Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Post und Telegraphie (B. V: Post= und Portodefraudation) 
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stens 6 Mk. für jeden Fall, im wiederholten Rück- 
falle das Sechzehnfache, mindestens 12 Mk. Ne- 
ben der Strafe wird vom Schuldigen in allen 
Fällen der &s 27 und 29 das hinterzogene Porto 
bezw. Personengeld erhoben und zwar auch dann, 
wenn eine Leistung der P gar nicht in Anspruch 
genommen worden ist. Die Einziehung erfolgt 
exekutivisch in dem für die Beitreibung öffentlicher 
Abgaben bestehenden Verfahren. Die Strafver- 
folgung verjährt (mit dem Anspruch auf 
Nachzahlung des hinterzogenen Betrages) in 
3 Jahren (Es#z. StGB 87; in Elsaß-Lothringen 
entscheidet § 67 StGB). Unterbrechung der Ver- 
jährung: & 68 StGB; 8 459 Abs 3 StPO. Die 
vorläufige Strafverfügung (s. unten) unterbricht 
nicht. 
C. Der unerlaubte Betrieb einer Privat-= 
postanstalt [XB II Postregal und Postzwang 
5 2, 41 ist als Vergehen strafbar (à 3 Abs 2 
PGdov.). Hier findet ein administratives Ver- 
fahren nicht statt. Die Strafbarkeit setzt eine 
postalisch eingerichtete Organisation voraus, welche 
bestimmt ist, hinsichtlich der in a 3 Abs 1 PGrov. 
bezeichneten Beförderungsgegenstände die Ver- 
kehrsbedürfnisse weiterer Kreise zu befriedigen, 
ferner den Beginn des Betriebes mit der Absicht, 
(auch) hieraus fortlaufenden Gewinn zu ziehen. 
§5 2. Strafverfahren. Durch Abschn. V des 
P, der subsidiär durch die Vorschriften der St pO 
ergänzt wird, ist für die Bestrafung der Pu Porto- 
de fr. ein besonderes administratives Strafverfahren 
vorgesehen. (Der unerlaubte Betrieb einer Privat- 
PAnstalt loben & 1 Cl gehört nicht hierher.) Bei 
den Ermittlungen können die PBehörden die Mit- 
wirkung der Polizei- und Steuerbeamten und 
ihrer Organe in Anspruch nehmen (5 24 P0). 
Auch sind die PBehörden und PBeamten, 
welche eine Defraudation entdecken, selbständig 
befugt, die dabei vorgefundenen Briefe und an- 
deren, den Gegenstand der Uebertretung bilden- 
den Sachen in Beschlaß zu nehmen und bis zur 
Zahlung oder Sicherstellung von Gefällen, Strafe 
und Kosten zurückzubehalten (6 32 PG). Zu 
Durchsuchungen (/NI] und zu einer Durchsicht 
der Papiere sind sie nicht befugt. Die Leitung 
der Untersuchung und der Erlaß der Bescheide steht 
derjenigen Ober PDirektion (in Württemberg: der 
Generaldirektion) zu, in deren Bezirk entweder 
die strafbare Handlung begangen ist oder der An- 
geschuldigte seinen Wohnsitz ev. gewöhnlichen Auf- 
enthalt hat. Vor Einleitung des förmlichen Ver- 
fahrens hat sie dem Angeschuldigten die verwirkte 
Strafe mit der Anheimgabe mitzuteilen, durch 
Zahlung binnen 10 Tagen präklusivischer Frist das 
weitere Verfahren zu vermeiden. Diese Verfügung 
ilt als rechtskräftiger Strafbescheid, wenn hierauf 
Vohlung ohne Einrede erfolgt. Anderenfalls greift 
die förmliche administrative Unter- 
suchung Platz, welche durch die Pnstalten 
oder Bezirks-Aufsichtsbeamten summarisch geführt 
wird. Die mündliche Verhörung des Angeschul- 
digten zu Protofkoll ist obligatorisch. Beträgt die 
verwirkte Strafe mehr als 150 Mk., so ist dem 
Angeschuldigten auf Verlangen eine Frist von 
8 Tagen bis 4 BWochen zur Einreichung einer 
schriftlichen Verteidigung zu gewähren. Werden 
Zeugen vorgeladen, so haben sie der Ladung vor 
die PBehörden Folge zu leisten und sind erforder- 
lichenfalls durch das Gericht zum Erscheinen anzu- 
  
  
halten. Eine Beeidigung der Zeugen findet im 
administrativen Verfahren nicht statt. Nach Ab- 
schluß der Untersuchung hat die Ober PDirektion 
sich zu entscheiden, ob sie die Anwendung einer 
Strafe für begründet erachtet. Wenn nicht, so ver- 
fügt sie die Weglegung der Akten. Anderenfalls 
erläßt sie einen mit Gründen versehenen, eine Be- 
lehrung über die Rechtsmittel und die Strafe des 
Rückfalls begründenden Strafbescheid. Gegen 
diesen Bescheid steht dem Angeschuldigten binnen 
10 Tagen präklusivischer Frist der Rekurs an das 
Reichs PAmt (in Bayern an das Min für Ver- 
kehrsangelegenheiten, in Württemberg an das 
Min der auswärtigen Angelegenheiten) zu, der 
binnen 4 Wochen durch neue Tatsachen und Be- 
weismittel schriftlich oder zu Protokoll gerechtfer- 
tigt werden kann. Das Rekursresolut der ange- 
rufenen Behörde ist endgültig. 
An Stelle des administrativen Strafverfahrens 
tritt aber unter Umständen das gerichtliche 
Verfahren. Zunächst kann die Ober PDirek- 
tion bis zum Erlaß des förmlichen Strafbescheides 
die Verweisung der Sache zum gerichtlichen Ver- 
fahren verfügen; sodann kann der Angeschuldigte 
bis zum Erlaß des förmlichen Strafbescheides und 
binnen 10 Tagen präklusivischer Frist nach Emp- 
fang desselben (statt Einlegung des Rekurses) auf 
rechtliches Gehör antragen. Dem ausdrücklichen 
Antrage hierauf steht es gleich, wenn der Ange- 
schuldigte in dem Vernehmungstermine vor der 
PBehöäörde nicht erscheint oder die Auslassung vor 
ihr verweigert. Wird die Sache auf diese Weise 
zum gerichtlichen Verfahren verwiesen, so finden 
lediglich die Vorschriften der St P, insbesondere 
auch die §§ 460 ff, Anwendung. Der Fall des 
5 136 Abs 2 GVx ist gegeben. 
Die Vollstreckung rechtskräftiger admini- 
strativer Strafbescheide und Resolute geschieht durch 
die PBehörde in dem Verfahren, welches für die 
Beitreibung der im VerwWege festgesetzten Geld- 
strafen gilt. Gerichtliche Strafurteile werden nach 
Maßgabe der St P vollstreckt. 
Die beigetriebenen Geldstrafen fließen in allen 
Fällen, auch wenn sie auf Grund eines gerichtlichen 
Strafurteils eingezogen sind, zur Pnterstützungs- 
kasse. Uneinziehbare Geldstrafen werden in Haft 
(nicht Gefängnis) umgewandelt; das Höchstmaß 
der Haft ist 6 Wochen, auch wenn die Tat ein 
Vergehen ist. Die Umwandlung der im Verw- 
Wege festgesetzten Strafe erfolgt durch das Ge- 
richt (§ 31 P-, Is 28, 29 Stesl B, §5 465 St PO). 
Der Erlaß der im administrativen Strafver- 
fahren festgesetzten Strafen steht im Reichs PGe- 
biet dem Kaiser zu und ist von diesem auf den 
R delegiert, in Bayern und Württemberg hat 
es der Landesherr. Die Begnadigung [J|] wegen 
der durch die Gerichte festgesetzten Pu Portodefr- 
Strafen steht dem Landesherrn desjenigen Staa- 
tes zu, welchem das erkennende Gericht erster In- 
stanz angehört. 
Literatur: Meves, in Holtzend. Rechtslex. III, 
101; Dambach-v. Grimm, Gesetz über d. PWesen 
d. Deutschen Reichs“, 1901, S174—245, und Nachtrag (1904) 
dazu, S37—47; Aschenborn, (Gleicher Titel) 1908, S 215 
bis 292; Wolcke, Pfecht (1909), S 179—195; Steng- 
lein, Strafrechtl. Nebengesetze des Deutsch. Reichs", 
1911, 78 f; Laband 3 (901), 95 f; Zorn 2 (1897), 
S 288—291; Arndt, Reichsstaatsrecht, 1901, 297 f;
	        
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