Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
4 Oeffentliche Anstalt — Oeffentliche Rechte und Pflichten 
  
liegt, von den Interessenten nicht vor das Zivil- 
ericht gezogen, ebensowenig können mangelhafte 
Leistungen der Anstalt zum Gegenstand eines 
Zivilprozesses gemacht werden, Gebührenforde- 
rungen nicht im Rechtsweg [Nl eingeklagt oder 
zurückgefordert werden. Freilich gilt dies alles 
nur mit der Einschränkung: „soweit nicht das 
Gesetz etwas Gegenteiliges bestimmt“; denn der 
Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im 
Sinne des & 13 Gerichtsverfassungsgesetzes ist ein 
rein formeller Begriff. Soweit aber eine beson- 
dere Zuweisung an die Zivilgerichte nicht erfolgt 
ist, haben die ordentlichen Gerichte hier nicht mit- 
zureden, wobei nur noch die weitere Frage auf- 
taucht, ob für solche Streitigkeiten der VerwWeg 
oder der Weg des Verw Streitverfahrens eröffnet 
ist. Nach dem in Preußen geltenden Enummera- 
tioprinzip muß grundsätzlich der VerwWeg als 
der gegebene bezeichnet werden. Beispiele für 
Eröffnung des Verwtreitverfahrens finden sich 
insbesondere bezüglich der kommunalen Anstalten 
in & 18 Ziffer 1 Zust G, 99 LG0, 5s8s 69 fKomm- 
AbgG, Ss 16, 31 Kreis= und Provinzialabgaben- 
gesetz. Soweit nur der schlichte VerwWeg er- 
öffnet ist, bleibt es den Anstaltsordnungen auch 
unbenommen, ihrerseits zu bestimmen, welche 
Aufsichts= oder sonstigen Behörden zur Entschei- 
dung der Streitigkeiten zuständig sein sollen. 
Literatur: Otto Mayer, Deutsches Verw- 
Recht II, 55 51, 622; Fleiner, Justitutionen des deutschen 
VerwRechts, 2. Aufl., 85 18, 19 (mit weiteren Literaturanga- 
ben); Kormann, Grundzüge eines allgemeinen Teils 
des öffentlichen Rechts, in Annalen des Deutschen Reichs 
1911, 1912, 5 3, 5, 33: Kormann, Einführung in die 
Praxis des VerwRechts (1913), insbesondere S 44—65. 
Kormann. 
Oeffentliche Rechte und Pflichten 
5 1. Begriff des subjektiven Rechts. 1 2. Oeffentliche 
Rechte und Pflichten. 3 3. Oeffentliche Rechte insbesondere. 
5 4. Oeffentliche Pflichten insbesondere. § 5. Entstehung, 
Veränderung und Untergang. § 6. Ausübung. 5 7. Gel- 
tendmachung. 
lö. R. — öffentl. Recht; ö. P. — öffentl. Pflicht.) 
§# 1. Begriff des subjektiven Rechts. 
I. Das Recht im objektiven Sinne (die Rechts- 
ordnung) enthält bestimmte Vorschriften über die 
äußeren, in Handlungen und Unterlassungen zu- 
tage tretenden Beziehungen der (physischen und 
juristischen) Personen zueinander. Diese Be- 
ziehungen sind entweder gegenseitige Beziehungen 
der Personen ohne Räücksicht auf ihre Stellung 
zum Staate und zu anderen öffentlichen Ver- 
bänden, so insbesondere auf dem Gebiete des 
Wirtschafts- und Familienlebens, oder sie ergeben 
sich aus der Stellung des Einzelnen zur staat- 
lichen Gemeinschaft oder zu gewissen, öffent- 
liche Zwecke verfolgenden, dem Staate eingeglie- 
derten Gemeinwesen: Anstalten, Korporationen, 
Kommunalverbänden. Auf dicsem Gegensatz be- 
  
  
ruht die Unterscheidung von privatem und öffent- 
lichem Recht. 
II. Aus den Vorschriften der Rechtsordnung flie- 
ßen für jede Person bestimmte Ansprüche an das Ver- 
halten anderer Personen, und zwar entweder einer 
unbestimmten Anzahl oder bestimmter einzelner 
anderer Personen. Diese Ansprüche gehen darauf, 
entweder die berechtigte Person in der freien 
Betätigung und Aeußerung des Willens nicht zu 
stören oder ihr etwas zu leisten. Diese Ansprüche 
nennt man subje ktive Rechte. Jedes subjektive 
Recht hat seinen letzten Grund im objektiven Recht. 
Es gibt daher keine angeborenen oder natürlichen 
Rechte, wie die Lehre des Naturrechts behauptete. 
Es gibt insbesondere keine sog. Grund= und Frei- 
heitsrechte (§3)in dem Sinne, daß sie dem Menschen 
immanent seien und vom Staate nicht beschränkt 
oder aufgehoben werden könnten. Das obiektive 
Recht ist das primäre, das subjektive Recht das 
sekundäre. Wer das Bestehen subiektiver Rechte 
vor der objektiven Rechtsordnung annimmt, 
übersieht entweder, daß er damit gleichzeitig schon 
eine solche Rechtsordnung als gegeben anerkennt, 
oder ihm schweben Begriffe vor, die den subjek- 
tiven Rechten ähnlich, aber nicht wesensgleich sind 
(Giese, Grundrechte 62 ). 
1. Herrscht hierüber heute in der Theorie Einver- 
ständnis, so gehen des weitern die Ansichten über 
das Wesen dieser dem objektiven Rechte entsprin- 
genden subjektiven Rechte erheblich auseinan- 
der. Wenn Dernburg das subjektive Recht defi- 
niert als Anteil an den Lebensgütern, welche der 
allgemeine Wille als einer Person zukommend 
anerkennt und ihr gewährleistet (Bürgerl. R., 
1902, 1, 104; dagegen Kipp in Windscheid-Kipp 
5 372), oder wenn v. Ihering das subjektive Recht 
als rechtlich geschütztes Interesse, als rechtliche 
Sicherheit des Genusses bezeichnet (Geist des 
röm. R. III 1, 317f), so liegt in beiden Fällen 
eine einseitige Betonung des Zweckmomentes 
vor. Allerdings bezweckt die Rechtsordnung, den 
einzelnen Personen Anteil an den Lebensgütern 
zu ermöglichen und die von ihr anerkannten Ge- 
samt= und Einzelinteressen zu schützen und zu 
sichern. Dieses Ziel kann sie aber nur dadurch 
erreichen, daß sie an den Willen der Personen sich 
wendende Vorschriften gibt und den einzelnen 
Personen die Befugnis erteilt, ihren Willen in 
einer für andere Personen bindenden Weise zur 
Geltung zu bringen. Ein (praktisch vorkommen- 
der) Interessenschutz ohne jene Befugnis, das In- 
teresse geltend zu machen, stellt kein subij. R. dar. 
Dieses Moment ist richtig erkannt worden von 
Thon (Rechtsnorm und subj. R.) — erst die Mög- 
lichlcit eigener Rechtsverfolgung verleiht ein 
subj. R. —, ferner von Windscheid, welcher fubj. R. 
als eine von der Rechtsordnung verliehene Wil- 
lensmacht oder Willensherrschaft definiert. „Die 
Rechtsordnung hat auf Grund eines konkreten 
Tatbestandes einen Befehl (Norm, Imperativ) zu 
einem Verhalten bestimmter Art erlassen und die- 
sen Befehl demjenigen, zugunsten dessen sie ihn 
erlassen hat, zur freien Verfügung hingegeben. 
Sie überläßt es ihm, ob er von dem Befehl Ge- 
brauch machen, und im besonderen, ob er die ihm 
gegen den Widerstrebenden von der Rechtsord- 
nung gewährten Mittel zur Anwendung bringen 
will oder nicht. Demgemäß ist sein Wille maß- 
gebend für die Durchsetzung des von der Rechts-
	        
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