Militärische Ehrengerichte
von Mitteilung zu machen, der dann darüber ent-
scheidet, ob und wie die Sache weiter zu verfolgen
ist. Jeder den Eg. unterstellte Offizier hat das
Recht, auf einen ehrengerichtlichen Spruch gegen
sich selbst anzutragen.
Findet der Kommandeur, daß die Handlung
oder Unterlassung eines Offiziers ehrengericht-
lichen Spruch erfordert, so hat er nach Feststellung
des Tatbestandes die Entscheidung des zuständigen
Befehlshabers einzuholen. Dies hat er auch dann
zu tun, wenn ein Offizier seinen Antrag, gegen
sich selbst ein ehrengerichtliches Verfahren einzu-
leiten, trotz Ablehnung des Kommandeurs aufrecht
erhält.
Zuständig für die Anordnung eines ehren-
gerichtlichen Verfahrens gegen einen Haupt-
mann usw., d. h. allein dazu berechtigt ist der mit
Gerichtsbarkeit über Offiziere betraute unmittel-
bare Befehlshaber des Truppenteils, dessen Eg.
der Bezichtigte untersteht, für die Anordnung
eines solchen gegen einen Stabsoffizier der kom-
mandierende General, für die Anordnung eines
solchen gegen Stabsärzte usw. der vorgesetzte
Divisionskommandeur (Landwehr-Inspekteur), ge-
gen Generaloberärzte und Oberstabsärzte gleich-
falls der kommandierende General. Die in der
Marine zuständigen Befehlshaber sind in der V
v. 13. 5. 11 Ziff. 31 und v. 24. 10. 11 Ziff. 32
angegeben.
1I. Auf den Bericht des Kommandeurs ent-
scheidet der Befehlshaber, ob ein ehrengericht-
liches Verfahren stattfinden soll. Ordnet er es
an, so sind in der Einleitungsverfügung die Ver-
stöße gegen die Standespflichten, deren der Offi-
zier beschuldigt ist, so bestimmt als möglich aus-
zusprechen. Das Verfahren findet in der Regel
bei dem Eg. statt, dem der Angeschuldigte unter-
worfen ist. Es darf vor Beendigung durch einen
ehrengerichtlichen Spruch nicht wieder eingestellt
werden. Der Kommandeur ist für die Leitung
des Verfahrens verantwortlich; er erteilt dem
Ehrenrat, der die Vernehmungen vornimmt, die
nötigen Weisungen und entscheidet über das zu
beobachtende Verfahren. Die Untersuchung wird
schriftlich geführt, sie soll sich nicht nur auf die zur
Belastung, sondern auch auf die zur Entlastung
dienenden Umstände erstrecken. Bei der Schluß-
vernehmung ist der Angeschuldigte mit dem Er-
gebnis der Untersuchung durch Mitteilung des
Inhalts der Akten bekannt zu machen. Die An-
klagepunkte sind ihm schriftlich bekannt zu geben.
Er kann sich selbst durch eine Verteidigutsgeschrift.
aber auch durch einen anderen, dem Eg. unter-
stellten Offizier schriftlich verteidigen lassen. Der
Verteidiger darf die Verteidigungsschrift in der
Spruchsitzung verlesen und, wenn er einem der
beteiligten Offizierkorps angehört oder dem be-
treffenden Eg. unterstellt ist, mündlich ergänzen.
Der Spruch wird in einer vom Kommandeur
dazu zu berufenden Versammlung der Mitglieder
des Eg. gefällt.
Zu einem gültigen Spruch ist die Teilnahme
von mindestens zehn stimmfähigen Mitgliedern,
der Kommandeur miteinbegriffen, erforderlich.
Die Spruchsitzung wird vom Kommandeur ge-
leitet. Sie beginnt mit der Verlesung der Akten
durch ein Mitglied des Ehrenrats. Hierauf wird
die Verteidigungsschrift verlesen und ersorder-
lichenfalls mündlich ergänzt. In Abwesenheit
867
des Angeschuldigten und seines Verteidigers er-
folgt dann die Verlesung des Gutachtens des
Ehrenrats zu der Angelegenheit und schließlich die
Abstimmung. Ein gültiger Spruch entsteht, wenn
mehr als die Hälfte der Stimmenden ein gleich-
lautendes Gutachten abgegeben hat.
Der Spruch des Eg. kann lauten:
1. auf Unzuständigkeit, wenn das Eg. der An-
sicht ist, daß der Fall sich überhaupt nicht zur
ehrengerichtlichen Behandlung eigne, oder daß
ein anderes Eg. zuständig ist; 2. auf Vervoll-
ständigung der Untersuchung, wenn das Eg. sie
für nötig und möglich hält, um sich eine bestimmte
Ueberzeugung bilden zu können; 3. auf Frei-
sprechung, wenn das Eg. der Ueberzeugung ist,
daß in dem zum Gegenstande der Untelsuchung
gemachten Verhalten des Angeschuldigten weder
eine Gefährdung noch eine Verletzung der Stan-
desehre liegt; 4. auf schuldig der Gefährdung der
Standesehre unter Beantragung der Erteilung
einer Warnung, wenn das Eg. der Ueberzeugung
ist, daß der Angeschuldigte durch sein zum Gegen-
stand der Untersuchung gemachtes Verhalten nicht
unwürdig geworden ist, in seiner Dienststellung
belassen zu werden; 5. auf schuldig der Verletzung
der Standesehre unter Beantragung der Ent-
lassung mit schlichtem Abschied, wenn das Eg. der
Ueberzeugung ist, daß der Angeschuldigte in seiner
Dienststellung nicht belassen werden kann; 6. auf
schuldig der Verletzung der Standesehre unter
erschwerenden Umständen unter Beantragung der
Entfernung aus dem Offizierstande, wenn das Eg.
der Ueberzeugung ist, daß der Angeschuldigte un-
würdig geworden ist, dem Offizierstande ferner
anzugehören.
Die Entlassung mit schlichtem Abschied hat den
Verlust der Dienststelle, die Entfernung aus dem
Offizierstande (Sanitätsoffizierstande), außerdem
noch den Verlust des Offiziertitels zur unmittel-
baren Folge. Bei verabschiedeten Offizieren tritt
an die Stelle der Entlassung mit schlichtem Ab-
schied der Verlust des Rechts, die Militär-(Marine--)
Uniform zu tragen; an die Stelle der Entfernung
aus dem Offizierstande (Sanitätsoffizierstande)
außerdem noch der Verlust des Offiziertitels. Der
Verlust des Rechts, die Mil-(Marine-)Uniform
zu tragen, hat für die zur Disposition stehenden
Offiziere ohne weiteres das Ausscheiden aus dieser
Stellung zur Folge.
III. Der Kommandeur läßt durch den Ehrenrat
den Spruch des Eg. in Form eines Erkenntnisses
ausfertigen (persönliche Verhältnisse, Sachver-
halt, Entscheidungsgründe). Die Ausfertigung
wird durch den zuständigen Befehlshaber auf dem
Dienstwege der Allerh. Entscheidung unterbreitet,
wobei sich die Vorgesetzten, durch deren Hand sie
geht, zu äußern haben, ob sie dem Spruche des
Eg. beitreten oder nicht. Auf Grund des Spruchs
erfolgt die Allerh. Entscheidung, die dem Ange-
schuldigten gleichzeitig mit dem Spruche bekannt-
zugeben ist. Mit dieser Bekanntgabe findet das
ehrengerichtliche Verfahren seinen Abschluß.
#s 6. Die rechtliche Natur der Ehrengerichte
und ihres Spruchs. Die Eg. sind keine Gerichte
im Rechtesinne, sondern nur Kommissionen, vom
Kaiser (Nönig) damit betraut, nach Anordnung
des zuständigen Befehlshabers Angelegenheiten,
die den Gegenstand eines ehrengerichtlichen Ver-
fahrens bilden können, in einem vorgeschriebenen
5527