Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
6 Oeffentliche Rechte und Pflichten 
  
ordnung anerkannten Grundsatz der Freiheit und 
Unverletzlichkeit der Person und des Eigentums 
nach den verschiedenen Richtungen auseinander- 
ulegen, die staatsseitige Anerkennung einer von 
ben Funktionen der Staatsgewalt, von dem Ein- 
reifen der staatlichen Organe unberührt bleiben- 
hen also „staatfreien" Sphäre der einzelnen 
Staatsangehörigen zum gesetzlich genau formu- 
lierten Ausdruck zu bringen. Inhaltlich verordnen 
die Grundrechte entweder die Unterlassung staat- 
licher Eingriffe in diese Sphäre (Schutzrechte) oder 
die Duldung freier Bewegung des Einzelnen inner- 
alb seiner Sphäre (Freiheitsrechte) (Giese Glf, 
llinek, Subj. ö. R. 94 ff). In der äußeren Form 
erscheinen sie entweder als allgemeine Direktiven 
für den Gesetzgeber oder als subjektive Rechte; 
die einzelnen Aeußerungsmöglichkeiten der per- 
sönlichen Freiheit werden als besondere subj. 
R. formuliert und mit Vorliebe in die Vl ein- 
gestellt. Gleichwohl wäre es falsch, die Grund- 
rechte schlechthin als subj. R. zu bezeichnen. 
Zwar sind sie, wie es der Begriff des subj. R. 
verlangt, im Interesse der Individuen erlassen, 
aber der in ihnen verheißene Schutz findet in der 
Regel auch ohne Zutun, ja selbst gegen den Wil- 
len des geschützten Individuums statt. Ferner 
steht dem Träger des Rechts nur in einzelnen 
Fällen (z. B. Freizügigkeit, Gewerbefreiheit, Ver- 
einsfreiheit) die Macht zu, den Rechtsschutz selb- 
ständig zu realisieren und die Norm dem Ver- 
pflichteten gegenüber zwangsweise durchzusetzen 
(Giese 70 ff). Daher kann man die Grundrechte 
nicht allgemein, sondern nur von Fall zu Fall 
als subj. R. bezeichnen. Im einzelnen gehören 
zu den Grundrechten: Unverletzlichkeit von Per- 
son, Wohnung, Briefgeheimnis und Eigentum, 
Gleichheit vor Gesetz und Richter (Schutzrechte), 
Freizügigkeit, Gewerbefreiheit, Freiheit der Wis- 
senschaft, des religiösen Bekenntnisses, der Mei- 
nungsäußerung, Verehelichungs-, Versammlungs- 
und Vereinigungsfreiheit, Freiheit der Religions- 
gesellschaften (Freiheitsrechte) (Giese 97 ff). 
2. Die Rechte auf den Genuß und die Vorteile 
der öffentlichen Einrichtungen und öff. 
Anstalten [#) des Staates, der Gemeinden und 
öffentlichen Korporationen, mögen sich diese Be- 
fugnisse aus der Staatsangehörigkeit, Gemeindean-- 
gehörigkeit, Korporationszugehörigkeit von selbst 
ergeben oder erst durch einen besonderen Erwerbs- 
grund (Verleihung, Vertrag usw.) entstanden sein. 
iese Rechte gehen in der Regel auf ein Leisten 
oder Gestatten seitens des Verpflichteten (des 
Staats, der Gemeinde usw.), der dem Berechtig- 
ten Schutz und Hilfe (z. B. Schutz im Auslande, 
Armenunterstützung) zu gewähren oder ihm die 
Benutzung der öffentlichen Einrichtungen (z. B. 
Wege, öffentliche Gebäude), wenn auch unter be- 
sonderen Bedingungen, zu gestatten hat (Jellinek, 
Subj. ö. R. 114 ff). [X Oeffentliche Sachen)]. 
3. Diejenigen Befugnisse, welche eine unmittel- 
bare oder mittelbare Beteiligung an der Gesetz- 
gebung, Verwaltung und Rechtspflege gewähren, 
die sog. politischen oder staatsbür- 
gerlichen Rechte (Jellinek, Subj. ö. R. 
136 ff). Die wichtigste Klasse dieser Rechte bilden 
die dem Staatsoberhaupte zustehenden öffentlich- 
rechtlichen Befugnisse; ferner gehören hierher das 
Recht der Teilnahme an gesetzgebenden Körper- 
chaften, Wahlr echt zu solchen usw. Als Inhalt 
  
der politischen Rechte kommt in Frage, daß sich der 
Staat (Kommunalverband) eine Einwirkung der 
Berechtigten auf das Zustandekommen der Ge- 
setze, die Ausübung der Verwaltung und der 
Rechtspflege gefallen lassen muß. Als Befugnisse 
der außerhalb des staatlichen Organismus stehen- 
den Untertanen umfassen die politischen Rechte 
nicht:o) die Amtsrechte der Beamten, welche die- 
sen als Inhabern der öffentlichen Gewalt zustehen; 
denn diese Rechte sind fremde Rechte, welche sie 
lediglich im Namen des Staates ausüben. Ob der 
Beamte als Berufsbeamter oder im Ehrenamt (NI 
tätig ist, ist dabei gleichgültig. Das Gleiche gilt 
b) von der den kommunalen Körvperschaften 
eingeräumten Mitwirkung an der Verwaltung, 
denn auch hier handelt es sich lediglich um eine 
Verteilung der Kompetenzen, nicht um die Ein- 
räumung subjektiver Rechte. Wenigstens muß dies 
gelten für den sog. übertragenen Wirkungskreis 
dieser Körperschaften, dagegen handelt es sich in 
bezug auf ihren eigenen Wirkungskreis nicht bloß 
um eine Verteilung der staatlichen Aufgaben zwi- 
schen ihnen und den staatlichen Behörden, sondern 
wenigstens nach den meisten Gesetzgebungen um 
subjektive Rechte, welche gegenüber unberechtig- 
ten Eingriffen der staatlichen Behörden durch die 
Verwechtspflege geschützt sind (Jellinek, Subj. 
5. R. 147 ff). 
Den politischen oder staatsbürgerlichen Rechten 
werden hüufg die übrigen 5. R. als sog. bür- 
gerliche Rechte (nicht zu verwechseln mit den 
privatrechtlichen Befugnissen) entgegengesetzt: doch 
ist der Sprachgebrauch schwankend und leicht 
irreführend (Jellinek, Subj. ö. R. 1341). Wenn 
fermer mitunter sog. „konstitutionelle Rechte“ 
besonders hervorgehoben werden, so hat dies 
lediglich die formelle Bedeutung, daß gewisse 
5. R., vor allem die sog. Grundrechte in den 
Verf Gesetzen besonders gewährleistet oder ver- 
liehen sind. Dem Inhalte nach gehören diese Rechte 
einer der bezeichneten drei Gruppen an. 
Zuweilen werden als eine besondere Gruppe 
die sog. öffentlichen Statusrechte (Staats- 
angehörigkeit, Gemeindeangehörigkeit usw.) auf- 
eführt; diese sog. Statusrechte sind jedoch ledig- 
ich als Voraussetzungen der einzelnen 5. R. und 
P., als rechtlich bedeutsamer Zustand zu be- 
trachten und zu behandeln (JFellinek, Subj. 
5. R.z 116). 
#4. Oeffentliche Pflichten insbesondere. 
Auch bei der Betrachtung der ö. P. bilden die 
einzelnen Staatsangehörigen den Ausgangspunkt. 
Als berechtigtes Subjekt erscheint hier gegenüber 
den verpflichteten Staatsangehörigen das Ge- 
meinwesen (Staat, Gemeinde, Korporation), 
welchem die Leistung gebührt. Inhalt der 5. P. 
ist entweder ein bloßes Dulden (z. B. die Ver- 
pflichtung, Truppenübungen auf einem Grund- 
stücke sich gefallen zu lassen) oder eine positive 
Leistung (Erfüllung der Wehrpflicht, Zahlung 
von Steuern). Die Leistungen können demgemäß 
sachlicher oder persönlicher Natur sein. Zu dieser 
speziellen Leistungspflicht tritt als 5. P. allge- 
meiner Natur die Gehorsams= und Treuepflicht. 
Viele öffentlich-rechtlichen Befugnisse sind gleich- 
zeitig ö. P., daher ebensowohl von dem einen wie 
dem anderen Standpunkte aus zu betrachten; 
namentlich trifft dies bei denjenigen politischen 
Rechten zu, welche die Teilnahme an der Aus-
	        
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