Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

Militärische Ehrengerichte 
von Mitteilung zu machen, der dann darüber ent- 
scheidet, ob und wie die Sache weiter zu verfolgen 
ist. Jeder den Eg. unterstellte Offizier hat das 
Recht, auf einen ehrengerichtlichen Spruch gegen 
sich selbst anzutragen. 
Findet der Kommandeur, daß die Handlung 
oder Unterlassung eines Offiziers ehrengericht- 
lichen Spruch erfordert, so hat er nach Feststellung 
des Tatbestandes die Entscheidung des zuständigen 
Befehlshabers einzuholen. Dies hat er auch dann 
zu tun, wenn ein Offizier seinen Antrag, gegen 
sich selbst ein ehrengerichtliches Verfahren einzu- 
leiten, trotz Ablehnung des Kommandeurs aufrecht 
erhält. 
Zuständig für die Anordnung eines ehren- 
gerichtlichen Verfahrens gegen einen Haupt- 
mann usw., d. h. allein dazu berechtigt ist der mit 
Gerichtsbarkeit über Offiziere betraute unmittel- 
bare Befehlshaber des Truppenteils, dessen Eg. 
der Bezichtigte untersteht, für die Anordnung 
eines solchen gegen einen Stabsoffizier der kom- 
mandierende General, für die Anordnung eines 
solchen gegen Stabsärzte usw. der vorgesetzte 
Divisionskommandeur (Landwehr-Inspekteur), ge- 
gen Generaloberärzte und Oberstabsärzte gleich- 
falls der kommandierende General. Die in der 
Marine zuständigen Befehlshaber sind in der V 
v. 13. 5. 11 Ziff. 31 und v. 24. 10. 11 Ziff. 32 
angegeben. 
1I. Auf den Bericht des Kommandeurs ent- 
scheidet der Befehlshaber, ob ein ehrengericht- 
liches Verfahren stattfinden soll. Ordnet er es 
an, so sind in der Einleitungsverfügung die Ver- 
stöße gegen die Standespflichten, deren der Offi- 
zier beschuldigt ist, so bestimmt als möglich aus- 
zusprechen. Das Verfahren findet in der Regel 
bei dem Eg. statt, dem der Angeschuldigte unter- 
worfen ist. Es darf vor Beendigung durch einen 
ehrengerichtlichen Spruch nicht wieder eingestellt 
werden. Der Kommandeur ist für die Leitung 
des Verfahrens verantwortlich; er erteilt dem 
Ehrenrat, der die Vernehmungen vornimmt, die 
nötigen Weisungen und entscheidet über das zu 
beobachtende Verfahren. Die Untersuchung wird 
schriftlich geführt, sie soll sich nicht nur auf die zur 
Belastung, sondern auch auf die zur Entlastung 
dienenden Umstände erstrecken. Bei der Schluß- 
vernehmung ist der Angeschuldigte mit dem Er- 
gebnis der Untersuchung durch Mitteilung des 
Inhalts der Akten bekannt zu machen. Die An- 
klagepunkte sind ihm schriftlich bekannt zu geben. 
Er kann sich selbst durch eine Verteidigutsgeschrift. 
aber auch durch einen anderen, dem Eg. unter- 
stellten Offizier schriftlich verteidigen lassen. Der 
Verteidiger darf die Verteidigungsschrift in der 
Spruchsitzung verlesen und, wenn er einem der 
beteiligten Offizierkorps angehört oder dem be- 
treffenden Eg. unterstellt ist, mündlich ergänzen. 
Der Spruch wird in einer vom Kommandeur 
dazu zu berufenden Versammlung der Mitglieder 
des Eg. gefällt. 
Zu einem gültigen Spruch ist die Teilnahme 
von mindestens zehn stimmfähigen Mitgliedern, 
der Kommandeur miteinbegriffen, erforderlich. 
Die Spruchsitzung wird vom Kommandeur ge- 
leitet. Sie beginnt mit der Verlesung der Akten 
durch ein Mitglied des Ehrenrats. Hierauf wird 
die Verteidigungsschrift verlesen und ersorder- 
lichenfalls mündlich ergänzt. In Abwesenheit 
  
  
  
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des Angeschuldigten und seines Verteidigers er- 
folgt dann die Verlesung des Gutachtens des 
Ehrenrats zu der Angelegenheit und schließlich die 
Abstimmung. Ein gültiger Spruch entsteht, wenn 
mehr als die Hälfte der Stimmenden ein gleich- 
lautendes Gutachten abgegeben hat. 
Der Spruch des Eg. kann lauten: 
1. auf Unzuständigkeit, wenn das Eg. der An- 
sicht ist, daß der Fall sich überhaupt nicht zur 
ehrengerichtlichen Behandlung eigne, oder daß 
ein anderes Eg. zuständig ist; 2. auf Vervoll- 
ständigung der Untersuchung, wenn das Eg. sie 
für nötig und möglich hält, um sich eine bestimmte 
Ueberzeugung bilden zu können; 3. auf Frei- 
sprechung, wenn das Eg. der Ueberzeugung ist, 
daß in dem zum Gegenstande der Untelsuchung 
gemachten Verhalten des Angeschuldigten weder 
eine Gefährdung noch eine Verletzung der Stan- 
desehre liegt; 4. auf schuldig der Gefährdung der 
Standesehre unter Beantragung der Erteilung 
einer Warnung, wenn das Eg. der Ueberzeugung 
ist, daß der Angeschuldigte durch sein zum Gegen- 
stand der Untersuchung gemachtes Verhalten nicht 
unwürdig geworden ist, in seiner Dienststellung 
belassen zu werden; 5. auf schuldig der Verletzung 
der Standesehre unter Beantragung der Ent- 
lassung mit schlichtem Abschied, wenn das Eg. der 
Ueberzeugung ist, daß der Angeschuldigte in seiner 
Dienststellung nicht belassen werden kann; 6. auf 
schuldig der Verletzung der Standesehre unter 
erschwerenden Umständen unter Beantragung der 
Entfernung aus dem Offizierstande, wenn das Eg. 
der Ueberzeugung ist, daß der Angeschuldigte un- 
würdig geworden ist, dem Offizierstande ferner 
anzugehören. 
Die Entlassung mit schlichtem Abschied hat den 
Verlust der Dienststelle, die Entfernung aus dem 
Offizierstande (Sanitätsoffizierstande), außerdem 
noch den Verlust des Offiziertitels zur unmittel- 
baren Folge. Bei verabschiedeten Offizieren tritt 
an die Stelle der Entlassung mit schlichtem Ab- 
schied der Verlust des Rechts, die Militär-(Marine--) 
Uniform zu tragen; an die Stelle der Entfernung 
aus dem Offizierstande (Sanitätsoffizierstande) 
außerdem noch der Verlust des Offiziertitels. Der 
Verlust des Rechts, die Mil-(Marine-)Uniform 
zu tragen, hat für die zur Disposition stehenden 
Offiziere ohne weiteres das Ausscheiden aus dieser 
Stellung zur Folge. 
III. Der Kommandeur läßt durch den Ehrenrat 
den Spruch des Eg. in Form eines Erkenntnisses 
ausfertigen (persönliche Verhältnisse, Sachver- 
halt, Entscheidungsgründe). Die Ausfertigung 
wird durch den zuständigen Befehlshaber auf dem 
Dienstwege der Allerh. Entscheidung unterbreitet, 
wobei sich die Vorgesetzten, durch deren Hand sie 
geht, zu äußern haben, ob sie dem Spruche des 
Eg. beitreten oder nicht. Auf Grund des Spruchs 
erfolgt die Allerh. Entscheidung, die dem Ange- 
schuldigten gleichzeitig mit dem Spruche bekannt- 
zugeben ist. Mit dieser Bekanntgabe findet das 
ehrengerichtliche Verfahren seinen Abschluß. 
#s 6. Die rechtliche Natur der Ehrengerichte 
und ihres Spruchs. Die Eg. sind keine Gerichte 
im Rechtesinne, sondern nur Kommissionen, vom 
Kaiser (Nönig) damit betraut, nach Anordnung 
des zuständigen Befehlshabers Angelegenheiten, 
die den Gegenstand eines ehrengerichtlichen Ver- 
fahrens bilden können, in einem vorgeschriebenen 
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