Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Preußen (B. Behördenorganisation) 
  
für die VerwStreitsachen und dem Bezirksrate 
unter dem Reg Präsidenten für die Beschlußsachen, 
beide aus Berufsbeamten und Ehrenbeamten 
zusammengesetzt. Das Landesverwaltungsgesetz 
von 1883 verschmolz beide zu dem Bezirksaus- 
schusse. Dieser besteht aus dem Reg Präsidenten 
als Vorsitzendem, dem Verw Gerichtsdirektor, der 
entweder für den höheren Verwienst oder für 
das Richteramt befähigt sein muß, noch einem 
Berufsbeamten mit der entgegengesetzten Be- 
fähigung wie der Direktor und vier Ehrenbeamten, 
die der Provinzialausschuß, in Hessen-Nassau der 
Provinziallandtag, in Hohenzollern der Landes- 
ausschuß aus der Zahl der Bezirksangehörigen 
wählt, und zwar auf sechs Jahre, in Posen I/A! 
unter Bestätigung des Oberpräsidenten. In 
gleicher Weise werden Stellvertreter bestellt. Der 
Bezirksausschuß ist Verwericht und Beschl- 
Behörde, teils erster Instanz, teils zweiter über 
dem Kreis= oder Stadtausschusse. 
Wegen der Besonderheiten der Bezirksverwal- 
tung der Stadt Berlin X „Berlin“. 
#§s 4. Die Provinz LI. Die Rechtsquellen sind 
dieselben, wie für den Regierungsbezirk. 
Die Provinz ist Kommunalverband und Bezirk 
der allgemeinen Landesverwaltung. Die kommu- 
nale Organisation wird auch hier vorausgesetzt. 
Die Verbindung der beiden Verwoysteme ist 
aber bei der Provinz viel lockerer als bei Ge- 
meinde und Kreis. 
I. An der Spitze der Verwaltung steht der Ober- 
präsident, ein unmittelbarer, und zwar poli- 
tischer Staatsbeamter. Seine Stellung ist drei- 
fach: er ist Kommissar des Min, bildet mit den ihm 
beigegebenen Beamten eine eigene bureaukratische 
Behörde und ist Vorsitzender einer Reihe kollegialer 
Behörden, deren Bezirk sich mit der Provinz deckt. 
Kommissar des Min, nicht Zwischenbehörde, sollte 
der Oberpräsident ursprünglich überhaupt nur 
sein. Er ist später auch noch etwas anderes ge- 
worden. Doch noch jetzt ist er in allen wichtigeren 
Fällen der Vertreter der obersten Staatsbehörden. 
Das Oberpräsidium ist aber auch eine selbstän- 
dige, bureankratisch organisierte Behörde, dem 
ein Oberpräsidialrat, Reg Räte und die sonst er- 
forderlichen Beamten als Hilfsarbeiter des Ober- 
präsidenten beigegeben sind. In dieser Eigenschaft 
hat das Oberpräsidium eine eigene Verwaltung. 
Es ist z. B. die Aufsichtsbehörde für die Regie- 
rungen und die Kommunalverwaltung der Pro- 
vinz, vertritt die Verwaltung gegenüber dem 
kommandierenden General, übt die staatliche 
Kirchenhoheit (AJlgegenüber der katholischen Kirche, 
hat gewisse polizeiliche Befugnisse, z. B. ein Pol- 
Verordnungsrecht (Al usw. 
Der Oberpräsident ist endlich Vorsitzender ge- 
wisser Kollegialbehörden. Hierher gehören einer- 
seits die aus Berufsbeamten zusammengesetzten 
Behörden, Provinzialschulkollegium 
und Medizinalkollegium, andererseits 
der Provinzialrat. 
II. Der Provinzialrat, eine Schöpfung der 
Provinzialordnung von 1875, besteht aus dem 
Oberpräsidenten als Vorsitzendem, noch einem vom 
Min Inn für die Dauer des Hauptamtes ernannten 
höheren Verw Beamten und fünf Ehrenbeamten, 
die der Provinzialausschuß aus den zum Provin- 
ziallandtage wählbaren Provinzialangehörigen auf 
sechs Jahre mit wechselndem Ausscheiden wählt, 
  
und zwar in Posen (N| unter Bestätigung des 
Min Inn. In gleicher Weise werden Stellvertreter 
bestellt. Der Provinzialrat ist nur zuständig für 
die Beschlußsachen, zum Teil in erster, zum Teil in 
höherer Instanz. 
Hohenzollern INI gehört keiner Provinz 
an. Provinzialschulkollegium, Medizinalkollegium 
und Oberbergamt der Rheinprovinz sind auch für 
Hohenzollern zuständig, der Regierungspräsident 
dagegen nur in militärischen Angelegenheiten. Im 
übrigen tritt an die Stelle des Oberpräsidenten 
und des Provinzialrates, soweit gesetzlich nichts 
anderes bestimmt ist, der zuständige Min. Die 
Zwischeninstanz zwischen Reg Bezirk und Min 
fällt hier also im allgemeinen fort. 
Wegen der Besonderheiten der Provinzialver- 
waltung der Stadt Berlin „Berlin“. 
5. Die oberste Verwaltung. a) Die ein- 
zelnen Ministerien. Die Organisation 
beruht auf der V v. 27. 10. 1810, die, obgleich 
in der Gesetzsammlung abgedruckt, doch fort- 
dauernd den Charakter der Verordnung hat und 
auf diesem Wege der Abänderung unterliegt. Mit- 
wirkung des Landtages ist bei Veränderungen nur 
notwendig für Bewllligung neuer Mittel und, 
soweit einzelne Gesetze einem bestimmten Min 
eine Zuständigkeit beilegen, zu deren Uebertragung 
auf einen anderen. 
Die einzelnen Ministerien sind die ursprüng- 
lichen fünf: der auswärtigen Angelegenheiten 
(seit 1870 verbunden mit dem Auswärtigen Amte 
des Deutschen Reiches, weshalb der RK gleich- 
zeitig preußischer Min des Auswärtigen sein muß), 
des Innern, das Finanz Min, das Justiz Min und 
das Kriegs Min, kraft der Militärkonventionen [] 
mit vertragsmäßiger Zuständigkeit für das ganze 
Reich mit Ausnahme von Bayern, Sachsen und 
Württemberg. Dazu sind später gekommen ein 
Min für geistliche und Unterrichtsangelegenheiten 
seit 1817, ein Min für Handel und Gewerbe 
und ein solches für Landwirtschaft, Domänen 
und Forsten seit 1848, ein Min der öffent- 
lichen Arbeiten, das namentlich die Eisenbahnen 
verwaltet, seit 1878. Andere Ministerien, wie 
Polizei= und SchatMin, sind wieder verschwunden. 
Auch die Grenzen der Zuständigkeit haben sich 
vielfach geändert. Nicht zu den Staatsbehörden 
gehört das wie ein Min organisierte Min des könig- 
lichen Hauses, das als Hofbehörde die Privatan- 
gelegenheiten des Königs und der Mitglieder des 
landesherrlichen Hauses [X] zu bearbeiten hat. 
Die bureaukratische Organisation der Mini- 
sterien ist schon aus verfassungsrechtlichen Gründen 
wegen der Min Verantwortlichkeit geboten. An 
der Svitze steht der Min, der allein verantwortlich 
entscheidet, unter ihm der Unterstaatssekretär als 
allgemeiner Vertreter, jedoch nicht nach der ver- 
fassungsrechtlichen Seite der konstitutionellen 
Gegenzeichnung, die auch ein anderer Min vor- 
nehmen kann, die Ministerialdirektoren als Leiter 
der einzelnen Abteilungen, sofern das Min in 
solche zerfällt, sonst als zweiter Stellvertreter unter 
dem Unterstaatssekretär, und endlich die vortragen- 
den Räte. 5 
Jeder Min verwaltet die zu seinem VerwZweige 
gehörigen Angelegenheiten selbständig und unter 
eigener Verantwortlichkeit, muß aber dabei in 
Uebereinstimmung mit der durch das Staats Min 
vertretenen Gesamtpolitik bleiben.
	        
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