Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Missionen 
Tatsache, daß der Staat unter Anwendung des 
Schulzwangs jedem Staatsangehörigen die Bil- 
dung der Volksschule gewährt, so wird dies auch 
für die Kolonien von Bedeutung. Zwar fehlt es 
hier am Schulzwange, wenn auch dauernd darauf 
u achten ist, ob nicht diese oder jene Landschaft 
fur dieses wirksamste Kolonisierungsmittel reif ist; 
auch ist das Reich noch auf unabsehbare Zeit außer- 
stande, allgemein aus eigenen Mitteln die Volks- 
schule einzuführen. Indes findet es in großer 
Zahl die M. Schulen vor (in ihnen wurden inner- 
halb der Schutzgebiete im Jahre 1908 mehr als 
103 646 Schüler unterrichtet)1), und er kann durch 
Zuschüsse an die M. Schulen oder Prämien an 
deren Schüler einen Teil desjenigen leisten, was 
der Staat in der Heimat durch Darbietung der 
Volksschule als Pflicht erfüllt. In weiterem Ver- 
solge kann das Reich in gewissem Umfange die 
Staatsaufsicht in Anspruch nehmen, wovon jedoch 
(& 3) der Religionsunterricht unberührt bleibt. 
Dies ist der Verlauf, den die sehr allmähliche 
Entwicklung tatsächlich nimmt. Zwei Ursachen 
haben hier hauptsächlich mitgewirkt. Ende der 
neunziger Jahre mahnte, unter Billigung der 
Kolonialabteilung des Ausw. Amtes, der Kolonial= 
rat, keine andere Sprache, außer der Eingeborenen- 
sprache, als die deutsche, zu lehren und, wo dies 
geschehe, im Einvernehmen mit den M., einen 
Lehrplan für den Unterricht im Deutschen aufzu- 
stellen und den bereitwilligen M. Schulen staatliche 
Zuschüsse zu geben, Vfg der Kol. Abt. v. 20. 1. 99, 
v. 27. 2. 97 (Kolon Gg 4, 37; 6, 141). Anderseits 
besteht für die Regierung das Bedürfnis, als Unter- 
beamte Eingeborene anzustellen, welche Kenntnis 
des Deutschen und der Elementarlehrfächer haben 
müssen; hier sollen, soweit die Reg Schulen für 
Eingeborene nicht ausreichen, die M. Schulen 
aushelfen. 
In Togo ist es, nach Einvernehmen mit den M., zu der 
V v. 9. 1. 05 (Kolon Gg 9, 23) gekommen, wonach in allen 
Schulen, außer der Landessprache, keine andere lebende 
Sprache, als die deutsche, gelehrt werden darf, und bei 
Verstößen die Schulen durch den Gouverneur geschlossen 
und die Lehrmittel eingezogen werden dürfen, und den 
zuwiderhandelnden Lehrern die Lehrtätigkeit untersagt wer- 
den kann; sodann wurde mit dem Erlaß ceiner Schulordnung 
(v. 2. 2. 10, Kolon G 10, 30) vom Gouverneur ein Lehrplan 
aufgestellt, nach dem im Deutschen unterrichtet werden muß, 
der aber auch die Elementarlehrfächer, nicht aber Religion, 
umfaßt. Ein 6jähriger Kurfus ist zugrunde gelegt, die 
wöchentliche Stundenzahl bestimmt, ein Schulregister zur 
Kontrolle des Schulbesuchs eingeführt; die Schulaussicht, 
deren Befugnisse einzeln angegeben werden, füuhrt der 
Gonverneur, sein Vertreter und die Bezirksamtmänner und 
Bozirkoleiter, welche jedoch die Aufssicht nicht an untere 
Stellen übertragen dürsen. Es werden staatliche Schulbei- 
bhilfen an solche Schüler gewährt, welche an mindestens 
150 Schultagen Schulbesuch ausweisen können. Am Schlusse 
des Schuljahrs hält der Gouverneur bezw. sein Stellver- 
treter oder Beauftragter Prüsungen der zur Gewährung 
1) v. König, Die Eingeborenen-Schulen in den deut- 
schen Kolonien Afrikas und der Südseec (Koloniale Rund- 
schau 1913, 6) gibt für 1911 die Ziffern der Schüler an: 
in Reglerungsschulen (keine in Südwest) 5590, in den 
Missionsschulen 123 645 (evang. 71 680, kath. 51 065). 
In den Etatotitel „Zur Verbreitung der deutschen 
Sprache im Schutzgebiete“ waren für diese Kolonien 1912 
insgesamt eingestellt: 82000 Mk. D. H.) 
  
897 
von Beihilfen angemeldeten M.Schüler zum Zwecke der 
Feststellung ab, ob die Lehrer das im Lehrplane gesetzte 
Ziel erreicht haben. — Auch in anderen Schutzgebieten wer- 
den Schulbeihilfen zur Pflege des deutschen Unterrichts 
gegeben; an gesetzlichen Vorschriften sehlt es jedoch. In 
Ostafrika hat das Gouvernement den M. Schulen die An- 
nahme der Grundzüge eines Lehrplans empfohlen. — In 
dem rührigen Togo ist durch Bek des Gouverneurs v. 31. 7. 
09 (nolon G 13, 399) eine allgemeine Schulhnugiene ein- 
gerichtet, indem, im Einverständnisse mit den M. Leitungen 
die RegAerzte die Schulen auf übertragbare Krankheiten 
untersuchen und Schülerimpfung gegen Pocken einge- 
führt ist. 
# 5. Weitere Aufgaben und Bestrebungen. 
In den Kreis der M. gehört die Erziehung der 
Eingeborenen zur Arbeit: Handwerkerschulen, 
Landwirtschaftsbetrieb, Ausbildung zu Helfern 
und Lehrern und die sog. ärztliche M. (NI,Arzt“ 
Bd. 1 S 238. Besondere Vorschriften sind nicht 
vorhanden; kaum erwähnenswert ist, daß nach 
V des RK v. 12. 1. 11 (vgl. a. V des Gouv. O. 
Ka., Togo v. 27. 6. 11, 25. 7. 11, 14. 6. 12 Kol l 
1911, Ss87, 923, 1912, S 751) der Betrieb von 
„Hausapotheken“ den „Missionen innerhalb ihrer 
Berufstätigkeit" vom Gouverneur auf Widerruf 
gestattet werden kann. 
Zur Förderung der M. dient die in Kamerun 
und Togo geltende Vorschrift, daß weibliche M.= 
Zöglinge nur mit Genehmigung des Gouverneurs 
zu Dienstleistungen bei Europäern vermietet wer- 
den dürfen (V v. 7. 12. 96, 25. 4. 02, Kolon Gg 
6 S 138, 466). 
Im Jahre 1896 regte die Kol. Abt. des Ausw. 
Amtes die Beamten in den Schutzgebieten an, 
darauf hinzuwirken, daß an Sonn= und Feier- 
tagen solche die Sonntagsruhe störenden Arbeiten, 
die nicht unaufschiebbar seien, unterlassen würden. 
Dies hatte einen gewissen Erfolg für Sonntags- 
**- Löschen der Schiffe und Laden (oben 
261). . 
In Kamerun werden für alle Eingeborenen, 
die einer christlichen MG angehören und in christ- 
licher Ehe leben oder zu leben gewillt sind, beim 
Gouverneur standesamtliche Register geführt für 
Eintragungen von Heiraten, Geburten und Sterbe- 
fällen, mit voller rechtlicher Wirkung, insbeson- 
dere Ansprüchen gegenüber, die auf alten heid- 
nischen Sitten beruhen (V v. 7. 12. 96, Kolon Gg 
6, 138). Auf die M. zurückzuführen ist auch die 
Vv. 5. 2.04 (Kolon Gg 8, 41), wonach für bestimm- 
te Gegenden die Eheschließung nach Wahl der 
Brautleute bezw. deren Gewalthaber durch Er- 
klärung außer vor den Familiengliedern, auch vor 
dem Geistlichen erfolgen, daß die Ehe eines Christen 
mit einem Nichtchristen auf Antrag des christlichen 
Teiles geschieden werden darf, wenn der nicht- 
christliche eine Doppelehe eingeht, und daß wer 
einem christlichen Glaubensbekenntnis angehört 
und eine Doppelehe schließt, bestraft wird. 
#&# 6. Zoll= und Steuerrecht. Vom Einfuhr- 
zoll sind in dem zum Kongobecken gehörigen Teile 
von Kamerun befreit alle dem Gottesdienst und 
humanitären Zwecken dienenden Gegenstände für 
jeden Kultus (V v. 24. 10. 04 Kolon Gg 8, 244); 
in Ostafrika, Südwestafrika, Kamerun, Togo alle 
von christlichen M., Kirchengesellschaften, Kranken- 
und Heilanstalten eingeführten Gegenstände, die 
unmittelbar den Zwecken des Gottesdienstes, des 
Unterrichts und der Krankenpflege dienen; in 
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl. 1. 57
	        
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