Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Privilegium 
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Verleihung von Orden [s], Titeln und anderen Aus- 
zeichnungen (vgl. „Privilegium" in 1. Aufl. des WB 
&2 Abs2, 44 a. E.). Zutreffend formuliert Gierke 
S 304 8: „Mit Privilegien darf man nicht landes- 
herrliche Verleihung von Ehrenrechten und landes- 
herrliche Gnadenakte verwechseln, die überhaupt 
keine Rechtssetzungsakte sind“. Alle diese im Zu- 
sammenhang der staatsrechtlichen P. Lehre früher 
eingehend erörterten Fragen scheiden hier aus. 
Diese Ausbildung des P. in drei verschiedenen 
Quellenkreisen und Anwendungsgebieten hat 
freilich zur Folge gehabt, daß es in der ganzen 
Lehre wenig gemeinsames und gemeingültiges 
gibt. Viele nach den besonderen Bedürfnissen 
der Kirche entwickelten Rechtssätze waren an sich 
zweck= und gegenstandslos für die Uebernahme 
ins gemeine bürgerliche Recht oder bedurften hier 
der besonderen Anpassung und Umprägung. 
Manche hinwiederum der Gedankenwelt des 
Privatrechts ausschließlich angehörigen Begriffs- 
kategorien verloren für den publizistischen Rechts- 
kreis ihren Sinn und ihre Daseinsberechtigung. 
So muß man für die Anwendung überall im ein- 
zelnen genau zusehen und unterscheiden. Ueber- 
haupt aber muß man einräumen, daß das P. als 
solches für das Rechtsleben der Gegenwart an 
Terrain und praktischer Bedeutung eingebüßt hat. 
Zwar kann man soweit nicht gehen wie Kor- 
mann (S 120), der ihm „wesentlich nur den Wert 
eines geschichtlichen Uebergangsbegriffs“ beilegt. 
Niemals werden Ausnahme= und Sonderrecht 
ganz zu entbehren sein (s. auch Gierke 303 a. E.). 
Aber seine Einschränkung liegt im Geist und Zug 
der modernen Rechtsentwicklung. Sie strebt nach 
Verallgemeinerung und Gleichheit des Rechts. 
&# 2. Begriff, Juhalt und Schutz. Es sind ein 
engerer und weiterer Begriff zu unterscheiden. 
Der eine liegt innerhalb des Gegensatzes von 
jus commune und singulare, der andere innerhalb 
der Verschiedenheit von jus generale und speciale. 
P. i. e. S. ist eine von dem regelmäßigen Recht 
abweichende Sonderrechtsnorm, die nur für eine 
Person oder eine Sache oder auch für eine Mehr- 
heit solcher, aber nicht ausnahmslos für alle glei- 
cher Art gegeben wird und die rechtliche Stellung 
derselben in bestimmter Beziehung regelt (indi- 
viduelles P.). Von dem P. in w. Bedeutung 
scheidet es sich dadurch begriffsmäßig, daß das 
letztere die Verhältnisse ganzer Klassen von Per- 
sonen oder Sachen mit Rücksicht auf die für die- 
selben obwaltenden Bedürfnisse normiert, ihnen 
eine eigentümliche Lebensordnung gibt. Das P. 
i. e. S. kann in ein P. i. w. S. dadurch über- 
gehen, daß zunächst ein P. der ersten Art all- 
mählich für eine immer größere Anzahl von Sa- 
chen und Personen derselben Art herkömmlicher- 
weise erteilt (wie dies z. B. von den Päpsten mit 
gewissen, namentlich den Exemtionsprivilegien 
der Mönchsorden geschehen ist) und später der 
Inhalt des eigentlichen P. als die ganze Klasse 
umfassendes Sonderrecht festgestellt wird. Ja es 
sind sogar Rechte, welche zunächst erst auf dem 
Wege der wiederholten Privilegienerteilung in 
einzelnen Fällen Schutz gefunden haben, wie das 
Urheberrecht an Schriftwerken, Erfindungen usw. 
durch Nachdrucksprivilegien und Erfindungspa- 
tente, im Verlaufe der Zeit durch die allgemeine 
Rechtsordnung als in derselben begründet und 
geschützt anerkannt worden (Gierke S 303, 2). 
  
  
  
Im Gegensatze zur Dispensation (IN 
wirkt das P. im engeren Sinne positiv, es schafft 
neues und zwar Spezialrecht, während die Wir- 
kung der Dispensation nur eine negative ist, in- 
dem sie die Wirksamkeit eines bestehenden Gesetzes 
bloß für einen bestimmten Tatbestand ausschließt, 
und niemals, wie das P. an Stelle des bisherigen 
gemeinen Rechts eine andere spezielle Rechtsnorm 
setzt lüber die Unterschiede auch Friedberg S 302, 
II). Von der Konzession ]) ist das P. da- 
durch verschieden, daß diese letztere allein keinen 
besonderen neuen Rechtszustand begründet, son- 
dern nur ein Akt des staatlichen Oberaufsichts- 
und Prüfungsrechts ist, das für gewisse Verhält- 
nisse und Fälle ein- für allemal gesetzlich fest- 
gestellt ist. 
Hieraus ergibt sich unmittelbar auch die In- 
haltsbestimmung. Der Inhalt der P. ist 
begrifflich unbegrenzt. Durch sie können die ver- 
schiedenartigsten, dem Privat-, wie dem 
öffentlichen Rechte angehörigen Sonder- 
normen begründet werden; (Beispiele bei Dern- 
burg, Bürg. R. 1, 76 f). Mehrfach wird ange- 
nommen, daß es im Wesen des P. läge, daß 
es nur subjektive Berechtigungen (# Oeffentliche 
Rechte] schaffe (Gerber, Schulze, Dernburg), 
während eine andere Auffassung (Laband, Eccius, 
Hinschius, Gierke, Windscheid-Kipp u. a.) dies 
verneint und lehrt, daß es auch P. negativen 
Inhalts gibt. In der Tat ist nicht erfindlich, 
welche subjektiven Berechtigungen durch die dem 
katholischen Kirchenrecht bekannten P. auf Be- 
freiung von dem gesetzlich regelmäßigen Unter- 
werfungsverhältnis (z. B. das P. der Exemtion 
eines Bischofs vom Metropolitenverbande, eines 
Klosters von der bischöflichen Jurisdiktion) ge- 
währen sollten. Und dasselbe gilt auch bei der 
Befreiung einer Person von öffentlichen Lasten, 
z. B. von Steuern und Zehnten. Auch dar- 
über besteht Streit, ob den Inhalt eines P. 
nur eine Begünstigung oder auch eine 
Rechtsbenachteiligung bilden könne. 
Gewiß hat Kipp Recht mit dem Hinweis (1, 
S 125", 6841), daß zur Bezeichnung auch der 
Rechtsbenachteiligung als P. weder der Sprach- 
gebrauch der Quellen noch des täglichen Lebens 
zu verwenden sei. Dies schafft aber die Tatsache 
nicht weg, daß die Theorie den Gegensatz von 
privilegia favorabilia und odiosa ausgebildet und 
die Praxis ihn angewendet hat (u. § 4 a. E). 
Nach dem Inhalte eines P. richtet sich natur- 
gemäß auch sein rechtlicher Schutz. Soweit es 
sich um privatrechtliche P. handelt, stehen dem 
Inhaber alle für Rechte dieser Art bestehenden 
petitorischen und possessorischen Klagen bei den 
ordentlichen Gerichten zu (Dernburg, Bürg. R. 
1, 77). Daß jedem Privilegierten zum Schutze 
seines P. eine der actio confessoria entsprechende 
Klage zustehe, ist unrichtig und veraltet; wohl 
aber ist die Verteidigung durch Einrede gegen 
klageweise, dem P. zuwiderlaufende Ansprüche 
denkbar. Um den Rechtsschutz zu verstärken, hat 
man früher sogar öffentlich-rechtlichen Privilegien 
vereinzelt die Verfolgung im Rechtswege zuer- 
kannt (uvgl. Preuß. ALR II, 14, §/ 79). Dazu ist 
ein Bedürfnis nicht mehr vorhanden, nachdem 
neben den administrativen auch im Gebiete der 
VerwOrdnung der verwaltungsgerichtliche Schutz 
getreten ist. Zur Durchsetzung oder gegen Ver- 
 
	        
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