Prisenangelegenheiten
rung der Verantwortlichkeit der Kriegführenden
wirksam vorgebeugt werden. Nach a 51 der LD
muß dem Verfahren und der Entscheidung über
die Rechtmäßigkeit der Wegnahme eine causae
Cognitio über die rechtlichen Voraussetzungen der
ausnahmsweisen Zerstörung der Prise vorauf-
gehen. Innerhalb dieses Verfahrens hat der
Nehmestaat zu beweisen. daß er nur ausnahms-
weise angesichts einer Notwendigkeit der in a 49
bezeichneten Art gehandelt hat. Gelingt dieser
Beweis nicht, so ist der Nehmestaat zum Scha-
densersatz verpflichtet, ohne daß es einer Unter-
suchung darüber bedarf, ob die Wegnahme recht-
mäßig war oder nicht. Wird der Nachweis er-
bracht, so nimmt das Verfahren über die Recht-
mäßigkeit der Wegnahme seinen normalen Fort-
gang (a 52). — Sind neutrale Waren, die der
Einziehung unterlagen, mit dem Schiffe zerstört
worden, so hat der Eigentümer dieser Waren
Anspruch auf Schadenserfa (a 53).— VBgl. unten
10.
& 7. Zerstörung nentraler Waren. a 64 LD
beschäftigt sich mit jenen Fällen, in denen an
Bord eines neutralen Schiffes sich Konterbande [(NI
befindet, das Schiff jedoch nicht eingezogen wer-
den kann, weil die Konterbande nach Wert, Ge-
wicht oder Fracht nicht die Hälfte der Ladun
ausmacht (a 46). Ein solches Schiff kann je na
den Umständen zur Fortsetzung der Fahrt er-
mächtigt werden, wenn der Kapitän bereit ist,
die Konterbande dem Schiffe des Kriegführenden
zu überliefern (a 44). Erfolgte nun die Auf-
bringung eines solchen Schiffes unter den in a 49
(s. §6) bezeichneten anormalen Verhältnissen und
ist der Kapitän des neutralen Schiffes nicht
bereit, die Konterbande auszuliefern, so
kann das nehmende Kriegsschiff
die Uebergabe der einziehbaern
Ware verlangen oder zuihrer Zer-
störung schreiten. Auch hier sind zur
Wahrung der beteiligten Interessen gewisse Vor-
schriften zu beobachten. Die Bestimmungen der
a 51, 52 über die Verantwortlichkeit der nehmen-
den Kriegsmacht sind auch hier anwendbar.
8. Die Prisengerichtsbarkeit. Mißbräuche
in der Zeit unbeschränkter Verwendung von
Kaperschiffen führten zur Schaffung einer Ein-
richtung, die im Gegensatze zum damaligen Land-
kriegsrecht einen Vorzug des Seekriegsrechts auf-
wies. Die Aneignung feindlichen Privateigentums
und neutraler Prisen vollzieht sich nicht unmittel-
bar durch den Akt der Wegnahme, sondern auf
Grund eines rechtlich geordneten Verfahrens
durch richterliches Urteil. So bedeutsam dieser
Fortschritt ist, so leidet doch diese Einrichtung bis
in die neueste Zeit an dem Grundfehler, daß diese
Rechtsprechung ausschließlich nationalen
Behörden des Nehmestaates (na-
tionalen Prisengerichten) anbver-
traut und deren Urteil in Wahrheit ein Urteil
in causa propria ist. Urteile dieser Gerichte
gaben vielfach Anlaß zu Beschwerden der passiv
beteiligten Subjekte und führten zu diplomati-
schen Reklamationen der beteiligten neutralen
Regierungen; diese riefen vielfach selbst wieder
einen Konflikt zwischen dem neutralen Staat und
dem Nehmestaat hervor, dessen Ausgang nicht
selten von der Machtstellung des reklamierenden
Staates abhing, wogegen kleinere Staaten sich
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—
bei Verletzungen der Interessen ihrer Angehörigen
lediglich passiv verhalten konnten. Allein, die
Natur der hier in Betracht kommenden Streitfälle
und deren Beziehung zu völker-
rechtlichen Normen führten schon seit
der Mitte des 18. Ihds. in der Doktrin zu Re-
formvorschlägen (Hübner, De la saisie des ba-
timents neutres, 1759 II, 21; Tetens, Consi--
dérations sur les droits réciproques de puissances
bellig et de p. neutres, 1805, 62); in neuerer Zeit
hatte das Institut de droit international den
Gegenstand in Verhandlung genommen und ge-
langte dazu, die herrschende Einrichtung der natio-
nalen Prisengerichte mit den Forderungen des
internationalen Charalters der Materie zu kom-
binieren. Trotz dieser fast ängstlichen Behandlung
des Gegenstandes hielt man den Vorschlag des
Instituts für unausführbar; um so überraschender
war das Ergebnis der Verhandlungen der Haager
Konferenz von 1907; hier hatten das Deutsche
Reich und England die Initiative der Reform er-
griffen, deren Ergebnis in dem Abkommen XII
niedergelegt ist. Es wurde zwar gleichfalls von
der Kombinierung der nationalen Prisengerichte
mit den Forderungen der internationalen Mo-
mente dieser Materie ausgegangen, im Gegen-
satze zu dem Standpunkt des Institut de dr. i.
aber ein bedeutsamer Fortschritt dadurch geschaf-
fen, daß die Prisengerichtsbarkeit in letzter Instanz
einem ständigen internationalen Gericht
— dem Prisenhof — anvertraut worden ist.
5 9. Wesen und Wert der Reform der Prisen-
gerichtsbarkeit. Der Wert dieser bedeutsamen
Reform liegt zweifellos in materieller Beziehung
darin, daß a 1 des Abkommens XII v. J. 1907
den allgemeinen völkerrechtlichen
Grundsatz formuliert, dem zufolge die Recht-
mäßigkeit der Wegnahme eines Han-
delsschiffes oder seiner Ladung ohne Unterschied,
ob es sich um neutrales oder feindliches Eigentum
handelt, vor einer Prisengerichtsbarkeit darzu-
tun ist. Damit ist der Gestaltung des
Verfahrens eine von dem bisher für die
nationalen Prisengerichte (auf Grund von Vor-
schriften des Nehmestaats) geltenden Rechte ab-
weichende prinzipielle Grundlage ge-
geben.
Das nationale Prisenverfahren charakteri-
siert sich dadurch, daß es ein Reklameverfah-
ren ist; dessen Eigenart liegt darin, daß von der
Präsumtion der Legalität der Prise
ausgegangen wird, daher für die Verurteilung
auch neutraler Schiffe der bloße Verdacht
genügt, wenn es dem Priseneigentümer nicht
gelingt, den Verdacht zu beseitigen. Haben die
Eigentümer der Prise oder sonstige Interessenten
innerhalb vorgeschriebener Fristen durch Re-
klamation die Legalität der Prise
angefochten, so liegt ihnen der Be-
weis der Illegalität der Prise ob. Die
prekäre Lage der Interessenten, die schon mit der
eigentümlichen Organisation der nationalen Pri-
sengerichte und der prinzipiellen Anlage des Pri-
senverfahrens gegeben ist, kommt auch bei der
Entscheidung in tatsächlicher und
rechtlicher Beziehung zum Ausdruck: in tat-
sächlicher Beziehung insofern, als die Beweis-
mittel nach dem für den Beweis maßgebenden
Landesrecht des Nehmestaats vielfach beschränkt