Nahrungsmittelverkehr
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fung mit Sicherheit ausführen zu können, ist vor-
geschrieben, daß ausländisches frisches Fleisch nur
in ganzen Tierkörpern, die bei Rindern und
Schweinen in Hälften zerlegt sein können, ein-
geführt werden darf. Die Einfuhr von Büchsen-
fleisch und anderem zerkleinertem Fleische ist
wegen der Undurchführbarkeit einer zuverlässigen
Untersuchung verboten. Ueber die näheren Vor-
schriften sowie die Ausführungsbestimmungen vgl.
den Art. „Schlachtvieh= und Fleischbeschau".
e) Süßstoffgesetz vom 7. 7. 02 (Rl
253). Die Einschränkung des Verbrauchs an
künstlichen Süßstoffen, unter denen besonders
Sachharin in Betracht kommt, ist nämlich nicht nur
aus volkswirtschaftlichen, sondern auch aus Grün-
den der allgemeinen Gesundheitsfürsorge er-
wünscht, weil der Genuß von Lebensmitteln, die
anstelle von Zucker künstliche Süßstoffe enthalten.
eine Beeinträchtigung der Ernährung zur Folge
hat und die in täuschender Absicht erfolgende Ver-
wendung künstlicher Süßstoffe bei der Herstellung
von Lebenomitteln einen weiten Umfang ange-
nommen hatte. Das erste SüßstoffG v. 6. 7. 98
vermochte diesen Mißstand nicht zu beseitigen, so
daß sich eine weitere Einschränkung des Verkehrs
mit künstlichen Süßstoffen als notwendig erwies.
Durch das neue G v. 7. 7. 02 ist verboten worden.
(abgesehen von den näher bestimmten Ausnah-
men), künstliche Süßstoffe herzustellen, feilzuhal-
ten, zu verkaufen, aus dem Auslande einzuführen
sowie dieselben bei der gewerblichen Vereitung
von Lebensmitteln zu verwenden (X 2). Zur Her-
stellung ist durch die Ausführungsbestimmungen
nur eine einzige Fabrik ermächtigt worden, die
einer amtlichen Ueberwachung unterstellt ist.
Süßstoffe dürfen nur an Apotheken und solche
Personen abgegeben werden, die die amtliche Er-
laubnis zum Bezuge von Süßstoffen besitzen. Als
solche kommen vorwiegend Leiter von RKranken-
anstalten sowie Inhaber von Gast= und Speise-
wirtschaften in gewissen Kurorten (Neuenahr) in
Betracht (54). Die Apotheken wiederum dürfen
Süßgstoffe ohne weiteres nur in sehr beschränkten
Mengen, bei Vorlegung eines ärztlichen Zeug-
nisses und dgl. jedoch bis zu 50 g abgeben (X 5).
k) Das Weingesets vom 7. 4. 00 (Rl
393). Die Notwendigkeit einer Regelung des
Verkehrs mit Wein durch ein Sondergesetz hatte
sich schon bald nach Erlaß des N Gesetzes ergeben,
weil es zweiselhaft war, welche Behandlungs-
weisen des Weins als eine Verfälschung im Sinne
des NMGesetzes anzusehen seien und auch in der
Frage, ob gewisse Zusätze gecignet seien, dem
Wein eine gesundheitsschädliche Beschaffenheit zu
erteilen, die Ansichten der Sachverständigen häufig
voncinander abwichen. Diese auch in der Recht-
sorechung zutage tretende Unsicherheit sowie die
Ueberhandnahme der Kunstweinerzeugung führte
zum Erlaß des (ersten) Wein v. 20. 4. 92. Dieses
vermochte indessen die darauf gesetzten Hoffnun-
gen nicht zu erfüllen; die übermäßige Streckung
der Beine sowie die an sich erlaubte Kunstwein-
herstellung nahm zum Nachteil des ehrlichen Wein-
baus und Weinhandels mehr und mehr zu. Aus
diesem Mißstande heraus erwuchs das (zweite)
Weinc## v. 24. 5. Ol, das eine Reihe von Ver-
besserungen brachte, indem es die bei der Berei-
tung von Wein auf Grund des ersten Gesetzes als
erlaubt bezeichneten Verfahren und Stoffe
schärfer begrenzte, die Liste der eine Nachahmung
nund Verfälschung des Weines darstellenden Ver-
fahren erweiterte und, was von besonderer Wichtig-
keit war, die Herstellung und den Verkauf von
Kunstwein schlechthin untersagte, eine Keller-
kontrolle einführte, und die Zulässigkeit der Zucke-
rung an bestimmte Bedingungen knüpfte. Trotz
der Fortschritte, die das G v. 24. 5. 01 zweifellos
gezeitigt hatte, wurde von den verschiedensten
Seiten der Wunsch nach einer weiteren Verschär-
fung der gesetzlichen Vorschriften geäußert. Mit
nicht unerheblichen Aenderungen in einzelnen
Punkten ist ein neues Wein G v. 7. 4. 09 er-
gangen. Näheres # Weinverkehr.
II. Für den N. kommen neben den vorstehenden
noch einige Gesetze in Betracht, die zwar Steuer-
gesetze sind, aber doch Vorschriften gesundheits-
polizeilicher Art enthalten. Es handelt sich hierbei
vorwiegend um die Brau= und Branntweinsteuer-
gesetzggebung [Jl. In dem Brausteuer G (l v.
15. 7. 09 (R#Bl 773) und den dazu erlassenen.
Ausführungsbestimmungen ist festgesetzt worden,
welche Stosfe bei der Bierbereitung verwendet
werden dürfen; das Branntweinsteuer G v. 15.7.09
(RGl 661) und das G, betr. die Beseitigung des
Branntweinkontingents v. 14. 6. 12 (RGhl 378)
enthalten Vorschriften gegen die Verfälschung
gewisser Edelbranntweine (z. B. Korn- und
Kirschbranntwein), den Zusatz scharf schmeckender
Stoffe („Schärfen“) zu Branntwein, die Verwen-
dung von Methylalkohol zu NuM u. dgl. Durch
das letztere Gesetz ist auch der Verkehr mit Hefe
geregelt worden. Bei der Bekämpfung von Un-
lauterkeiten im Verkehr mit Lebensmitteln findet
auch das G zum Schutze der Warenbezeichnungen
v. 12. 5. 94 sowie das G zur Bekämpfung des un-
lauteren Wettbewerbes v. 27. ö. 96 häufig An-
wendung.
III. Neben den Reichsgesetzen sind eine große
Anzahl landesrechtlicher Bestimmungen
nahrungsmittelpolizeilicher Art erlasson worden,
von denen hier nur auf diejenigen hingewiesen
sei, die den Verkehr mit Milch, Backwaren, Pilzen
sowie die Einrichtung und den Betrieb von An-
stalten zur Herstellung kohlensaurer Getränke be-
treffen.
# 4. Ausübung der Nahrungsmittelkontrolle.
Der Vollzug der reichsgesetzlichen Bestimmungen
auf dem Gebiete des Lebensmittelverkehrs ist
eine Angelegenheit der Landesregierungen; die
Ausübung der eigentlichen Lebensmittelkontrolle
liegt den Orts Pol Behörden ob. Es hat verhält-
nismäßig lange gedauert, bis in allen Teilen des
Reiches eine Lebensmittelüberwachung einge-
führt war. Von den größeren Staaten richtete
zuerst Bayern eine solche ein, und zwar zu
Anfang der 80er Jahre, während die übrigen
Staaten nur langsam folgten und Preußen erst
vor wenigen Jahren die Lebensmittelkontrolle
umfassend geregelt hat. Da die Durchführung
derselben ohne das Bestehen einer ausreichenden
Anzahl von geeigneten Lebensmittelunter-
suchungsanstalten nicht möglich ist, so war es
die Aufgabe der Landesverwaltungen, für die Er-
richtung solcher Anstalten Sorge zu tragen. Dem-
zufolge ist namentlich in den letzten Jahren eine
große Anzahl entstanden, so daß zurzeit beispiels-
weise in Preußen 76, in Bayern 7, in Sachsen 4
und in Württemberg 8 Lebenesmittelunter-