Polizeistunde
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gehörigen Wirtshausbesucher aber vom Zutritt
zu dem betr. Raum ausgeschlossen sind.
Daraus, daß die Begriffe der „Schankstube“ und des
Söffentlichen Bergnügungsortes“ nur tatsächlich zu be-
werten sind, ergibt sich, daß auch eine öffentliche „Ver-
sammlung" im Sinne des Reichsvereinsgesetzes an sich nicht
unter die P. fällt, auch dann nicht, wenn sie in einem Raume
stattfindet, der seinem regelmäßigen Zwecke nach eine
Schankstube oder ein öffentlicher Vergnügungsort ist; denn
der im gegebenen Falle nur einer vorübergehenden Zu-
sammenkunft einer Mehrheit von Personen zum Zwecke ge-
meinsamer Erörterung dienende Raum ist dann eben tat-
sächlich weder Schankstube noch öffentlicher Vergnügungs-
ort. Anders ist die Sach= und Rechtslage, wenn bei der
Versammlung getrunken wird, dann liegt tatsächlich eine
Schankstube vor. Der Anwendung der P. in diesem Falle
steht richtiger, aber nicht herrschender Meinung nach der
1 Abs 2 RBcWh nicht entgegen, da das Gebieten der P.
eine, wenn auch im Wege des Landesrechts erfolgende,
doch reichsrechtliche Anordnung ist.
b) Perfönlich ist die Anwendbarkeit
der P., soweit sie sich nicht gegen de#z Wirt rich-
tet, beschränkt auf Gäste, d. h. solche Personen,
deren Aufnahme in Verfolg des gewerbsmäßigen
Betriebes dieser Lokale geschehen ist. Deshalb
gehören dazu weder die Logiergäste einer Gast-
wirtschaft, noch die Privatgäste des Wirts; an-
dererseits ist die „Bezahlung“ der Getränke nicht
unbedingt erforderlich, da die Bewirtung unter
Umständen auch ohne Entgelt, wenn sie z. B.
mit Rücksicht auf zukünftige Frequentierung oder
Empfehlung geschieht, den Charakter der Ge-
werbsmäßigkeit tragen kann.
§5 2. Dem Landesrecht ist vom Reichsrecht dem-
nach Raum gelassen 1. zum „Gebieten“ der P.
innerhalb des reichsrechtlich festgesetzten, zu 1
dargestellten Rahmens, 2. zur Festsetzung der
P., bis zu der die Wirtschaften am Morgen pe-
schlossen sein müssen und Strafandrohung für
Nichtinnehaltung dieser Stunde.
a) In Preußen hat weder Gesetz noch
Verordnung der Verwzentralinstanz die Frage
der P. geregelt. Für ihre Regelung durch die
Pol Gewalt kommt deren allgemeine Kompetenz
aus §& 10 II 17 ALKR und dem PolV in Be-
tracht. Denn § 365 St GB enthält keine Ermächti-
gung der Pol, sondern nur einen Vorbehalt für das
Landesrecht. Reine Frage des Landesrechts
ist es daher, wieweit die polizeilichen Befugnisse
gehen. Ob der mit der Festsetzung einer P. in
erster Linie verfolgte Zweck der Bekämpfung der
„Völlerei“ wirklich rein begrifflich unter die
Zwecke der Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ordnung und Sicherheit und der Abwendung
von dem Publikum drohenden Gefahren gehört,
die nach preußischem Recht den alleinigen Rechts-
grund polizeilichen Handelns abgeben können (das
in §6e Pol Verwe erwähnte „öffentliche Interesse“
ist nur das in 3 10 II 17 AL näher bestimmte,
gibt also keine besondere Ermächtigung), kann
Uunerörtert bleiben, denn die Festsetzung einer P.
ist durch eine jahrhundertelange Uebung ge-
rechtfertigt. Die Bekämpfung der „Völlerei“
durch Festsetzung einer P. erscheint im preußischen
Recht kraft geschichtlicher Entwicklung als ein
Bestandteil der polizeilich zu schützenden öffent-
lichen Ordnung. Immerhin ist die Pol in der
Bestimmung einer P., die durch Verfügung
sowohl wie durch Verordnung erfolgen kann,
nicht unbeschränkt, sondern an die allgemeinen
Grundsätze des PolRechts gebunden.
Hierzu gehört vor allem derjenige der Gleichhelt: Die
Pol kann z. B. nicht für Bersammlungen die P. kürzer an-
setzen, als sie sonst für die betreffenden Lokale besteht. An-
dererseits ist der Begriff dieser Gleichheit relativ und durch
die Rücksichten auf die gesetzlichen polizellichen Zwecke be-
stimmt. Daher kann die P. für Lokale, in denen besonders
Ausschreitungen zu befürchten sind, ja sogar für einzelne
Teile eines Lokals früher angesetzt werden als für andere
(OBG 41, 41/ ff.); auch kann für ein und dasselbe Lokal
für verschiedene Tage die P. verschieden angesetzt und an
besonders turbulenten Tagen, wie etwa nach einer Wahl,
nach dem militärischen Ersatzgeschäft, bei einem Streik
oder am Faschingsdienstag die P. verkürzt werden (die
Praxis handelt meist im Interesse der Wirte umgekehrt).
Jedoch kann, wenn die P. allgemein durch Verordnung fest-
gesetzt ist, eine ausnahmsweise Festsetzung durch Verfügung
nur auf Grund eines in der Verordnung gegebenen Vor-
behalts geschehen. Immer aber ist für derartige Berfü-
gungen, auch wenn sie durch die Verordnung in das freie
Ermessen der erlassenden Behörden gestellt sind, ein objek-
tiver polizeilicher Grund erforderlich, dessen Vorhanden-
sein die BerwcGerichte nachzuprüfen haben. (OV#
2, 414).
Durch Min E v. 18. 11. 02 (MBli V 228) ist für
Branntweinschenken ein Verbot des Oeffnens
vor 8 Uhr morgens empfohlen worden. — Die
Rechtsprechung hat auch das Verbot des Offen-
haltens von Branntweinschenken während des
Gottesdienstes für gültig erachtet, wohl mit
Recht, da im preußischen Recht die äußere Heilig-
haltung der Sonn= und Feiertage [ auf Grund
der Kab O v. 7. 2. 37 ein Bestandteil der polizei-
lich zu schützenden öffentlichen Ordnung ist. Doch
ist hier auf Grund des §5 137 LV eine aus-
schließliche Zuständigkeit des Oberpräsidenten
bezw. Reg Präsidenten gegeben, deren Delega-
tion (a. A. Kammergericht 21 C 108) nicht zu-
lässig sein dürfte.
Streitig ist, ob die Pol Verordnungen über die
P. von den allgemeinen Formvorschriften (Pol VG
5 Abf 3) befreit sind. Die Begründung, sie
enthalte nur „Anordnungen" in Ausführung des
Reichsstrafgesetzbuchs, ist aber nicht richtig, wie
auch vom Reichsgericht anerkannt wird (Rö
Str. 10, 298; das Kammergericht schwankt). Die
Pol Verordnungen stützen sich allein auf die
landesrechtliche PolGewalt und müssen daher auch
deren Formerfordernisse erfüllen. IX1 Polizeiver-
ordnungenl.
Für Bahnhofswirtschaften wird
die Festsetzung einer P. durch die Ortspolizei-
behörde nicht für zulässig erachtet, weil sie lediglich
der Bahnpolizei unterstehen und der Einwirkung
der allgemeinen Pol Gewalt dadurch entzogen sind.
b) In Bayern kann nach PolSt GB a #2 Ziff. 4
das Gebot der P. erlassen werden durch Verord-
nung oder ortspolizeiliche Vorschriften. Grund-
legend ist die Kgl Vv. ö. 2. 08. Sie setzt die abend-
liche P. für Städte auf 12 Uhr Mitternachts, für
die übrigen Gemeinden auf 11 Uhr abends und
die P. für die Oeffnung der öffentlichen Ver-
gnügungsorte am Morgen auf 6 Uhr fest. Der
ortspolizeilichen Vorschrift ist abweichende Rege-
lung gestattet, doch kann eine die P. nachts (höch-
stens bis 2 Uhr) verlängernde, morgens (höchstens
bis 4 Uhr) verkürzende Vorschrift nur als fort-
dauernd geltend gemäß a 6 PStG#B und nur inso-
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