Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Polizei (V. Polizeistrafrecht) 
  
lässigkeit bei Uebertretungen im Zweifel für 
ausreichend erklärt (5 58 und Begr. 200 ff). Im 
übrigen nehmen die Uebertretungen in bezug auf 
eine größere Anzahl von Bestimmungen des all- 
gemeinen Teils ausdrũcklich oder kraft arg. e contr. 
eine Sonderstellung ein (§5 6, 30, 34, 38 Abs 2, 
92 Abf2, 94, 96 —36, 40, 49, 54, 75 f, 79, 87f; 
vgl. Wach DJZ 1910, Sp. 11). Die Kritik des 
Vorentwurfs war gespalten (Zusammenstellung 
S 2, 406 ff); doch überwog jedenfalls die der 
Ausscheidung oder Sonderbehandlung des Pol- 
Unrechts geneigte Richtung (vgl. über Rosenberg 
oben § 2 a. E.). Auch der „Gegenentwurf“ hat 
sich dem in gewissem Sinne angeschlossen. Er hat 
zunächst (ugl. S IV, V, Begr. 310 ff) aus den 
Uebertretungen eine größere Anzahl von Tat- 
beständen zu den Vergehen übergeführt, in denen 
es sich ihm mehr oder weniger sicher um die 
„Verletzung oder Gefährdung eines Rechtsguts“ 
zu handeln schien. Die übrigen wurden, mit einer 
Anregung Wachs (Reform 1, 8) stimmend, in ein 
2. Buch (#§ 343 ff) verwiesen, das, wie das erste, 
in einen allgemeinen und einen besonderen Teil 
zerfällt. Ueber die durch den ersteren vorläufig 
geschaffene besondere Rechtsstellung der Ueber- 
tretungen ist im einzelnen die Begründung 
S314 ff zu vergleichen. Bemerkenswert ist na- 
mentlich der Ausschluß der Freiheitsstrafe (§ 343), 
die Verantwortungsübernahme (5 346), Haftung 
Dritter und juristischer Personen (§ 348) u. a. m. 
Die einzelnen Uebertretungen werden unter die 
Rubriken „Militärverwaltung, Sicherheitspolizei, 
Ordnungs= und Sittenpolizei, Handelspolizei, 
Jagdpolizei" gebracht. Die im Reichsjustizamt zur 
Aufstellung eines Entwurfs tagende „Strafrechts- 
kommission“ hat in 1. Lesung die (mit Haft bis 
zu 3 Monat oder Geldstrafe bis zu 500 M. be- 
drohten) Uebertretungen, dem Gegenentwurf 
entsprechend, in ein 2. Buch verwiesen und dieses 
für sich in einen allgemeinen und einen besonderen 
Teil zerlegt. Einige Uebertretungstatbestände, 
namentlich Landstreichen und Betteln, sind unter 
Vergehensstrafe gestellt (DJ.3 1912, Sp. 300 f; 
1913, Sp. 369). 
III. Landesrechte ohne Polizeistrafgesetzbuch 
#+5. Preußen. Das preußische St G v. 14. 4. 
1851 bildete auch in der Materie der Uebertretungen 
die gleichartige Grundlage des Reichsstrafgesetz- 
buchs (vgl. oben § 3). Unter ihnen fanden sich eine 
Reihe von Delikten, die selbst im Reichsstrafgesetz- 
buch zu den kriminellen gestellt worden sind, z. B. 
die einfache Beleidigung (§ 343) und der Haus- 
friedensbruch (§ 316, Nr. 1). Dagegen bildeten 
die Uebertretungen einen eigenen (dritten) Teil 
des Gesetzbuchs mit eigenem „allgemeinen Teil“. 
Die einzelnen Uebertretungen waren als solche 
gegen die Sicherheit des Staates und die öffent- 
liche Ordunng, gegen die persönliche Sicherheit, 
Ehre und Freiheit und gegen das Vermögen 
rubriziert. Das preuß. Strafgesetzbuch wurde nach 
dem Texte v. 14. 6. 59 durch die V v. 25. 6. 67 
auch in den 1366 erworbenen Landesteilen einge- 
führt und übte namentlich in Hannover auf das 
dort geltende PolSt G B v. 25. ö. 47 seinen Ein- 
fluß aus. Das letztere, sehr umfassend, wurde 
in seinem allgemeinen Teile nahezu völlig außer 
  
Kraft gesetzt (Goldschmidt 265 ff). Ueber das Pol# 
v. 11. 3. 50 ] Pol Verordnung # 2, Nr. 3. 
§s#6. Sachsen. Im Königreich Sachsen wurden 
bei Einführung des St GB v. 1855 „die wegen 
polizeilicher Vergehungen bestehenden Strafbe- 
stimmungen“ einfach aufrecht erhalten (§ 3 Nr. 7 
der Publ. V v. 13. 8. 55), nachdem der Plan, 
sämtliche Pol Strafgesetze in einem Anhang zum 
Strafgesetzbuch zu kodifizieren, ausgegeben worden 
war. Dieser Zustand blieb auch gegenüber dem 
revidierten StGB v. 1868 (Publ. V v. 1. 10. 68, 
„D. polizeiliche Bestimmungen") bestehen. Bei 
Einführung des Reichsstrafgesetzbuchs erging die 
V v. 14. 12. 70 betr. den Einfluß des Bundes- 
Strafgesetzbuchs auf PolSachen, die jedoch in 
materieller Beziehung nur wenige Bestimmungen, 
namentlich über die analoge Anwendung der Ein- 
leitung und des ersten Teils des Reichsstrafgesetz- 
buchs auf landesgesetzliche Pol Strafsachen (§§ 1, 
12) enthielt. Vgl. jetzt auch G, das ältere Landes- 
strafrecht betr., v. 5. 7. 04 und die V, die in 
älteren V angedrohten Strafen betr., v. 6. 7. 04 
(GVBl 305 F). 
v7. Elsaß-Lothringen. Hier ist das Verhältnis 
des Reichsstrafgesetzbuchs zum Code pénal, der 
in seinem 4. Buche die „contraventions de police 
et peines“ behandelte, ohne indessen gewisse mehr 
kriminelle Delikte auszuschließen (z. B. a 471 
Nr. 11: Injurie; a 479 Nr. 1: Sachbeschädigung) 
ein ähnliches, wie in Preußen zum früheren preuß. 
Strafgesetzbuch. Auch hier ist es daher Sache der 
Auslegung festzustellen, ob und welche früheren 
contraventions durch das Reichsstrafgesetzbuch 
unberührt geblieben sind (vgl. z. B. Liszt 1, 103). 
Ueber die allgemeine Pol Strafe des franz. Rechts 
(a 471 Nr. 15) / Pol Verordnung §# 5 a. E. 
IV. Die süddentschen Polizeistrasgesetzbücher 
#s 8. Bayern. Das bayerische StGB v. 6. 5. 
1813 ging von der Annahme eines grundsätzlichen 
Unterschiedes in der Natur der strafbaren Hand- 
lungen aus. Im Anschluß an die Theorie Feuer- 
bachs (oben § 2 Nr. 1), der seinen Entwurf verfaßt 
hatte, sollten die in ihm behandelten „Verbrechen 
und Vergehen“ ausschließlich „Rechtsverletzungen“ 
darstellen, während als „Polizeiübertretungen“ 
in ein besonderes Gesetz verwiesen wurden: 
a) „Handlungen oder Unterlassungen, welche zwar 
an und für sich selbst Rechte des Staates oder 
eines Untertans nicht verletzen, jedoch wegen der 
Gefahr für rechtliche Ordnung und Sicherheit unter 
Strafe verboten oder geboten sind“, sodann aber 
auch b)) „diejenigen geringeren Rechtsverletzungen, 
welche durch besondere Gesetze den Pol Behörden 
zur Untersuchung und Bestrafung überwiesen wer- 
den“. Ein besonderes PolStrafgesetzbuch kam 
erst unterm 10. 11.61, zusammen mit einem neuen 
Strafgesetzbuch, zustande. Dabei erhielt aber, 
nachdem man sich entschlossen hatte, die Kompe-= 
tenz über sämtliche Pol Strafsachen Einzelrichtern 
zu übertragen, jener Gegensatz eine noch schärfere 
Ausprägung. Man glaubte nämlich danach keinen 
Grund mehr zu haben, die kleineren „Rechtsver- 
letzungen" dem Pol Strafgesetzbuch zu bolassen, 
nahm dieselben vielmehr in das Strafgesetzbuch 
hinüber, so daß nunmehr die Kriminaldelikte des 
letzteren, welche nach der Höhe der Strafe in 
„Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen“ zer-
	        
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