Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Posen 
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storben) mit Virilstimmen und 22 Abgeordnete 
der Ritterschaft. Der zweite Stand umfaßt 16 
Abgeordnete der Städte, von denen 8 durch 7 
Städte mit Virilstimmen und die übrigen in 
Wahlbezirken gewählt werden. Den dritten Stand 
bilden 8 Abgeordnete der Landgemeinden. Die 
Wahl geschieht auf 6 Jahre; alle 3 Jahre scheidet 
die Hälfte der Abgeordneten aus. Für jeden Ab- 
geordneten werden gleichzeitig zwei Stellvertreter 
gewählt. In allen Ständen ist die Wählbarkeit 
an folgende Bedingungen geknüpft: zehnjähriger 
Grundbesitz, Vollendung des 30. Lebensjahres, 
preußische Staatsangehörigkeit und unbeschol- 
tener Ruf. Für den letzten Punkt sind maßgebend 
das G v. 8. 5. 37 (GS 99) und G v. 23. 7. 47 
(*S 279). Das Wahlrecht muß, abgesehen von 
den im Besitz von Rittergütern befindlichen Kor- 
porationen, in Person ausgeübt werden; der 
Staat kann sich in derselben Weise wie bei der 
Ausübung der Kreisstandschaft (vgl. II) vertreten 
lassen. Im ersten Stande und bei den mit Viril- 
stimmen berechtigten Städten sind die Wahlen 
direkt, bei den übrigen Städten und bei den Land- 
gemeinden indirekt. Das Wahlverfahren richtet 
sich nach dem Regl v. 22. 6. 42 (GS 213). 
Der Provinziallandtag wird nach dem Ermessen 
des Königs — jetzt in der Regel einmal im Jahre — 
berufen. Der Vorsitzende (Landtagsmarschall) 
und dessen Stellvertreter werden für jede Sitzungs- 
periode von dem König aus dem ersten Stande 
ernannt. Mittelsperson zwischen dem Landtag 
und der Staatsregierung ist der vom König er- 
nannte Landtagskommissar (regelmäßig der Ober- 
präsident). Der Landtagskommissar, die zu seiner 
Vertretung oder Unterstützung ihm beigeordneten 
Staatsbeamten, der Oberpräsident und sein 
Stellvertreter sind befugt, an den Sitzungen teil- 
zunehmen und müssen jederzeit gehört werden 
(Kal V v. 5. 11. 89, GS 177, 5J 39). Der Land- 
tag ist bei Anwesenheit von ¾ seiner Mitglieder 
beschlußfähig. Zu einem gültigen Beschluß über 
vom König überwiesene oder zu seiner Kenntnis 
zu bringende Angelegenheiten gehört Zwei- 
drittelmehrheit, sonst genügt einfache Mehrheit. 
Getrennt nach Ständen wird verhandelt, wenn das 
Interesse der Stände gegeneinander geschieden 
ist, sobald 25 eines Standes dies beantragen; 
die verschiedenen Gutachten werden dann dem 
König zur Entscheidung vorgelegt. Am Schlusse 
der Tagung wird vom König ein Landtags- 
abschied erteilt. 
Die laufende Verwaltung der Provinzialange- 
legenheiten wird seit 1889 geführt von dem 
Provinzialausschuß und dem Landes- 
direktor (jetzt Landeshauptmann), der 
hier von dem Provinzialausschuß gewählt wird, 
(vgl. Kgl Vv. 5. 11. 89, GS 177). Die Mitglieder 
des Provinzialausschusses bedürfen der Bestäti- 
gung durch den Min Inn. Die Voraussetzungen 
der Wählbarkeit sind dieselben wie in den andern 
Provinzen. Die Staatsaufsicht über die Verwal- 
tung des Provinzialverbandes übt, ebenso wie in 
den andern Provinzen, der Oberpräsident aus. 
Das Abgabenwesen der Provinz regelt sich 
auch in P. nach dem Kreis= und Provinzialab= 
gaben G v. 23. 4. 1906. 
II. Die Kreisverwaltung beruht auf 
der Kr O für die Provinz P. v. 20. 12. 28 (GS 
1829 S3), abgeändert durch die Kgl V v. 21. 11. 37 
(GS# 217) und die später erwähnten Gesetze, und 
auf der Kgl V v. 25. 3. 41 (Ge 58). Die Kreis- 
korporation wird durch die Kreisstände (Kreistag) 
vertreten. Die Stände sind dieselben wie in der 
Provinzialvertretung. Stimmberechtigt im ersten 
Stande sind der Fürst von Thurn und Taxis in den 
Kreisen, wo er Grundbesitz hat und alle Ritter- 
gutsbesitzer des Kreises mit Virilstimmen. Von 
juristischen Personen, die ein Rittergut besitzen, 
sind jetzt stimmberechtigt der Staat, geistliche und 
milde Stiftungen und ferner Städte, Hie nicht zum 
Kreiskommunalverbande gehören. Der Besitz 
mehrerer Rittergüter berechtigt auch nur zu einer 
Stimme; dem Staat steht jedoch für jedes Ritter- 
gut eine Stimme zu mit der Einschränkung, daß 
die Zahl seiner Stimmen ½ der Gesamtzahl der 
Kreistagsmitglieder nicht übersteigen darf (+ 1 
Gv. 4. 8. 04, GS# 241). Zur persönlichen Aus- 
übung des Stimmrechts ist Vollendung des 24. Le- 
bensjahres, Wohnsitz in Preußen und unbeschol- 
tener Ruf erforderlich; Vertretung durch andere 
Rittergutsbesitzer ist zulässig. Der Staat kann sein 
Stimmrecht durch Domänenpächter, Oberförster 
oder Rittergutsbsitzer ausüben. Im Stande der 
Städte entsendet jede Stadt einen, Städte mit 
mehr als 4000 Einwohnern für je 4000 Einwoh- 
ner einen Deputierten, wobei Bruchteile von mehr 
als ½ für voll gerechnet werden (§52 Gv. 4. S. 04). 
Die Wahl geschieht durch den Magistrat und die 
Gemeindevertretung gemeinsam. Die Land- 
gemeinden stellen 3 Deputierte. Durch Kgl Ver- 
ordnung kann diese Zahl bis auf 6 erhöht werden. 
Die Wahl ist indirekt (Kgl Vv. 19. 12. 45, GS 1846 
S 18). Soweit in einzelnen Kreisen auf Grund 
des a 67 der von 1850—53 in Kraft gewesenen 
Kreis-, Bezirks= und Prov O v. 11. 3. 50 (GS 213) 
durch die zu ihrer Ausführung erlassenen Vor- 
schriften die Zahl der Abgeordneten der Städte 
und Landgemeinden erhöht worden ist, ist diese 
Erhöhung bestehen geblieben (G v. 24. 5. 63, 
GS 238 und G v. 4. 8. 04 §J 2). Für jeden Abge- 
ordneten der Städte und Landgemeinden wird 
ein Stellvertreter gewählt. 
Der Kreistag wird mindestens einmal jährlich 
vom Landrat berufen, der auch den Vorsitz führt, 
ein Stimmrecht aber nur hat, wenn er selbst 
Kreisstand ist. Abgesehen von den dem Kreise 
gesetzlich obliegenden Aufgaben, können die 
Kreisstände Ausgaben beschließen zu gemeinnützi- 
gen Anlagen und Einrichtungen, die im Interesse 
des ganzen Kreises liegen, und zur Beseitigung 
eines Notstandes (Rgl V v. 25. 3. 41, G 58). 
Der Landrat führt die Beschlüsse der Kreisstände 
aus. Die laufende Verwaltung der Kreisange- 
legenheiten kann der Kreistag dem Kreisausschuß 
übertragen (LVG für P. a 5 B2). Von dieser 
Befugnis haben fast alle Kreise Gebrauch gemacht. 
Die Kreisabgaben beruhen auf dem 
Kreis= und Provinzialabgaben G v. 23. 4. 1906. 
  
  
  
Literatur: Haase, Ergänzungsband für Posen 
zu Brauchitsch Verw Gesetze", 1897 (veraltet); Nötel, 
Handbuch für die Verwaltung des Provinzialverbandes 
Posen 1902 u. 1907; Chr. Meyer, Geschichte des Landes 
Posen, 1881; Geschichte der Provinz Posen, 1891; Erich 
Schmidt, Geschichte des Deutschtums im Lande Posen 
unter polnischer Herrschaft 1164; Bernhard, Das polnische 
— Gemeinwesen im preuß. Staate , 1910. Felix Genzmer. 
  
  
 
	        
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