Privilegium
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Verwaltung das Recht der P. Erteilung zukam,
es müßte denn ein besonderer Vorbehalt für die
Fortdauer dieses Rechts gemacht worden sein.
Auch für das Gebiet des Reichsrechts kann eine
andere Theorie über die Begründung von P.
nicht gelten. Denn auch in ihm findet der Grund-
satz von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung seine
volle Anwendung (vgl. noch Fleiner 122 f und
Kipp-Windscheid 686 f).
4. Arten und Einteilungen.
Man unterscheidet privilegia contra lus und privllegla
pPraeter ius oder ultra lus, je nachdem sie eine Vorschrift
des jdus commune beseitigen oder bloß neben demselben
hergehen, obwohl es zum Wesen des P. gehört, daß es vom
gemeinen Recht abweicht und es gleichgültig ist, ob es einen
ausdrücklich formulierten Satz des letzteren oder nur die
aus demselben folgenden Konsequenzen aufhebt. Daher
entbehrt die Einteilung eines zwingenden inneren Grundes.
Dagegen ist die Einteilung in privilegia personalla und
realia, je nachdem dieselben einer einzelnen Person oder
andererseits einem Grundstücke, einer Kirche, einem Amte
oder'einem Orte zustehen, berechtigt. Die sog. privilegla
mixzta, b. h. solche, welche einer juristischen Person, einem
eorpus ober auch einer Gemeinschaft von Personen in der
Art verliehen sind, daß selbst jeder, welcher später zu der
letzteren gehört, sich ihrer bedienen kann, sind in der Tat
persönliche P., und wenn man andererseits auch P., welche
an eine Sache geknüpft, aber durch eine gewisse Eigen-
schaft des Besitzers, z. B. durch Zugehörigkeit zu einer be-
stimmten Konfession bedingt sind, als mirta bezeichnet hat,
so fallen diese unter die Klasse der privilegia realla (A. A.
Dernburg, Pand. 1, 1985). Mit Rücksicht auf das Motiv
der Einteilung scheidet man die P. in privllegia conven-
tionalia und pura, je nachdem sie auf Grund eines Ver-
trages mit Gegenleistung oder ohne einen solchen gewährt
werden, ferner in privilegia gratiosa und remuneratoria,
je nachdem das Motiv eine bloße Gunstbezeigung oder
andererseits eine Entlohnung oder Vergeltung bildet. Von
weiteren Einteilungen sind noch zu nennen: die in privllegla
perpetua und temporalia (let6tere sind nicht nur die auf Zeit,
sondern auch unter einer Resolutivbedingung gewährten),
die in privilegia affirmativa und negativa (die ersteren
gewähren eine subiektive Befugnis, die letzteren gestatten
entweder eine Unterlassung oder befreien von einer Lei-
stung), endlich die in privilegia favorabilia und odiosa. Die
ersteren sind solche, welche sich als eine Begünstigung dar-
sftellen, die letzteren enthalten eine rechtliche Zurücksetzung
desienigen, welchen sie betreffen (wie z. B. Berbannungs-
dekrete gegen bestimmte Familien, wie der Bonapartes
und der Orleans). Das kanonische Recht kennt nur die
erstere Klasse, und die älteren Kanonisten verstehen unter
den privilegia odiosa solche, welche dritten Personen lästig
sind (c. 1 in VIo III, 7; c. 10 X V. 33). Im übrigen gilt auch
hier, daß die vom Kirchenrecht mit großer Sorgfalt ausge-
bildeten Arten und Einteilungen der P. nicht überall ohne
weiteres oder teilweise nur mit veränderter Bedeutung
auf das Gebiet des staatlichen Rechts übertragbar sind.
&5. Form und Wirkung. Nur das Kirchenrecht
hat feste Normen über die Form der Ertei-
lung der P. entwickelt. Die regelmäßige Form
ist die schriftliche in der Gestalt eines sog. rescrip-
tum gratiae und zwar wird dies gewöhnlich als
Breve, freilich mitunter auch als Bulle ausge-
fertigt. Eine mündliche Erteilung (vivae vocis
oraculo) führt aber keine Nichtigkeit herbei,
wennschon sie jetzt nicht mehr üblich ist. Was das
staatliche Recht betrifft, so bedarf es der für recht-
lich relevante Willensäußerungen bestimmten
Form, welcher sich das sie erteilende Organ sonst
bedient, also jedenfalls der Schriftform. Nach
dem Kirchenrecht kann die Gewährung erfolgen
motu proprio oder ad preces (ad instantiam).
Im ersteren Falle bleibt das P. wirksam, auch
wenn sich die Gründe, aus welchen dasselbe er-
teilt wird, als hinfällig erweisen, während im
anderen die Gültigkeit des P. davon abhängt,
daß die vom Bittsteller zur Begründung seines
Gesuchs vorgetragenen Tatsachen der Wahrheit
entsprechen und nichts Wesentliches verschwiegen
worden ist. Auch für das staatliche, namentlich
das gemeine Recht wird angenommen, daß die
Sub= und Obreption der betreffenden Tatsachen
dieselbe Wirkung äußert. (Dernburg, Pand.
I, 199). Für das gemeine Recht hat man hier die
Grundsätze über die römischen Reskripte ange-
wendet. Doch kann nur derjenige, welcher das P.
erteilt hat, nicht der Richter, darüber befinden,
ob die verschwiegenen oder entstellten Tatsachen
für die Gewährung wesentlich waren. Für die
im Wege des Gesetzes im konstitutionellen Staat
erteilten P. entfällt die Frage, da Gesetze nur
wieder durch Gesetze beseitigt werden können.
Das Kirchenrecht kennt ferner als eine besondere
Art der Verleihung die communicatio privile-
giorum, d. h. Uebertragung eines schon einem be-
stimmten Begünstigten verliehenen P. auf eine
andere Person. Wird diese so vorgenommen,
daß das neue in völliger Abhängigkeit von dem
früheren steht, also eine Erweiterung oder Min-
derung oder ein Erlöschen des letzteren auch von
selbst für das spätere wirksam wird, so spricht man
von extensio privilegil. Die Ccommunicatio ad
instar ist die Verleihung eines neuen P. durch
Bezugnahme auf ein älteres, ohne nähere Angabe
des Inhalts, so daß sich dieser durch das letztere
bestimmt. Dabei kann das neue, wie bei der
extensio, ebenfalls in die gedachte Abhängigkeit
gesetzt werden, doch gilt dies nicht als Regel.
Da das P. ein Spezialgesetz ist, so bedarf es
zu seiner Wirksamkeit der Publikation. Deshalb
sind im konstitutionellen Staate, in welchem über
die Publikation von Gesetzen bestimmte Normen
bestehen, diese zu erfüllen, sofern nicht etwa für
gewisse Arten von P., wie in Preußen
(G v. 10. 4. 72) Ausnahmen gemacht sind. Wo aber
das Recht der Privilegienerteilung dem Landes-
herrn (I] und einzelnen Verw Behörden noch aus
der früheren Zeit bewahrt geblieben oder ihnen
delegiert ist, wird mangels besonderer Vorschrift
als Publikation jeder Akt genügen, durch welchen
das P. zum Zwecke seiner Anwendung in der
Art aus der Hand des Verleihers gegeben wird,
daß die auf die Geltung desselben gerichtete Ab-
sicht des Verleihers in die äußere Erscheinung
tritt. Mehr als das letztere, also eine irgendwie
erfolgte Ausgabe des P. ist auch nach dem
Kirchenrecht nicht erforderlich, aber ebenso nötig.
Andererseits wirkt aber das P. unter der Vor-
aussetzung der gedachten Ausgabe, wenn es in
der herkömmlichen Weise nach besonderer kir-
chenrechtlicher Bestimmung ausgefertigt ist, vom
Tage der Bewilligung des Papstes ab. Dies er-
klärt sich aus den besonderen Vorschriften des
Kirchenrechts über die Art der Ausfertigung von
päpstlichen Gnadenbewilligungen, und daher ist
diese Regel nicht ohne weiteres auf das staatliche
Gebiet übertragbar.
Die Wirkung des P. bestimmt sich natur-