Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Privilegium 
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Verwaltung das Recht der P. Erteilung zukam, 
es müßte denn ein besonderer Vorbehalt für die 
Fortdauer dieses Rechts gemacht worden sein. 
Auch für das Gebiet des Reichsrechts kann eine 
andere Theorie über die Begründung von P. 
nicht gelten. Denn auch in ihm findet der Grund- 
satz von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung seine 
volle Anwendung (vgl. noch Fleiner 122 f und 
Kipp-Windscheid 686 f). 
4. Arten und Einteilungen. 
Man unterscheidet privilegia contra lus und privllegla 
pPraeter ius oder ultra lus, je nachdem sie eine Vorschrift 
des jdus commune beseitigen oder bloß neben demselben 
hergehen, obwohl es zum Wesen des P. gehört, daß es vom 
gemeinen Recht abweicht und es gleichgültig ist, ob es einen 
ausdrücklich formulierten Satz des letzteren oder nur die 
aus demselben folgenden Konsequenzen aufhebt. Daher 
entbehrt die Einteilung eines zwingenden inneren Grundes. 
Dagegen ist die Einteilung in privilegia personalla und 
realia, je nachdem dieselben einer einzelnen Person oder 
andererseits einem Grundstücke, einer Kirche, einem Amte 
oder'einem Orte zustehen, berechtigt. Die sog. privilegla 
mixzta, b. h. solche, welche einer juristischen Person, einem 
eorpus ober auch einer Gemeinschaft von Personen in der 
Art verliehen sind, daß selbst jeder, welcher später zu der 
letzteren gehört, sich ihrer bedienen kann, sind in der Tat 
persönliche P., und wenn man andererseits auch P., welche 
an eine Sache geknüpft, aber durch eine gewisse Eigen- 
schaft des Besitzers, z. B. durch Zugehörigkeit zu einer be- 
stimmten Konfession bedingt sind, als mirta bezeichnet hat, 
so fallen diese unter die Klasse der privilegia realla (A. A. 
Dernburg, Pand. 1, 1985). Mit Rücksicht auf das Motiv 
der Einteilung scheidet man die P. in privllegia conven- 
tionalia und pura, je nachdem sie auf Grund eines Ver- 
trages mit Gegenleistung oder ohne einen solchen gewährt 
werden, ferner in privilegia gratiosa und remuneratoria, 
je nachdem das Motiv eine bloße Gunstbezeigung oder 
andererseits eine Entlohnung oder Vergeltung bildet. Von 
weiteren Einteilungen sind noch zu nennen: die in privllegla 
perpetua und temporalia (let6tere sind nicht nur die auf Zeit, 
sondern auch unter einer Resolutivbedingung gewährten), 
die in privilegia affirmativa und negativa (die ersteren 
gewähren eine subiektive Befugnis, die letzteren gestatten 
entweder eine Unterlassung oder befreien von einer Lei- 
stung), endlich die in privilegia favorabilia und odiosa. Die 
ersteren sind solche, welche sich als eine Begünstigung dar- 
sftellen, die letzteren enthalten eine rechtliche Zurücksetzung 
desienigen, welchen sie betreffen (wie z. B. Berbannungs- 
dekrete gegen bestimmte Familien, wie der Bonapartes 
und der Orleans). Das kanonische Recht kennt nur die 
erstere Klasse, und die älteren Kanonisten verstehen unter 
den privilegia odiosa solche, welche dritten Personen lästig 
sind (c. 1 in VIo III, 7; c. 10 X V. 33). Im übrigen gilt auch 
hier, daß die vom Kirchenrecht mit großer Sorgfalt ausge- 
bildeten Arten und Einteilungen der P. nicht überall ohne 
weiteres oder teilweise nur mit veränderter Bedeutung 
auf das Gebiet des staatlichen Rechts übertragbar sind. 
&5. Form und Wirkung. Nur das Kirchenrecht 
hat feste Normen über die Form der Ertei- 
lung der P. entwickelt. Die regelmäßige Form 
ist die schriftliche in der Gestalt eines sog. rescrip- 
tum gratiae und zwar wird dies gewöhnlich als 
Breve, freilich mitunter auch als Bulle ausge- 
fertigt. Eine mündliche Erteilung (vivae vocis 
oraculo) führt aber keine Nichtigkeit herbei, 
wennschon sie jetzt nicht mehr üblich ist. Was das 
staatliche Recht betrifft, so bedarf es der für recht- 
lich relevante Willensäußerungen bestimmten 
Form, welcher sich das sie erteilende Organ sonst 
  
bedient, also jedenfalls der Schriftform. Nach 
dem Kirchenrecht kann die Gewährung erfolgen 
motu proprio oder ad preces (ad instantiam). 
Im ersteren Falle bleibt das P. wirksam, auch 
wenn sich die Gründe, aus welchen dasselbe er- 
teilt wird, als hinfällig erweisen, während im 
anderen die Gültigkeit des P. davon abhängt, 
daß die vom Bittsteller zur Begründung seines 
Gesuchs vorgetragenen Tatsachen der Wahrheit 
entsprechen und nichts Wesentliches verschwiegen 
worden ist. Auch für das staatliche, namentlich 
das gemeine Recht wird angenommen, daß die 
Sub= und Obreption der betreffenden Tatsachen 
dieselbe Wirkung äußert. (Dernburg, Pand. 
I, 199). Für das gemeine Recht hat man hier die 
Grundsätze über die römischen Reskripte ange- 
wendet. Doch kann nur derjenige, welcher das P. 
erteilt hat, nicht der Richter, darüber befinden, 
ob die verschwiegenen oder entstellten Tatsachen 
für die Gewährung wesentlich waren. Für die 
im Wege des Gesetzes im konstitutionellen Staat 
erteilten P. entfällt die Frage, da Gesetze nur 
wieder durch Gesetze beseitigt werden können. 
Das Kirchenrecht kennt ferner als eine besondere 
Art der Verleihung die communicatio privile- 
giorum, d. h. Uebertragung eines schon einem be- 
stimmten Begünstigten verliehenen P. auf eine 
andere Person. Wird diese so vorgenommen, 
daß das neue in völliger Abhängigkeit von dem 
früheren steht, also eine Erweiterung oder Min- 
derung oder ein Erlöschen des letzteren auch von 
selbst für das spätere wirksam wird, so spricht man 
von extensio privilegil. Die Ccommunicatio ad 
instar ist die Verleihung eines neuen P. durch 
Bezugnahme auf ein älteres, ohne nähere Angabe 
des Inhalts, so daß sich dieser durch das letztere 
bestimmt. Dabei kann das neue, wie bei der 
extensio, ebenfalls in die gedachte Abhängigkeit 
gesetzt werden, doch gilt dies nicht als Regel. 
Da das P. ein Spezialgesetz ist, so bedarf es 
zu seiner Wirksamkeit der Publikation. Deshalb 
sind im konstitutionellen Staate, in welchem über 
die Publikation von Gesetzen bestimmte Normen 
bestehen, diese zu erfüllen, sofern nicht etwa für 
gewisse Arten von P., wie in Preußen 
(G v. 10. 4. 72) Ausnahmen gemacht sind. Wo aber 
das Recht der Privilegienerteilung dem Landes- 
herrn (I] und einzelnen Verw Behörden noch aus 
der früheren Zeit bewahrt geblieben oder ihnen 
delegiert ist, wird mangels besonderer Vorschrift 
als Publikation jeder Akt genügen, durch welchen 
das P. zum Zwecke seiner Anwendung in der 
Art aus der Hand des Verleihers gegeben wird, 
daß die auf die Geltung desselben gerichtete Ab- 
sicht des Verleihers in die äußere Erscheinung 
tritt. Mehr als das letztere, also eine irgendwie 
erfolgte Ausgabe des P. ist auch nach dem 
Kirchenrecht nicht erforderlich, aber ebenso nötig. 
Andererseits wirkt aber das P. unter der Vor- 
aussetzung der gedachten Ausgabe, wenn es in 
der herkömmlichen Weise nach besonderer kir- 
chenrechtlicher Bestimmung ausgefertigt ist, vom 
Tage der Bewilligung des Papstes ab. Dies er- 
klärt sich aus den besonderen Vorschriften des 
Kirchenrechts über die Art der Ausfertigung von 
päpstlichen Gnadenbewilligungen, und daher ist 
diese Regel nicht ohne weiteres auf das staatliche 
Gebiet übertragbar. 
Die Wirkung des P. bestimmt sich natur- 
 
	        
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