Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Polizeistunde 
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gehörigen Wirtshausbesucher aber vom Zutritt 
zu dem betr. Raum ausgeschlossen sind. 
Daraus, daß die Begriffe der „Schankstube“ und des 
Söffentlichen Bergnügungsortes“ nur tatsächlich zu be- 
werten sind, ergibt sich, daß auch eine öffentliche „Ver- 
sammlung" im Sinne des Reichsvereinsgesetzes an sich nicht 
unter die P. fällt, auch dann nicht, wenn sie in einem Raume 
stattfindet, der seinem regelmäßigen Zwecke nach eine 
Schankstube oder ein öffentlicher Vergnügungsort ist; denn 
der im gegebenen Falle nur einer vorübergehenden Zu- 
sammenkunft einer Mehrheit von Personen zum Zwecke ge- 
meinsamer Erörterung dienende Raum ist dann eben tat- 
sächlich weder Schankstube noch öffentlicher Vergnügungs- 
ort. Anders ist die Sach= und Rechtslage, wenn bei der 
Versammlung getrunken wird, dann liegt tatsächlich eine 
Schankstube vor. Der Anwendung der P. in diesem Falle 
steht richtiger, aber nicht herrschender Meinung nach der 
1 Abs 2 RBcWh nicht entgegen, da das Gebieten der P. 
eine, wenn auch im Wege des Landesrechts erfolgende, 
doch reichsrechtliche Anordnung ist. 
b) Perfönlich ist die Anwendbarkeit 
der P., soweit sie sich nicht gegen de#z Wirt rich- 
tet, beschränkt auf Gäste, d. h. solche Personen, 
deren Aufnahme in Verfolg des gewerbsmäßigen 
Betriebes dieser Lokale geschehen ist. Deshalb 
gehören dazu weder die Logiergäste einer Gast- 
wirtschaft, noch die Privatgäste des Wirts; an- 
dererseits ist die „Bezahlung“ der Getränke nicht 
unbedingt erforderlich, da die Bewirtung unter 
Umständen auch ohne Entgelt, wenn sie z. B. 
mit Rücksicht auf zukünftige Frequentierung oder 
Empfehlung geschieht, den Charakter der Ge- 
werbsmäßigkeit tragen kann. 
§5 2. Dem Landesrecht ist vom Reichsrecht dem- 
nach Raum gelassen 1. zum „Gebieten“ der P. 
innerhalb des reichsrechtlich festgesetzten, zu 1 
dargestellten Rahmens, 2. zur Festsetzung der 
P., bis zu der die Wirtschaften am Morgen pe- 
schlossen sein müssen und Strafandrohung für 
Nichtinnehaltung dieser Stunde. 
a) In Preußen hat weder Gesetz noch 
Verordnung der Verwzentralinstanz die Frage 
der P. geregelt. Für ihre Regelung durch die 
Pol Gewalt kommt deren allgemeine Kompetenz 
aus §& 10 II 17 ALKR und dem PolV in Be- 
tracht. Denn § 365 St GB enthält keine Ermächti- 
gung der Pol, sondern nur einen Vorbehalt für das 
Landesrecht. Reine Frage des Landesrechts 
ist es daher, wieweit die polizeilichen Befugnisse 
gehen. Ob der mit der Festsetzung einer P. in 
erster Linie verfolgte Zweck der Bekämpfung der 
„Völlerei“ wirklich rein begrifflich unter die 
Zwecke der Aufrechterhaltung der öffentlichen 
Ordnung und Sicherheit und der Abwendung 
von dem Publikum drohenden Gefahren gehört, 
die nach preußischem Recht den alleinigen Rechts- 
grund polizeilichen Handelns abgeben können (das 
in §6e Pol Verwe erwähnte „öffentliche Interesse“ 
ist nur das in 3 10 II 17 AL näher bestimmte, 
gibt also keine besondere Ermächtigung), kann 
Uunerörtert bleiben, denn die Festsetzung einer P. 
ist durch eine jahrhundertelange Uebung ge- 
rechtfertigt. Die Bekämpfung der „Völlerei“ 
durch Festsetzung einer P. erscheint im preußischen 
Recht kraft geschichtlicher Entwicklung als ein 
Bestandteil der polizeilich zu schützenden öffent- 
lichen Ordnung. Immerhin ist die Pol in der 
Bestimmung einer P., die durch Verfügung 
sowohl wie durch Verordnung erfolgen kann, 
  
nicht unbeschränkt, sondern an die allgemeinen 
Grundsätze des PolRechts gebunden. 
Hierzu gehört vor allem derjenige der Gleichhelt: Die 
Pol kann z. B. nicht für Bersammlungen die P. kürzer an- 
setzen, als sie sonst für die betreffenden Lokale besteht. An- 
dererseits ist der Begriff dieser Gleichheit relativ und durch 
die Rücksichten auf die gesetzlichen polizellichen Zwecke be- 
stimmt. Daher kann die P. für Lokale, in denen besonders 
Ausschreitungen zu befürchten sind, ja sogar für einzelne 
Teile eines Lokals früher angesetzt werden als für andere 
(OBG 41, 41/ ff.); auch kann für ein und dasselbe Lokal 
für verschiedene Tage die P. verschieden angesetzt und an 
besonders turbulenten Tagen, wie etwa nach einer Wahl, 
nach dem militärischen Ersatzgeschäft, bei einem Streik 
oder am Faschingsdienstag die P. verkürzt werden (die 
Praxis handelt meist im Interesse der Wirte umgekehrt). 
Jedoch kann, wenn die P. allgemein durch Verordnung fest- 
gesetzt ist, eine ausnahmsweise Festsetzung durch Verfügung 
nur auf Grund eines in der Verordnung gegebenen Vor- 
behalts geschehen. Immer aber ist für derartige Berfü- 
gungen, auch wenn sie durch die Verordnung in das freie 
Ermessen der erlassenden Behörden gestellt sind, ein objek- 
tiver polizeilicher Grund erforderlich, dessen Vorhanden- 
sein die BerwcGerichte nachzuprüfen haben. (OV# 
2, 414). 
Durch Min E v. 18. 11. 02 (MBli V 228) ist für 
Branntweinschenken ein Verbot des Oeffnens 
vor 8 Uhr morgens empfohlen worden. — Die 
Rechtsprechung hat auch das Verbot des Offen- 
haltens von Branntweinschenken während des 
Gottesdienstes für gültig erachtet, wohl mit 
Recht, da im preußischen Recht die äußere Heilig- 
haltung der Sonn= und Feiertage [ auf Grund 
der Kab O v. 7. 2. 37 ein Bestandteil der polizei- 
lich zu schützenden öffentlichen Ordnung ist. Doch 
ist hier auf Grund des §5 137 LV eine aus- 
schließliche Zuständigkeit des Oberpräsidenten 
bezw. Reg Präsidenten gegeben, deren Delega- 
tion (a. A. Kammergericht 21 C 108) nicht zu- 
lässig sein dürfte. 
Streitig ist, ob die Pol Verordnungen über die 
P. von den allgemeinen Formvorschriften (Pol VG 
5 Abf 3) befreit sind. Die Begründung, sie 
enthalte nur „Anordnungen" in Ausführung des 
Reichsstrafgesetzbuchs, ist aber nicht richtig, wie 
auch vom Reichsgericht anerkannt wird (Rö 
Str. 10, 298; das Kammergericht schwankt). Die 
Pol Verordnungen stützen sich allein auf die 
landesrechtliche PolGewalt und müssen daher auch 
deren Formerfordernisse erfüllen. IX1 Polizeiver- 
ordnungenl. 
Für Bahnhofswirtschaften wird 
die Festsetzung einer P. durch die Ortspolizei- 
behörde nicht für zulässig erachtet, weil sie lediglich 
der Bahnpolizei unterstehen und der Einwirkung 
der allgemeinen Pol Gewalt dadurch entzogen sind. 
b) In Bayern kann nach PolSt GB a #2 Ziff. 4 
das Gebot der P. erlassen werden durch Verord- 
nung oder ortspolizeiliche Vorschriften. Grund- 
legend ist die Kgl Vv. ö. 2. 08. Sie setzt die abend- 
liche P. für Städte auf 12 Uhr Mitternachts, für 
die übrigen Gemeinden auf 11 Uhr abends und 
die P. für die Oeffnung der öffentlichen Ver- 
gnügungsorte am Morgen auf 6 Uhr fest. Der 
ortspolizeilichen Vorschrift ist abweichende Rege- 
lung gestattet, doch kann eine die P. nachts (höch- 
stens bis 2 Uhr) verlängernde, morgens (höchstens 
bis 4 Uhr) verkürzende Vorschrift nur als fort- 
dauernd geltend gemäß a 6 PStG#B und nur inso- 
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