Bayern — Sachsen
schlüsse zu vollziehen; man wird ihm aber eine
Mitwirkung zu ungesetzlichen Beschlüssen nicht
zumuten können; er wird vielmehr die Aufsichts-
behörde in Kenntnis zu setzen haben.
Verschieden von der Staatsaussicht ist die Ge-
nehmigung der vorgesetzten Behörde zu
bestimmten Handlungen der Gem, die in einer
Anzahl von Fällen erforderlich ist. Insoferne be-
steht noch die alte Gem Kuratel fort. Es liegt im
Ermessen der Behörde, die Genehmigung zu er-
teilen oder zu verweigern; manchmal stellt das
Gesetz Richtlinien auf.
Den Umfang der unbeschränkten oder der be-
schränkten Zuständigkeit der bayerischen Gem
kennzeichnet ein Blick auf einige wichtigere Verw-
Zweige, wobei Vollständigkeit nicht in Anspruch
genommen wird.
1. Bermögensverwaltung. Das „Srundstock-
vermögen“ musß ungeschmälert erhalten werden; Ausnah-
men bedürsen der Genehmigung. Die Bewirtschaftung der
Gem Waldungen, die auf forstpolizeilich genehmigte Wirt-
schaftspläne sich gründen müssen, unterliegt unmittelbar der
Staatsaufsicht. Die Aufnahme von Schulden bedarf in der
Regel der Genehmigung, ebenso die VBeräußerung von
Grundstücken, die Verteilung von Gem Gründen. Für Aus-
leihung von Kapitalien bestehen beschränkende Bestimmun-
gen; Ausnahmen bedürfen der Genehmigung.
2. Gemeinbeanstalten. Im allgemeinen ist die
Gründung von Gem Anstalten frei (soferne Schulden gemacht
werden vgl. 8 1). Falls jedoch der Gem eine dauernde
Haftungsverbindlichkeit erwächst, ist die Genehmigung er-
forderlich. Hierauf fußen z. B. beschränkende Bestimmun-
gen über den Betrieb der Sparkassen. Die Benützung der
Gem Anstalten kann statutarisch geregelt werden; hierzu ge-
hört auch die Festsetzung des Entgeltes; besteht jedoch eine
Pflicht zur Benützung, so bedarf diese Gebührenfestsetzung
der Genehmigung.
3. Steuerwesen. Neue Berbrauchssteuern, Pfla-
ster-, Wege= und Brückenzölle, sonstige örtliche Abgaben, die
nicht für Benützung gemeindlichen Eigentums usw. erhoben
werden, bedürfen ministerieller Genehmigung. Direkte
Steuern (Umlagen) können nur in Form von gleich hohen
Zuschlägen zu sämtlichen direkten Staatssteuern erhoben
werden; die Höhe selbst ist unbeschränkt. Auch das vom
1. 1. 12 ab geltende Umlagengesetz ändert an dieser
Unfreiheit nichts.
4. Haushalt, Rechnungswesen. Das Ministe-
rium kann für die Voranschläge und Rechnungen Formulare
aufstellen. Das Gesetz stellt Fristen auf und befiehlt Vorlage
an die Staatsaufsichtsbehörde. Dic unmittelbaren Magistrate
müisen jährlich einen Verw Bericht veröffentlichen. Frei-
willige Leistungen aus Gen Mitteln, die bestimmte Beträge
überschreiten, bedürsen der Genehmigung.
5. Gemeinbebeamte vyl. oben 16 V.
6. Stiftungswesen. Die Gem verwalten die
örtlichen Stiftungen, sofern nicht andere Verwaltungen ge-
setzlich (z. B. bei Kirchenstiftungen) oder durch die Satzung
angeordnet sind. Die Annahme von Stiftungszuflüssen,
welche mit bleibenden Lasten verknüpft sind, bedarf der Ge-
nehmigung.
7. Bauwesen. Zur Veränderung oder Besecitigung
öffentlicher Denkmäler oder Bauwerke von historischem oder
Kunstwert ist Genehmigung erforderlich.
8. Volksschulwesen. Die vermögensrechtliche
Berwaltung der öffentlichen Volksschulen, die Feststellung
und Aufbringung des Bedarfes ist eigentliche Gem Ange-
legenheit. Das Ermessen der Gem ist aber durch eine Reihe
gesetzlicher Vorschriften beschränkt. Die Anstellung der
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Lehrkräfte ist Sache des Staates. Für Schulhausbauten
wird die Genehmigungspflicht behauptet.
Kiteratur: v. Kahr, Bayerische Gem Ordnung
für die Landesteile diesseits des Rheins, 1896; Wand,
Gem Ordnung für die Pfalz, 1894; Lindner- Hauck,
Erläuterungen zur bayrischen Gem Ordnung für die Lan-
desteile diesseits des Rheins, 1901; v. Seydel, Bay-
risches StK Bv 1 Séoff, S 116 ff; Bd 11 681—135, 8 623 ff;
Kutzer, Das bayrische Heimatrecht, 19053; Weber,
Bayrische Gem Ordnung, 9. Aufl. 1910: Blätter für admi-
nistrative Praxis, Nördlingen, später München; Bayrische
Gemzeitung, München. — Statistisches Material enthalten
die Zeitschrift des kgl. bayerischen statistischen Landesamts,
dann das „statistische Jahrbuch für das Königreich Bayern“,
endlich die „Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern“.
Kutzer.
C. Sachsen
5 1. Geschichte. 3 2. Arten der Gemeinden. — I. Städte
mit revidierter Städteordnung. 1 3. Die
Stadtverordneten. # 4. Der Stadtrat. 5. Hilfsorgane.
5 6. Stadtgemeinderat. — II. Städte, die der
Städteordnung für mittlere und kleine
Städte unterstehen 1 7. — III. Landge-
meinden 18. — IV. Gemeindebeamte 19.—
! 10. Staatsaufsicht.
([Allg StO Allgemeine Städteordnung v. 2. 2. 32;
L6GO — Landgemeindeordnung v. 7.11. 38; RStO — revi-
dierte Städteordnung v. 24. 4. 73; Kl StO — Städteord-
mung für mittlere und kleine Städte v. 24.4.73; RLGDO re-
vidierte Landgemeindeordnung v. 24. 4. 78; RSt = Städte,
die der revidierten Städteordnung unterstehen; KlSt -
Städte, die der Städteordnung für mittlere und kleine
Städte unterstehen.)
1. Geschichte.
1. Die ältere Entwicklung. Jede
Gem besaß ihre eigene Verfassungsgeschichte;
landesherrliche Verleihungen, rechtsgeschäftlich er-
worbene Rechte und Einrichtungen, fortgcerbte
Eigentümlichkeiten bestimmten ihre Eigenart. Nur
in den Grundzügen der Verfassungen bestand
eine gewisse Uebereinstimmung.
Die Städte (— Gem mit „Stadtrecht“, das seit etwa
d. J. 1000 vom Landesfürsten kraft seiner Territorialgewalt
frei verlichen wurde und außer organisatorischen Rechten
wesentliche wirtschaftliche Befugnisse wie Marktgerechtigkeit
und bürgerliche Nahrung, d. h. ausschließliches Recht auf
Handel und Kaufmannschaft, Bildung von Zünften und
Innungen, gewährte) besaßen das Recht, einen Stadtrat
zu bestellen. Dieser führte die Vermögensverwaltung und
übte unter staatlicher Aufsicht die Polizeigewalt aus. Später
wurden einigen Stadträten auch obrigkeitliche Rechte, ins-
besondere die Gerichtsbarkeit, pachtweise überlassen, und etwa
im 15. Jahrhundert gelang es den meisten Städten, jene
Rechte käuflich oder pfandweise an sich zu bringen. Der
Stadtrat war Gesamtbehörde und ergänzte sich durch eigne
Zuwahl. Außer Verwandten und Verschwägerten der Rats-
mitglieder war jeder ehrbare Bürger wählbar. Die Wahl
bedurfte jedoch der Bestätigung des Landceêherrn. Neben
das Ratskollegium trat in einigen Städten eine Vertretung
der Bürgerschaft (Viertelsmeister, Ausschußpersonen), der
die Mitentschließung in einigen wichtigeren finanziellen An-
gelegenheiten zustand. Die Beschlüsse in diesen Angelegen-