Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Zusammenrottung 
1025 
  
Susammenlegung von Grundstüchen 
1 Agrargesetzgebung; Feldbereinigung; 
Gemeinheitsteilung 
Zusammenrottung (Aufruhr) 
I. Nach § 115 StGB wird wegen Aufruhrs 
bestraft,R wer — sei es als Rädelsführer, sei 
es als Teilnehmer — an einer öffentlichen Zu- 
sammenrottung teilnimmt, bei der ein Wider- 
stand gegen die Staatsgewalt (§ 113 St GB) oder 
eine gewalttätige Nötigung von Beamten (7 114 
StEB) mit vereinten Kräften begangen wird. 
Der im §& 116 St GB behandelte Auflauf (Nicht- 
beachten der Aufforderung zuständiger Beamten 
oder Militärpersonen, sich zu entfernen) kann in 
eine Z. und somit in Aufruhr übergehen. Unter 
öffentlicher Z. versteht man das räumliche Zu- 
sammenhalten und -wirken mehrerer — begriff- 
lich schon zweier — Menschen zu einem alsbaldigen, 
in seiner Rechtswidrigkeit erkennbaren, bedroh- 
lichen oder gewalttätigen Handeln. Ueber mili- 
tärischen Aufruhr vgl. a 27 der Kriegsartikel für 
das Heer v. 31. 10. 72. 
II. In der Regel wird zunächst die Polizei 
versuchen, den Aufruhr zu unterdrücken. 
Ersucht die Zivilbehörde zu solchem Zwecke die 
Militärbehörde um Einschreiten, so geht 
der Befehl auf den kommandierten Offizier über, 
der nach zweimaliger vergeblicher Aufforderung 
die Menschenmenge unter Anwendung von Waf- 
fengewalt, auch mit Schußwaffen, zum Aus- 
einandergehen zwingen kann; vgl. à 36 preuß. 
Vu und G über Waffengebrauch des Militärs 
v. 20. 3. 61. 
Ueber die Frage, ob das Militär auch ohne 
Ansuchen der Zivilbehörden vorgehen darf, sowie 
über das Verhalten des einschreitenden Militärs 
Waffengebrauch. 
Im Falle eines Aufruhrs kann nach a 68 RU 
der Kaiser, wenn die öffentliche Sicherheit in dem 
Bundesgebiete bedroht ist, einen Teil oder das 
ganze Gebiet in Kriegszustand erklären. 
Ausgenommen hiervon ist Bayern, das sich durch 
den Vt v. 23. 11. 70 besondere Rechte vorbehalten 
hat; vgl. auch das bayerische Gv. 5. 11. 12. In- 
wieweit auch den einzelnen deutschen Staaten 
ein Recht zur Verhängung des Belagerungszu- 
standes verblieben ist, und wegen der Wirkungen 
des Belagerungszustandes # Belagerungszustand. 
Auch wenn der Kriegszustand nicht erklärt ist, 
können bei inneren Unruhen (Aufruhr), die für 
die Presse und das Vereins= und Versammlungs- 
wesen gegebenen Rechtsgarantien zeitweise außer 
Kraft gesetzt werden; Belagerungszustand. 
III. Eine Reihe von deutschen Staaten hat die 
Frage der Entschädigungspflicht we- 
gen der bei Zusammenrottungen verübten Ver- 
brechen in besonderer Weise geregelt. 
Preußen: Go. 11. 3. 50, Bayern: G v. 12. 3. 
50, Württemberg: G v. 28. 8. 4h, Hessen: 
Gv. 3. 3. 50 in Verbindung mit a 275 des hessischen MG 
BöanB, Baden: G v. 13. 2. 51, Braunschweig: 
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl. 
  
StO v. 19. 3. 50 in der Fassung v. 19. 7. 92, Anhalt: 
Ac BEß a 31, Sachsen - Koburg--Gotha: W## 
BG8 a 21, Schwarzburg-Sondershausen: 
Ac B#B a 20, Schwarzburg-Rudolstadt: 
Ac BGB a 53—58, Elsaß---Lothringen: G v. 
2. 10. 96. 
Diese sog. Tumultgesetze sind durch 
a 108 EGz. BGB ausdrücklich aufrecht erhalten 
worden, weil sie ihrer Grundlage nach dem 
öffentlichen Recht angehören. Da sämtlichen 
deutschen Tumultgesetzen das französische G v. 
2. 10. 1795, das auch heute noch in Elsaß-Lothrin- 
gen als Landesgesetz gilt, als Muster gedient hat, 
so sind die hauptsächlichsten Bestimmungen im 
wesentlichen übereinstimmend. 
Die Haftung für Schäden, die in dem Bezirk 
einer Gemeinde von einer bewaffneten oder unbe- 
waffneten Menge mit offener Gewalt gegen Perso- 
nen oder Sachen verübt worden sind, wird grund- 
sätzlich den Gemeinden auferlegt. Eine abwei- 
chende Behandlung tritt bei der Frage der Ableh- 
nung eines Verschuldens der in Anspruch ge- 
nommenen Gemeinden hervor. Während die Ge- 
setze in Preußen, Bayern, Württemberg und Baden 
die Grundlagen der Schadensersatzpflicht lediglich 
in einer Gesamtbürgschaft der Gemeindebewohner 
erblicken und demgemäß die Frage eines Ver- 
schuldens völlig ausscheiden, gewähren die Gesetze 
von Hessen, Schwarzburg-Rudolstadt und Sachsen- 
Koburg-Gotha der beklagten Gemeinde die Ein- 
rede des mangelnden Verschuldens. Auch die 
Ablehnung des Verschuldens durch die Abzugs- 
gemeinde, d. h. die Gemeinde, deren Bewohner 
in der sog. Tatortsgemeinde Vergehen verübt 
haben, ist nicht völlig einheitlich geregelt. Wäh- 
rend das badische Gesetz diese Gemeinden nur 
dann haften läßt, wenn sie die verbrecherische Ab- 
sicht ihrer abziehenden Angehörigen erkennen 
konnten, bestimmt das bayerische Gesetz, daß die 
Abzugsgemeinde unbedingt hafte, sofern nur die 
zusammengerottete Menge überwiegend aus deren 
Gemeindeangehörigen bestanden hat. Von ge- 
ringerer Bedeutung ist die Verschiedenheit in der 
Person der Ersatzpflichtigen. Ob (wie nach dem 
badischen Gesetz) „die Gesamtheit der Bewohner“, 
oder (wie die übrigen Gesetze bestimmen) die 
Gemeinde als juristische Person haftet, ist prak- 
tisch bedeutungslos. 
Der Ersatzanspruch ist überall Fgeitlich be- 
grenzt. Während das Klagerecht in Bayern 
Hessen und Baden mit Ablauf eines Jahres er- 
lischt, muß in Preußen der Geschädigte seine For- 
derung in 14 Tagen, nachdem er von dem Schaden 
Kenntnis erhalten, bei dem Gemeindevorstand 
anmelden und binnen 4 Wochen, nachdem ihm 
der Bescheid zugegangen, gerichtlich geltend- 
machen. 
Literatur: Moericke, Die deutschen Tumult- 
gesetze, 1910. 1 Wassengebrauch, Belagerungszustand. 
RNoscher. 
Susatzversicherung 
I Jnoalidenvonusatzwer 5# 10 (Band II 456) 
III. 65
	        
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