehr-Bezirkseinteilung ist in Anl. 1 zur WO 
angegeben. Die Landwehrbezirke sind in Rück- 
sicht auf die Ersatzangelegenheiten in „Aus- 
hebungsbezirke“ und diese letzteren, wenn nötig, 
in „Musterungsbezirke“ eingeteilt (W O #5#2 Nr. 4). 
Die Ersatzbehörden zerfallen in Ersatzbe- 
hörden der Ministerialinstanz, Ersatzbehörden der 
dritten Instanz, Ober-Ersatzkommissionen (zweite 
Instanz) und Ersatzkommissionen (erste Instanz). 
Sämtliche Ersatzangelegenheiten in den Bezirken 
der unter preußischer Mil Verwaltung stehenden 
Armeekorps (I.—XI. XIV.—XVIII. XX.—XX I. 
  
  
AK.) leitet das preuß. Kriegs Min im Verein mit 
den obersten Zivilverwaltungsbehörden der be- 
treffenden Bundesstaaten als „Ministerialin- 
stanz“ (WO#2 Nr. 1 und 2). In den König- 
reichen Bayern, Sachsen und Württemberg stehen 
die Ersatzangelegenheiten unter der Leitung der 
betreffenden Kriegsministerien (Vl in Gemeinschaft 
mit den Min Inn.— In den Ersatzangelegenheiten 
der Marine tritt an die Stelle der Kriegsmini- 
n das Reichsmarineamt (RMilG ##30, WO 
2 
In den einzelnen Ersatzbezirken steht der kom- 
mandierende General des Armeekorps in Gemein- 
schaft mit dem Chef der Provinzial= oder Landes- 
verwaltungsbehörde, sofern nicht hierfür besondere 
Behörden bestellt sind, den Ersatzangelegenheiten 
als „Ersatzbehörde dritter Instanz“ vor. 
Im Großh. Hessen tritt an Stelle des komman- 
dierenden Generals der Kommandeur der Großh. 
Hessischen (25.) Division (RMilG 8 308, WO 822). 
Im Kgr. Bayern werden die Geschäfte der Er- 
satzbehörden 3. Instanz durch die Generalkomman- 
dos im Verein mit einem für den Armeekorps- 
bezirk durch das Staats Min Inn ernannten Kom- 
missar, im Kgr. Sachsen durch den kommandie- 
renden General und den Vorstand der zuständigen 
Kreishauptmannschaft, im Kgr. Württemberg 
durch den Ober-Rekrutierungsrat ausgeübt. Für 
die Ersatzangelegenheiten der Marine treten an die 
Stelle der kommandierenden Generale die Marine- 
stationskommandos (WO 5 29). 
In den Infanterie-Brigadebezirken bilden ein 
höherer Offizier, in der Regel der Infanterie- 
brigadekommandeur oder Landwehrinspekteur und 
ein höherer VerwBeamter unter dem Namen 
„Ober-Ersatzkommission im Bezirk der 
xIten Infanteriebrigade" die Behörde, die die 
Ersatzangelegenheiten in 2. Instanz bearbeitet 
(RMilG 8302; RG v. 30. 3. 85; WO 129). 
In den einzelnen Aushebungsbezirken bilden 
ein Offizier, in der Regel der Bezirkskommandeur, 
und ein Verw Beamter des Bezirks unter dem 
Namen „Ersatzkommission des Aushebungs- 
bezirks (Kreises usw.) NN.“ die Behörde, der die 
ständige Besorgung der Ersatzangelegenheiten in 
erster Instanz obliegt (RMilG# a. a. O.; R v. 
30. 3. 85 und WO #+D 25). 
Sowohl in der Ober-Ersatzkommission wie in der 
Ersatzkommission führen die beiden Mitglieder ge- 
meinschaftlich den Vorsitz; sie führen die Bezeich- 
nung „Militär= bezw. Zivilvorsitzende der Ober- 
Ersatz= bezw. Ersatzkommission“ (WO#641, 5 711). 
Das schließt nicht aus, daß die Ansicht des Mil Vor- 
sitztenden unter Umständen maßgebend ist (WO 
# 71). In bestimmten Fällen wird die Ersatz- 
und die Ober--Ersatzkommission noch durch einige 
Zivilmitglieder verstärkt (WO # 29). 
#sl# 3. Das Ersatzgeschäft im Frieden. Das jähr- 
liche Ersatzgeschäft zerfällt in 3 Hauptabschnitte: 
Vorbereitung, Musterung, Aushebung. 
Das Vorbereitungs geschäft umfaßt alle 
diejenigen Maßnahmen, die zur Ermittlung der 
im laufenden Jahre zur Gestellung vor den Ersatz- 
behörden verpflichteten Wehrpflichtigen erforder- 
lich sind, sowie deren Eintragung in die Grund- 
listen (WO #6 32). Die Grundlisten bestehen in den 
Rekrutierungsstammrollen, den alphabetischen Li- 
sten und den Restantenlisten. Die Rekrutierungs- 
stammrollen, die von den Vorstehern der Gemein-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.