Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Posen 
  
chenden Folgeerscheinung der staatlichen Land- 
politik entgegenzutreten und gleichzeitig das Wahl- 
recht den heutigen Verhältnissen etwas mehr 
anzupassen, hat das Gv. 4. 8. 04 (GS 241) dem 
Fiskus für die in seinem Besitz befindlichen Ritter- 
güter ein Stimmrecht verliehen, sodann die Zahl 
der Abgeordneten der größeren Städte vermehrt 
und endlich eine Vermehrung der Abgeordneten 
aus dem Stande der Landgemeinden durch 
Kgl Verordnung zugelassen. 
Ueber die Vergünstigungen an Beamte in P, 
insbesondere die sog. „Ostmarkenzulage“ vgl. im 
Nachtrage. 
§ 2. Die Staatsverwaltung. Durch a 1 Gv. 
19. 5. 89 sind das VG und das Zust G mit Aus- 
nahme der Titel II (Angelegenheiten der Kreise) 
und III (Angelegenheiten der Amtsverbände) in 
P. eingeführt worden. Auch hier ist damit an- 
stelle der früheren Reg Abteilung des Innern der 
Regierungspräsident getreten, als wei- 
tere Provinzialbehörde der Provinzialrat 
und als weitere Bezirksbehörde der Bezirks- 
ausschufß eingesetzt worden. Die Bedingun- 
gen der Wählbarkeit zum Provinzialrat und zum 
Bezirksausschuß sind dieselben wie in den übrigen 
Provinzen; die gewählten Mitglieder und 
ihre Stellvertreter bedürfen aber der Bestäti- 
gung, die bei den Mitgliedern des Provin- 
zialrats dem Min Inn, bei denen des Bezirks- 
ausschusses dem Oberpräsidenten zusteht. Wird 
die Bestätigung versagt, so wird noch einmal ge- 
wählt; wird auch diese Wahl nicht bestätigt, so 
wird das Mitglied von der zur Bestätigung 
berufenen Behörde ernannt (a 2, 3). 
An der Spitze der Kreisverwaltung 
steht, wie auch in den andern Provinzen, der Land- 
rat. Die Verwaltung der Kreisinstanz weicht von 
der der übrigen Provinzen in folgenden Punkten 
ab: 1. Der Landrat wird ohne Präsentation 
des Kreistages vom König ernannt (KabO v. 
2. 2. 33, Kamptz Annalen 17, 33). Die Befähigung 
zum Landrat wird erworben durch Ablegung der 
großen Staatsprüfung für den höheren Justiz- 
dienst, durch Zulassung zur großen Staatsprü- 
fung für den höheren Verw Dienst nach Zurück- 
legung der vorgeschricbenen Dienstzeit als Reg Re- 
ferendar oder durch Ablegung einer Prüfung vor 
einer durch den Reg Präsidenten einzusetzenden 
Kommission (Regl v. 13. 5. 38, GS 423, aufrecht 
erhalten durch § 6 G v. 6. 6. 87, GS 197). 2. Mit 
der Beseitigung des Präsentationsrechts des 
Kreistages ist auch das Recht der Kreisde- 
putierten zur Vertretung des Landrats 
weggefallen (Kab O v. 13. 9. 39, nicht veröffent- 
licht). Die einzige Bedeutung des Instituts der 
Kreisdeputierten blieb hiernach nur, daß bei 
Stimmengleichheit im Kreistage in gewissen Fällen 
der älteste Kreisdeputierte den Ausschlag gibt 
(5 19 Ar für P. v. 20. 12. 1829). Es sind jedoch 
seit den vierziger Jahren in vielen Kreisen keine 
Kreisdeputierten mehr gewählt worden, und durch 
Erl des Oberpräsidenten v. 21. 6. 88 (nicht ver- 
öffentlicht) ist angeordnet worden, daß Wahlen 
zu Kreisdeputierten in P. nicht mehr vorzunehmen 
seien. Es wird anzunehmen sein, daß das erwähnte 
Recht der ausschlaggebenden Stimme dort, 
wo kein Kreisdeputierter vorhanden ist, dem 
ältesten Kreistagsmitgliede zusteht. Dem ent- 
spricht auch die gegenwärtige Verw Praxis. 
  
  
3. Die sechs Mitglieder des Kreisausschusses 
werden nicht vom Kreistage gewählt, sondern 
vom Oberpräsidenten ernannt. Die perfön- 
lichen Bedingungen sind dieselben wie die der 
Wählbarkeit in den andern östlichen Provinzen. 
Die Ernennung geschieht auf Grund einer Vor- 
schlagsliste des Kreistages, in die die nach Ansicht 
des Kreistages geeigneten Personen aufzunehmen 
sind. Lehnt der Kreistag die Aufforderung des 
Oberpräsidenten zur Ergänzung dieser Vor- 
schläge ab, so beschließt auf Antrag des Oberpräsi- 
denten der Provinzialrat über die Ergänzung. 
Personen, die nicht in die Liste ausgenommen 
sind, kann der Oberpräsident nur mit Zustimmung 
des Provinzialrats ernennen; lehnt dieser die 
Zustimmung ab, so kann sie durch den Min Inn 
ergänzt werden. Bei Verhinderung des Landrats 
geht der Vorsitz im Kreisausschuß auf den Stell- 
vertreter über; ist dieses der Kreissekretär, so 
führt nicht dieser, sondern das vom Kreisausschuß 
hierzu gewählte Kreisausschußmitglied den Vor- 
sitz (LVG für P. a IV # 1—4). 4. Der Kreis- 
ausschuß darf zur örtlichen Erledigung seiner Ge- 
schäfte die Mitwirkung der Gemeindevorsteher, 
der Gutsvorsteher und der PoldsDistriktskommissare 
in Anspruch nehmen (a IV 6). 
Auf dem Lande wird die Ortspolizei 
von den Distriktskommissarien verwaltet 
IX Amtsbezirke § 61. Die Rittergutsbesitzer sind 
berechtigt, im Gutsbezirk |/N/j, soweit dieser in ihrem 
Eigentum steht, die Ortspolizei selbst auszuüben 
(Kab O v. 10. 12. 36 Z. 5, Kamptz Annalen 20, 943), 
falls sie nicht darauf verzichtet haben. Der Ver- 
zicht ist nach richtiger Auffassung dinglich und 
unwiderruflich. Denn einmal wird der Staat 
durch den Verzicht zur Erweiterung der bestehen- 
den oder Einrichtung neuer Distriktskommissariate 
genötigt; es kann aber nicht in der Macht der 
Privaten liegen, durch Verzicht, Widerruf, er- 
neuten Verzicht usw. die Behördenorganisation 
beliebig oft zu ändern. Rechtssingularitäten sind 
im Zweifel auch einschränkend auszulegen. Der 
Domanialpolizeiverwalter steht unter der Auf- 
sicht des Landrats. Kann er wegen persönlicher 
Beteiligung nicht tätig werden, so muß der Land- 
rat die erforderliche polizeiliche Anordnung selbst 
treffen oder ihren Erlaß einem Distriktskommissar 
— im einzelnen Falle oder ein für allemal — 
übertragen (OVG 50, 290). Gegenwärtig gibt 
es nur noch 28 Domanialpolizeiverwaltungen. 
Ueber Besonderheiten im Schulwesen ss 
Volksschule, Schullasten, Lehrer. 
§ 3. Die Kommunalverwaltung (Provinz und 
Kreis). Für Städte und Landgemeinden gelten 
keine Besonderheiten. Für Provinz und Kreis 
besteht noch die alte ständische Verfas- 
sung, da die KrO von 1872 und die Prov O 
von 1875 nicht eingeführt worden sind. 
I. Die Provinzialstände sind ge- 
bildet durch das G v. 27. 3. 1824 (GS 141), er- 
gänzt durch die Kgl V v. 15. 12. 30 (GS 1832 
9)9, die Kab O v. 27. 2. 30 (GS 46), zwei Kab O 
v. 10. 9. 40, die Kgl V v. 29. 11. 44 (GS 706) 
und die Kgl V v. 19. 12. 45 (GS 1846 S 18). 
Der Provinziallandtag besteht aus 
den Vertretern der drei Stände. Zum ersten 
Stande gehören die Fürsten von Thurn und Taxis, 
Sulkowski (ausgestorben), Radziwill und der 
Graf Raczynski (die berechtigte Linie ist ausge-
	        
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