Polizei (VI. Polizeive rordnung)
Ergänzung der versagten Zustimmung durch ein
höheres Selbstverwaltungskollegium läßt das Ge-
setz nur ausnahmsweise zu, ebenso wie einen Erlaß
der Verordnung unter Vorbehalt der nachträg-
lichen Einholung derselben. Im süddeutschen
Recht ist die Mitwirkung von Kollegien der Selbst-
verwaltung nicht selten auf „fortdauernd geltende
Anordnungen“ beschränkt. Im einzelnen ist hier-
nach folgendes besonders hervorzuheben:
1. Unter den Reichsbehörden sind allgemein
zum Erlaß von Pol Strafverordnungen namentlich
die Konsfuln (Ulberechtigt, denen eine Konsular-
gerichtsbarkeit zukommt (*51 Kons GGv. 7. 4. 00).
Die „polizeilichen Vorschriften“ dürfen sich auf den
ganzen Gerichtsbezirk oder auf Teile desselben
erstrecken und verpflichten die der Gerichtsbarkeit
des Konsuls unterworfenen Personen. Die dem
Konsul zustehende Strafandrohung geht über
das Maß des früheren Rechts hinaus und kann
Haft, Geldstrafe bis 1000 Mk. und Einziehung
einzelner Gegenstände umfassen. Die Vorschrif-
ten sind sofort in Abschrift dem Reichskanzler ein-
zureichen.
Die früher bestandene Uebertragung des kon-
fularischen Verordnungsrechts auf die Gerichts-
bcamten der Schutzgebiete ist durch das neue
Schutzgeb G v. 25. 7. 00 beseitigt. Nach dessen §& 15
besteht aber — abgesehen von der Möglichkeit einer
Delegation des kaiserlichen Verordnungsrechts —
die unmittelbare Ermächtigung des Reichskanzlers
fort, für die Schutzgebiete oder für einzelne Teile
derselben „polizeiliche und sonstige die Verwaltung
betreffende", also jedenfalls über den engeren
Pol Begriff hinausgehende Vorschriften zu erlassen
und gegen die Nichtbefolgung derselben Gefäng-
nis bis zu 3 Monaten, Haft, Geldstrafe und Ein-
ziehung einzelner Gegenstände anzudrohen. Die-
ses Verordnungsrecht kann auch den Beamten des
Schutzgebiets übertragen werden.
2. In Preußen haben die neueren Reorgani-
sationsgesetze zum Teil auch das Pol VRecht neu
geregelt (LV# S# 136—145; KrO v. 13. 12. 72
z 62, für Schleswig-Holstein KrO v. 26. 5. 88
*54). Hiernach kommt ein solches den Ministerien
nur in beschränktem Umfange, nämlich nur inso-
weit zu, als die Gesetze ausdrücklich auf den Erlaß
besonderer polizeilicher Vorschriften durch
die Zentralbehörden verweisen. Die Strafan-
drohung darf in diesen Fällen bis zu 100 Mk. gehen.
Im übrigen ist im wesentlichen der Grundsatz fest-
gehalten, daß jeder polizeilichen Instanz das ihrem
örtlichen Wirkungskreise entsprechende Verord-
nungerecht allgemein mit der Maßgabe zu dele-
gieren sei, daß die Befugnis der übergeordneten
Behörde stets dann und insoweit eintritt, als die
der unmittelbar untergeordneten örtlich nicht mehr
ausreicht. Hiernach bestimmt sich zunächst das
Pol VRecht der Mittelbehörden: Oberpräsident,
Reg Präsident, Landrat. Das Strafmaximum be-
trägt für die beiden ersteren 60 Mk., für den Land-
rat 30 Mk. Zum Erlaß der Verordnung wird die
Zustimmung des Provinzialrats, des Bezirks-,
bezw. Kreisausschusses erfordert. Das Strafver-
ordnungsrecht der (kommunalen oder staatlichen)
Ortspolizeibehörden ist von den neuen Reform-
gesetzen nur in einzelnen Punkten betroffen wor-
den. Sie haben das Recht (vgl. oben § 2 Nr. 3),
ortspolizeiliche, für den Umfang der Gemeinde
gültige Vorschriften zu erlassen und Geldstrafen
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bis zu 9 Mk. für die Uebertretung anzudrohen.
In Städten, welche eigene Kreise bilden, erreicht
das Maximum 30 Mk.; auch sonst können, wenn
im Einzelfalle der Reg Präsident die Genehmigung
erteilt, Strafen bis zu dieser Höhe angedroht
werden. Soweit die Reformgesetze das Institut
des Amtsvorstehers als ländlichen Pol Verwalters
eingeführt haben, ist auch diesem ein ortspolizei-
liches Verordnungsrecht, unter Ausschluß der bloß
seine ausführenden Organe bildenden Gemeinde-
und Gutsvorsteher, beigelegt worden. Bei Aus-
Übung desselben bedarf er der Zustimmung des
Amtsausschusses, die event. durch den Kreis-
ausschuß ergänzt werden kann. Während aber im
Übrigen die frühere Gesetzgebung für ortspolizei-
liche Verordnungen in Einzelgemeinden (abge-
sehen von landwirtschaftlichen Materien, wo Zu-
stimmung der Gemeinde vertretung er-
fordert wurde) nur die vorgängige Beratung mit
dem Gemeindevorstande verlangte, hat die Re-
formgesetzgebung in Städten für oritspolizeiliche
Vorschriften, welche nicht zum Gebiete der „Si-
cherheitspolizei“ (im neueren Sinne; vgl. § 2)
gehören, die eventuell durch den Bezirksausschuß
zu ergänzende Zustimmung des Gemeindevor-
standes für nötig erklärt. — Die durch neuere Ge-
setze erfolgte besondere Gestaltung der staatlichen
Pol Verwaltung in gewissen, auch erweiterten,
Orts= und Landespolizeibezirken, so für Berlin
nebst Vororten, Potsdam, das rheinisch-westfäli-
sche Industriegebiet, Oppeln, hat auch auf das
Pol VRecht eingewirkt. Besondere Bestimmungen
darüber finden sich für den Pol Präsidenten von
Berlin in § 3 Gv. 12. 6. 89 und §5 2 Gv. 13. 6. 00,
für Oppeln in §2 Gv. 19. 6. 12.
Für polizeiliche Spezialgebiete kommt
die auf die Normfeststellung beschränkte Befugnis
der Bergpolizeibehörden (§ 197 des Allg. Berg G)
und das Verordnungerecht der besonderen Strom--,
Schiffahrts= und Hafenpolizeibehörden (5 138
LVe) in Betracht.
3. Die speziellen, nur die Norm begreifenden
Delegationen des bayrischen PolStGB v.
26. 12. 71 werden, abgesehen von Kgl Verord-
nungen, durch orts-, distrikts= und oberpolizeiliche
Vorschriften erfüllt. Liegt die Ermächtigung zum
Erlaß ortspolizeilicher Vorschriften vor, so sind
innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit die
kollegialen Gemeinde verwaltungs organe
dazu berufen d. h. in den rechtsrheinischen Landes-
teilen die ländlichen Gemeindeausschüsse bezw.
städtischen Magistrate (dazu die Pol Direktion und
Lokalbaukommission München), in der Pfalz die
Gemeinderäte, soweit nicht auch an Städte der
Pfalz die rechtsrheinische Städteverfassung ver-
liehen ist (a 1 des pfälz. Städte Verf G v. 15. 8. 08
mit Bek des Min Inn v. 18. 8. 08 11 Nr. 7). Bei
fortdauernd geltenden Anordnungen über land-
wirtschaftliche Materien sind die Feldgeschworenen
und eventuell der Grundbesitzerausschuß zu ver-
nehmen. Distriktspolizeiliche Vorschriften werden
von den Bezirksämtern bezw. als ortspolizeiliche
von den Magistraten der unmittelbaren Städte
und der Pol Direktion München erlassen. Soweit
in Ermangelung ortspolizeilicher Vorschriften
distriktspolizeiliche zulässig sind, tritt nach einem
eigentümlichen Mahnverfahren die Distriktsbehör-
de an die Stelle der Ortsbehörde. Orts= und
distriktspolizeiliche Vorschriften von fortdauernder