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lichen Auffassung aus: die ö. S. sind entweder
res nullius, eigentumsunfähig, oder sie stehen im
Eigentum des Staates, in privatrechtlichem selbst-
verständlich, das nur durch einen privatrechtlichen
Spezialrechtssatz extra commercium gestellt ist,
um wenigstens den störendsten Rechtsbegründun-
*1 durch Rechtsgeschäft oder Ersitzung entzogen
u sein.
- II. Die Theorie des Polizeistaates brachte
aber die kräftige Idee des staatlichen Hoheits-
rechts hinein. Der Staat beherrscht die ö. S.
für ihren Zweck mittels seiner Pol Gewalt; die ist
die Hauptsache und überall gleichmäßig machtvoll
entwickelt. Im übrigen kann dann die ö. S. res
nullius sein (Ströme) oder einem Privaten oder
einem Wegeverband, einer Gemeinde gehören,
oder auch kann sie im privatrechtlichen Eigentum
des niedrigeren Zwillingsbruders des Staates
stehen, des Fiskus (JI. Im letzteren Falle befiehlt
dann der Staat dem Fiskus, wie er seine Sache
zu verwalten und in Stand zu halten hat. Das
Privatrecht aber fügt ergänzend hinzu die herge-
brachte Extrakommerzialität dieser besonders ge-
arteten fiskalischen Sache.
III. Die neuere Zeit hat mit der Annahme
einer vom „eigentlichen Staate“ gesonderten Fis-
kuspersönlichkeit gebrochen. Die Durcharbeitung
der daraus sich ergebenden Folgerungen ist noch
im Gang. Erklärlicherweise war man zunächst ge-
neigt, die gewohnte Auffassungsweise möglichst
beizubehalten. Man setzte einfach den Staat, der
den Polhesitz an der 5. S. übte, zugleich an die
leergewordene Stelle des Fiskus als des privat-
rechtlichen Eigentümers. Jetzt steht also der Staat
seiner Sache, Straße oder Festungswerk, in
doppelter Eigenschaft gegenüber: sie gehört ihm
gleichzeitig nach öffentlichem Recht und
nach Zivilrecht. Dabei ist aus der früheren Rechts-
gestaltung auch noch die Auffassung geblieben, daß
die Inanhpruchnahme der Sache durch den Staat
für seine öffentlichen Zwecke den Eigentümer be-
lastet; man spricht noch von einer Pflicht, die
Sache dafür bereit zu halten, von einer Aufer-
legung von Leistungen durch „das öffentliche
Recht"“. Seitdem der Staat selber Eigentümer
der Sache ist, kommt das alles recht künstlich und
gequält heraus.
In der geraden Linie liegt allein der Begriff
des öffentlichen Eigentums: indem
die Herrschaft des Staates über die Sache nicht mehr
bloß Polizeibesitz (§& 1) ist, sonderrn nach Wegfall des
Fiskus mit ihrer öffentlich-rechtlichen Natur das
ganze Recht an der Sache umfaßt, muß einfach
nun dieses ganze Recht nach öffentlichrechtlichen
Regeln behandelt werden. Das will sagen, da
es sich um ein dingliches Recht handelt: alle wegen
der Sache zu anderen Rechtssubjekten entstehen-
den Verhältnisse sind nach öffentlichem Rechte ge-
ordnet, nicht mehr nach Zivilrecht. Aufgabe des
Verwechts ist es allerdings, dieses öffentliche
Sachenrecht in seinen Einzelheiten aufzuweisen;
die Formen der Verfügung über die Sache, wie
die des Rechtsschutzes, Verleihungen, Mitbenut-
zungsrechte, Gemeingebrauch, Erlaubnisse, Ab-
grenzungsakte und die mancherlei Gestalten der
Polizei der ö. S. sorgen genügend dafür, daß hier
keine Leere entsteht.
Mit der Einführung des Bürger-
lichen Gesetzbuches ist die Entscheidung
Oeffentliche Sachen
eine dringlichere Frage geworden. Denn das BGB
kennt für Sachen, die dem Privatrecht unterliegen,
keine Ausnahmen von der Ersitzung, von den
formellen Wirkungen der Grundbuchseinträge,
von den gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen,
vor allem aber auch nicht von der unbedingten
Herausgabepflicht des durch das Zivilgericht zu
verurteilenden Nichteigentümers. Die 5. S., so-
fern sie privatrechtliches Eigentum zur selbstver-
ständlichen Grundlage hat, sind nicht mehr extra
commercium. Eine gewisse Verwirrung ist in-
folgedessen entstanden. Während ein Teil der
Verfechter jener privatrechtlichen Grundlage folge-
richtig auf den althergebrachten besonderen Schutz
der ö. S. verzichtet, sucht man wieder von anderer
Seite mit mehr oder weniger Gewalt und Müh-
seligkeit diesen Schutz doch wieder beizubehalten.
IV. Eine sichere und befriedigende, zugleich auch
vollkommen zweckentsprechende Lösung der Schwie-
rigkeit gibt einzig die Lehre vom öffentlich-recht-
lichen dinglichen Recht. Sie enthält zugleich die
Rückkehr zum echten ursprünglichen römischen
Recht und die Anknüpfung an das domaine
publio des französischen Rechts.
3. d und Aufhebung der Eigen-
Hceelt einer öffentlichen Sache. Der Entstehung
er vielen 5. S., die aus früheren Stufen unserer
Rechtsentwicklung stammen, braucht hier nicht
nachgegangen zu werden. Neu entstehen solche
immer nur in der Weise, daß das Subiekt öffent-
licher Verwaltung das in geeigneter Weise her-
erichtete Grundstück in den Dienst seines be-
timmten öffentlichen Zweckes stellt und damit
zugleich die Ausübung der besonderen polizei-
lichen Schutz= und Ordnungsgewalt über sie er-
öffnet (WWidmung der öffentlichen
Sache). Der Vorgang ist wesentlich Tatsache,
ohne alle Rechtsgeschäftsnatur. Irgendwelche
obrigkeitliche Aussprüche und Kundgaben sind dazu
nicht erforderlich. Es ist Zweckmäßigkeitsfrage,
inwieweit man Bekanntmachungen damit verbin-
det; Geschmackssache, wie weit eine Feierlichkeit
dabei stattfinden soll. Besitz des Staates, und
zwar Besitz öffentlich-rechtlicher Natur, ist als-
dann immer gegeben. Nach öffentlich-rechtlichen
Grundsätzen ist von nun an auch jedes darüber
hinausgehende dingliche Herrschaftsrecht des Staa-
tes an dieser Sache zu behandeln, Eigentum oder
Dienstbarkeit. Auf welchen Rechtstitel diese ge-
gründet sind, ist gleichgültig. Das Eigentum kann
schon früher bestanden haben, dann war es bis
zur Widmung privatrechtlicher Natur. Es kann
erst nachträglich noch hinzuerworben werden;
dann bestand bis dahin die 5. S. lediglich auf
Grund des öffentlich-rechtlichen Besitzes und das
Eigentum des Staates wird sofort mit seinem
Erwerbe — gleichviel, ob er durch Vertrag oder
wurch Ersitzung geschieht — ein öffentlich-rechtliches
ein.
Die 5. S. verliert ihre Eigenschaft dadurch, daß
sie dem besonderen öffentlichen Zweck wieder ent-
zogen, außer Dienst gestellt wird Ausfshebung,
Auflassung, Einziehung, Unter-
drückung der ö. S.). Das ist eine Maßregel
des Herrn der ö. S., der die ihm zustehende öffent-
liche Verwaltung jetzt nicht mehr durch diese
Sache führen will. Auch die Aufhebung hat nichts
Rechtsgeschäftliches, nichts von obrigkeitlicher An-
ordnung; sie ist nur ein tatsächliches Andersbe-