864
Militärwesen (C. Militärrechtspflege)
Frist nur das Rechtsmittel einzulegen braucht und
sich später für den Umfang seiner Anfechtung Ur-
teil und Protokoll nutzbar machen kann. Für dieje
Benachteiligung des Gerichtsherrn besteht kein
erkennbarer Grund. Die Rechtsmittelerklärungen
des Gerichtsherrn werden durch den Kriegsgerichts-
rat usw. zu den Akten beurkundet. Die herrschende
Meinung, die Beurkundung dürfte nach Ablauf
der 7 tägigen Frist nachgeholt, nur die Erklärungen
des Geuchtsherrn müßten innerhalb der Frist ab-
gegeben werden, benachteiligt den Angeklagten in
den Fällen, in denen die Formvorschriften auf
seiten des Gerichtsherrn nicht beachtet worden.
ind.
Das Reichsmilitärgericht muß (wenn es nicht
selbst entscheidet, was sehr selten ist) bei Aufhebung
eines Urteils die Sache an dasselbe Oberkriegs-
gericht zurückverweisen, das in der Sache ent-
schieden hat (Bindung an die rechtliche und militär-
dienstliche Beurteilung). Die Uebertragung der
neuen Urteilsfindung an ein anderes Oberkriegs-
gericht ist eine wichtige Forderung an den zu-
uftigen Gesetzgeber (s. Militärrechtl. Studien,
Festschrift 116 ff). ç
5. Wegen der Bestätigung der urteile
s. oben § 5 1 und nachfolgend unter 6, 8.
6. Das Feld- und Bordverfahren
hat Besonderheiten (Wegfall der Rechtsmittel,
Rechtskraft der Urteile und Vollstreckbuarkeit durch
die Bestätigung, die hier neben der staatsrechtlichen
auch besondere sachliche Bedeutung hat. Schrift-
liche Rechtsgutachten vor der Bestätigung. Wenn
der Befehlshaber das Urteil aufhebt, tritt ein
neues Gericht zusammen.
7. Wiederaufnahme eines durch rechts-
kräftiges Urteil geschlossenen Verfahrens ist vor-
gesehen. Das Reichsmilitärgericht allein — ein
großer Vorzug gegenüber der Strafprozeßord-
nung — ist zur Entscheidung berufen.
8. Vollstreckt werden die urteile nach
Maßgabe der Bestätigungsorder (Milderungs-
recht der Befehlshaber in bestimmten Grenzen),
Strafverfügungen nach Maßgabe ihres Inhalts.
Einzelheiten ##s 450 ff. Die bedingte Be-
6 nadigung (Hist der Militärstrafrechtspflege
eider noch unbekannt. Damit gehen auch die Sol-
daten der Aussicht auf bedingte Strafaussetzung
verlustig, die wegen der vor dem Diensteintritt
begangenen strafbaren Handlungen militärgericht-
lich abgeurteilt werden (uvgl. Handwörterbuch des
MilRechts S 95).
9. Entschädigung der im Wiederauf-
nahmeverfahren freigesprochenen Personen und
füv unschuldige Verhaftung und Bestrafung ist ge-
ichert.
10. Die Kosten des Verfahrens und der
durch die Militärbehörden bewirkten Strafvoll-
streckung fallen — ein bedeutsamer und etwas zu
weit gehender Grundsatz — der Militärjustizver-
waltung zur Last.
Literatur: Kommentare zur MSt# von Steng.
lein 1901, Weigel 1899, v. Koppmann 1901,
Pechwell 1899, Sturm und Walde 1899, Sei-
denspinner 1900, Schlayer 1904 (Militärstrafrecht),
Elsner v. Gronow u. Sohl, Militärstrafrecht 1906,
Lerz u. Ernst 1908, Romen u. Rissom 1010.
Systeme sind äußerst zahlreich. Nachweisungen bei Romen
eind Rissom, daselost umfassende Literaturangaben, auch zu
den einzelnen Abschnitten. Hervorzuheben sind aus neuerer
Zeit: Rissom, Militärgerichtsbarkeit und Kommandoge-
walt, Goltdurch 56, 168 ff; 58, 1 und zahlreiche Arbeiten
in Handwörterbuch des Militärrechts (Rastatt 1912); s. auch
Arch für Militärrecht Bd. 1 ff. — Rechtsprechung:
Entsch des Reichsmilitärgerichts Bd. 1—15; Prüfungs-
ergebnisse des Reichsmilitärgerichts Nr. I—XXI; Bespre-
chungen der Entsch: Beling, Z3 Sti#t 24, 245; Gerland,
GerS 69, 194—58 und Krit. B3Schr. 45, 429; Ditzen.
Goltdrch 52, 217; Rissom, Ger S 73, 3056; 75, 471 und
Arch MilRecht 1 S 221, 297, 455; 2 S 58, 870, 455; 3 S217.
Zur Geschichte der Mil erichtsbarkelt s. u. a. Dan-
gelmaiter, Goltdülrch 32, S440; derselbe, Geschichte
des Mil Strafrechts, 1891: Molitor, Kriegsgerichte u.
Militärstrafen im 19. Jahrh. 1885; v. Bonin, Die Ent-
wicklung des deutschen Kriegsgerichtswesens, 1912.— Einige
prozeßstatistische Aufschiüsse gibt die Kriminalstatistik
für das deutsche Heer und die Kaiserliche Marine (seit 1901
aufgestellt, in den Bierteljahrsheften der Stat. des D. N.
veröff.), bearb. von Diet, Die Militärstrafrechtspflege im
Lichte der Krim.-Stat., 1908 und an anderen Stellen:
Nachweise der Lit. unter „Kriminalstatistik“ im Handwör-
terbuch des Militärrechts. Dies.
III. Militärische Ehrengerichte
1. Seschichtliche Entwicklung und Quellen. s 2. Recht-
liche Natur der Vorschriften. #J 3. Zweck, Zuständigkeit und
Organisation der Ehrengerichte. 3 4. Ehrenrat. z 5. Ehren-
gerichtliches Verfahren. ## 6. Rechtliche Natur der Ehren-
gerichte.
s 1. Geschichtliche Eutwicklung und Quell
I. In Preußen ist den Offizierkorps baz
Recht über den Lebenswandel ihrer Mitglieder
vom Standpunkte der Ehre eines Offiziers zu
wachen und gegen Verfehlungen einzuschreiten
zum ersten Male durch die Kgl V wegen Be-
strafung der Offiziere v. 3. 8. 1808 (GS 1806
bis 1810, 272) übertragen worden. In Ausübung
dieses Rechtes wird das Offizierkorps als „Ehren-
gericht" bezeichnet. Die Landwehr O v. 21. 11.
1815 (GS 1816, 77) führte die Einrichtung der
Ehrengerichte (Eg.) in allerdings etwas anderer
orm auch bei der Landwehr ein. Durch die
ab O v. 15. 2. 1828 (Friccius, Pr. Mil G 1, 175)
und einige spätere erläuternde oder ergänzende
Orders wurde das Verfahren bei den Eg. geregelt
Eine erschöpfende Neuordnung des Gegenstandes
brachte die Kgl V über die Eg. v. 20. 7. 42 ver-
öffentlicht durch die Kab O v. 18. 7. 44 (68# 299)
Mit der V über die Eg. der Offiziere im preuß.
Heere v. 2. 5. 74 (als Dienstvorschrift veröffent-
licht) erließ der König von Preußen neue Be-
stimmungen über die Eg. Diese sowie die Be-
stimmungen der unter dem 1. 1. 97 erlassenen
Ergänzungsorder gelten noch, allerdings mit
einigen wesentlichen Aenderungen, die durch
Kab-O v. 15. 7. 10 angeordnet worden sind. Ver-
öffentlicht sind diese Bestimmungen im Kom-
vendium für Militärrecht“ (s. Literatur).
ür die Sanitätsoffiziere des
Heeres sind Eg. durch die Allech V v. 9.6 *N
(A#l 161) geschaffen worden, an denen gleich-
falls durch Kab O v. 15. 7. 10 einige wesentliche
Aenderungen vorgenommen sind. Vgl. das „Kom-
pendium“ und 7J Militärärzte S 840. k