Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

166 
Post und Telegraphie (D. Internationaler Verkehr) 
  
. Die wichtigsten Verträge. 
1. Telegraphenverkehrsverträge. 
Der universelle Charakter der Tel hat die Tele- 
graphenverwaltungen frühzeitig auf den Weg 
der internationalen Vereinbarung gedrängt. Aus 
den Uebereinkommen zwischen Nachbarstaaten 
entwickelten sich Verträge von Staatengruppen 
(deutsch-österreichischer Telegraphenverein, be- 
gründet durch Vt v. 25. 7. 50, abgeändert durch 
mehrere Nachtragsverträge, in Geltung bis Ende 
1871), und weiter ein internationaler Gesamt- 
vertrag, der zum erstenmal am 17. 5. 65 zu Paris 
von 20 Staaten geschlossen wurde und nach mehr- 
fachen Revisionen jetzt als „Petersburger inter- 
nationaler Tel Vt v. 10. 22. Juli 1875“ gilt 
(PAmts Bl 1875, 243; Fleischmann, Völkerrechts- 
duellen 133). Gleichzeitig mit dem Vertrag wurde 
von den beteiligten Verwaltungen eine „Ausfüh- 
rungs-Uebereinkunft für den internationalen Ver- 
kehr“ vereinbart, welche fortlaufend nach Ablauf 
einiger Jahre, zunächst 1879 in London, zuletzt 1908 
in Lissabon auf einer internationalen Telegraphen- 
Konferenz revidiert wurde und jetzt als Lissaboner 
Revision v. 11. 6. 08 neben dem Petersburger Ver- 
trage gilt. (Die Lissaboner Revision trat am 1.7.09 
in Kraft.) An dem Vertrage und der Ueberein- 
kunft nehmen 33 Staaten teil, darunter ganz 
Europa, ferner haben 17 Privatgesellschaften, 
welche außerhalb der Landesgrenzen eines der 
Vertragsstaaten tätig sind, ihren Beitritt erklärt; 
die meisten der übrigen internationalen Tele- 
graphengesellschaften befolgen tatsächlich jene 
Abkommen teils vollständig, teils im wesentlichen. 
Als Zentralorgan des Vereins besteht das 
Internationale Bureau der Telegra- 
phenverwaltungen zu Bern. (Organ: 
Journal Télégraphique.) 
Durch den Vertrag und die Uebereinkunft ha- 
ben die vertragschließenden Staaten sich ver- 
pflichtet, den internationalen telegraphischen 
Dienst nach bestimmten technischen Normen mit- 
telst besonderer Leitungen wahrzunehmen und in 
Gang zu erhalten, die Benutzung der internatio- 
nalen Telegraphen jedermann gegen Gebühren, 
welche nach einheitlichen Grundsätzen berechnet 
werden, unter Gewährleistung des Telegraphen- 
eheimnisses zu gestatten. Die Uebernahme einer 
Verantwortlichkeit für Versehen ist ausgeschlossen, 
doch tritt unter Umständen Gebührenerstattung 
ein. Gebührenfreiheit gilt nur für telegraphen- 
dienstliche Telegramme. Die Verteilung der Ge- 
bühren erfolgt auf Grund monatlicher Abrechnung 
zwischen den beteiligten Staaten. Die Herstel- 
lung internationaler Fernsprechverbin- 
dungen nach Maßgabe des Bedürfnisses ist 
vorbehalten. Nähere Bestimmungen über den 
Dienstbetrieb, Anmeldung und Dauer der Ge- 
spräche, Teilnehmerverzeichnis, Gebühren usw. 
regelt a 68 der Ausführungs-Uebereinkunft. 
Der Vertrag nebst der Ausführungs-Ueberein- 
kunft regelt im allgemeinen die Grundlagen des 
internationalen Telegraphenverkehrs vollständig. 
Der Abschluß besonderer Ueberein- 
kommen ist indes für solche Teile des Dienstes 
vorbehalten, an denen nicht die Gesamtheit der 
Staaten beteiligt ist, insbesondere also für die 
Regelung der Tariffragen von Staat zu Staat, 
ferner auch u. a. für die Zulassung telegraphischer 
PAnweisungen im internationalen Verkehr, so- 
  
  
weit diese nicht durch den Weltpostvertrag (Ueber- 
einkommen, betr. den PAnweisungsdienst v. 26. 
5. 06, a 4, Rl 656) geregelt ist. 
2. Drahtlose Telegraphie. Nachdem 
auf Anregung des Reichspostamts i. J. 1903 in 
Berlin eine Vorkonferenz zur Regelung einzelner 
Fragen des internationalen Funkspruchverkehrs 
stattgefunden hatte, wurde am 3. 10. 06 in Ber- 
lin ein „Internationaler Funken- 
telegraphenvertrag“ (Convention radio- 
télégraphique internationale) nebst Schlußproto- 
koll und Dienstreglement zwischen den Vertretern 
von 72 Staaten, vorbehaltlich der Ratifikationen, 
vereinbart. Veranlassung des Abkommens war, den 
Funkspruchverkehr zwischen Schiff und Land zu 
schützen, insbesondere Monopolbestrebungen ent- 
gegenzutreten, die darauf ausgingen, Funkspruch- 
apparaten anderen Systems den Verkehr zu unter- 
binden. Der Vertrag ist am I. 7. Os für die Staaten, 
die ihn bis dahin ratifiziert haben, in Kraft getreten 
(RGBl 1908, 411) und wurde ergänzt durch ein 
Zusatzabkommen vom gleichen Tage, abgeschlos- 
sen von den Vertretern von nur 21 Staaten (es 
fehlen u. a. England, Italien, Japan), das eine 
radiotelegraphische Verkehrspflicht auch von Schiff 
zu Schiff festsetzte. Jetzt gilt der Internat. 
Funken TelV v. 5. 7. 12 nebst Schlußprotokoll und 
Ausfllebereinkunft (Rl 1913, 373), und zwar 
u. a. für ganz Europa (mit Ausschluß der Binnen- 
staaten Schweiz, Serbien, Montenegro). Hiernach 
gilt: Die Küsten= und Schiffsstationen sind ver- 
pflichtet, ihre Radiotelegramme ohne Unterschied 
des Systems auszutauschen, und zwar zwischen 
Land und Schiff sowie zwischen Schiff und Schiff. 
Störung anderer Stationen ist nach Möglichkeit 
zu vermeiden. Telegramme von Schiffen in 
Seenot haben den Vorzug. Anuschluß der Küsten- 
stationen an das Landnetz ist herzustellen. Die 
Grundzüge des Gebührenwesens sind geregelt. 
Ein Schiedsgericht für Streit zwischen den 
Vertragsstaaten ist wie im Welt PWvorgesehen. 
Wesentliche Bestimmungen des Internat. Tele- 
graphenvertrags (v. 10./22. 7. 75) sind in den 
Funken TelVertrag einbezogen. Der Vertrag 
und die Ausflebereinkunft sollen periodisch revi- 
diert werden. Das Internationale Bureau 
der Telegraphenverwaltungen in Bern 
dient als Zentralorgan des Vereins. 
3. Kabelschutzvertrag. Zum Schutz 
der außerhalb der Küstenzone, im offenen Meer 
liegenden Telegraphenkabel wurde zu Paris ein 
internationaler Vi v. 14. 3. 84, nebst Dekl. v. 
1. 12. 86 (RE#Bl 1888, 151 ff, 1889, 194) geschlos- 
sen, der am 1. 5. 88 für 28 Staaten in Kraft ge- 
treten ist. Nach Inhalt dieser Vereinbarungen, 
die nicht für den Kriegsfall gelten, genießen alle 
im offenen Meere rechtmäßig gelegten unter- 
seeischen Kabel, welche auf dem Gebiete eines der 
Vertragsstaaten landen, strafrechtlichen Schutz 
gegen vorsätzliche oder fahrlässige Beschädigung, 
unbeschadet des zivilrechtlichen Schadensersatzes, 
ausgenommen jedoch den Fall des Notstandes. 
Wird ein Kabel beim Legen oder Ausbessern eines 
anderen Kabels verletzt, so hat der Eigentümer 
dieses anderen Kabels die Wiederherstellungskosten 
zu tragen. Den mit vorschriftsmäßigen Signalen 
versehenen Kabelschiffen, sowie den die Kabel- 
arbeiten anzeigenden Bojen müssen andere Schiffe 
fern bleiben. Schiffseigentümer, welche Anker, 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.