Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Rechtsanwalt 
  
Berfahren durch Teilnahme der Staatsanwalt- 
schaft und an der Rechtsprechung II. Instanz aus- 
übt. Deshalb findet auch die Bestimmung des 
5 360 Ziff. 8 StGB auf denjenigen Anwendung, 
der unbefugt den Titel „Rechtsanwalt“ annimmt. 
Die öffentlich-rechtliche Stellung des R. läßt 
es auch nicht zu, die Ausübung seines Berufes als 
ein Gewerbe anzusehen: seine Ziele sind nicht 
und dürfen nicht auf den Erwerb gerichtet sein. 
Deshalb untersteht seine berufliche Tätigkeit eben- 
sowenig der Gewerbegesetzgebung wie dem Gesetz 
zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. 
8 2. Zugehörigkeit. Die Fähigkeit zur Rechts- 
anwaltschaft setzt die Fähigkeit zum Richteramt (N#I 
voraus. Es dürfen keine geringeren Anforderun- 
en bezüglich der Befähigung zur Rechtsanwalt- 
schaft estellt werden als hinsichtlich der Befähigung 
zum Hchteramt (R.O & 1). Aber auch keine 
höheren, denn wer die Fähigkeit zum Richteramt 
in einem Bundesstaat erlangt hat, kann in 
jedem Bundesstaate zur Rechtsanwaltschaft zuge- 
lassen werden (§ 2). Dieser wichtige Grundsatz, 
welcher nicht nur die Vorbildung sondern auch 
mittelbar die persönliche und gesellschaftliche Wür- 
digung und damit das Ansehen des ganzen Stan- 
des betrifft, unterscheidet die jetzige Rechtsanwalt- 
schaft sowohl von der früheren (bezüglich deren 
in einigen Bundesstaaten, z. B. Oldenburg und 
Mecklenburg, eine geringere Qualifikation als für 
das Richteramt, in anderen, z. B. Baden, eine 
weitergehende erfordert worden ist) als auch von der 
des Auslandes, z. B. Oesterreich, das eine andere 
Vorbildung für Richter wie für R. vorsieht. 
Wer die Fähigkeit zum Richteramt erlangt hat, 
kann mithin die Zulassung in jedem Bundes- 
staate beantragen. Ueber den Antrag entscheidet 
die Landesjustizverwaltung nach gutachtlicher An- 
hörung der Anwaltskammer ( 3). 
Ueber den Antrag auf Zulassung ist — nach 
dem zweiten wichtigen Grundsatz des Gesetzes, 
der Freigebung der Rechtsan walt- 
schaft — rneicht nach freiem Ermessen zu ent- 
scheiden, sondern ausschließlich in den vom Gesetz 
genannten Fällen muß (5 5), in anderen kann 
(56 6, 14) die Zulassung versagt werden. Die 
Gründe liegen entweder in der Person des An- 
tragstellers (§ 5), z. B. bei Unfähigkeit zur Be- 
kleidung öffentlicher Aemter, oder im Interesse 
der Rechtspflege (§+ 14, wenn ein dem Antrag- 
steller verwandter Richter bei dem Gericht ange- 
stellt ist). Auf Verlangen des Antragstellers ist 
über den Grund der Versagung im ehrengericht- 
lichen Verfahren zu entscheiden (§X 16). Keines- 
falls darf die Zulassung wegen mangelnden Be- 
dürfnisses versagt werden (F 13). Mit diesem 
Grundsatz, über dessen Berechtigung nach mehr 
als dreißigjähriger Uebung z. Z. heftig gestritten 
wird, (unten & 7 a. E.) ist die Abschaffung des 
numerus clausus zum Auzsdruck gebracht, der 
bis dahin in großen Teilen des Reichsgebiets in 
Geltung war. Eine Ausnahme besteht für die 
Rechtsanwaltschaft bei dem Reichsgericht; dort 
erfolgt die Zulassung durch das Präsidium des 
Reichsgerichts nach freiem Ermessen (& 99). 
Wie die Gewährung der Zulassung, so ist auch 
ihre Rücknahme unter bestimmten, vom 
Gesetz geregelten Voraussetzungen obligatorisch 
(X* 21), z. B. wenn gewisse Gründe sich eingestellt 
haben, die, falls sie z. Z. der Zulassung bestanden 
  
  
hätten, zur Versagung geführt haben müßten, 
oder fakultativ (5 22, wenn der R. infolge gericht- 
licher Anordnung in der Verfügung über sein 
Vermögen beschränkt ist). Auch die Zurücknahme 
der Zulassung erfolgt durch die Landesjustizver- 
waltung, und zwar nach Anhörung des R. und 
des Vorstandes der Anwaltskammer. 
Für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft ist 
maßgebend das Prinzip der Lokalisie- 
rung. Nach § 78 8PO müssen die Parteien 
sich vor den Landgerichten und vor allen höheren 
Instanzen durch einen bei dem Prozeßgericht zu- 
gelassenen R. als Prozeßbevollmächtigten vertre- 
ten lassen (Anwaltsprozeß). Dieser An- 
waltszwang und die Natur des durch die Zivil- 
prozeßordnung weiterhin vorgeschriebenen Ver- 
fahrens legen die Vorbereitung und den Betrieb 
des Prozesses in die Hände des Anwalts. Hieraus 
ergibt sich, wie die Motive hervorheben, das Be- 
dürfnis einer steten Leichtigkeit und Unmittelbar- 
keit des Verkehrs sowohl der Parteien mit dem 
Anwalt als des Anwalts mit dem Gericht. Für 
den Prozeßbetrieb bilden die Gerichte und die 
Rechtsanwaltschaft gewissermaßen eine Einheit, 
ein zusammengehöriges Ganzes. Daraus ergibt 
sich die Notwendigkeit, daß der R. seine Prozeß- 
praxis ausschließlich den bei diesem Gerichte zu 
führenden Sachen widmet. Dieses eine bestimmte 
Gericht, bei welchem die Zulassung erfolgt, muß 
nicht ein Kollegialgericht sondern darf auch ein 
Amtsgericht sein (§ 8). Ausnahmsweise kann unter 
bestimmten Voraussetzungen die Zulassung auch 
bei einem zweiten Gericht erfolgen (S# 9—12), 
doch sind die Voraussetzungen so geregelt, daß 
diese Bestimmungen ihre praktische Bedeutung 
verloren haben. 
Im Zusammenhange mit den Vorschriften über 
die Lokalisierung steht die Bestimmung, daß der 
R. an den Orten des Gerichts, bei welchen er zu- 
gelassen ist, seinen Wohnsitz zu nehmen hat (5 18). 
Bei diesem Gericht wird auch eine Liste der zu- 
gelassenen R. geführt. Erst mit der Eintragung 
in die Liste beginnt die Befugnis der Ausübung 
der Rechtsanwaltschaft (§ 20). 
8 3. Rechte und Pflichten. 
I. Der R. ist befugt, in den Sachen, auf welche 
die Strafprozeßordnung, die Zivilprozeßordnung 
und die Konkursordnung Anwendung finden, vor 
jedem Gericht innerhalb des Reiches (also nicht 
auch vor den Konsulargerichten oder den Ge- 
richten der Schutzgebiete) Verteidigungen zu füh- 
ren, als Beistand aufzutreten und, insoweit eine 
Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, die 
Vertretung zu übernehmen (§ 26), auch kann 
innerhalb des Anwaltsprozesses ein bei dem Pro- 
zeßgericht nicht zugelassener R. die Vertretung als 
Prozeßbevollmächtigter übernehmen (§ 27). Da- 
mit ist allgemein die Befugnis zu dem Auftreten 
vor den ordentlichen Gerichten gewährt, während 
ein Auftreten vor den Sondergerichten nur inso- 
weit dem R. gewährt ist, als die Bestimmungen 
der Zivilprozeßordnung oder der Strafprozeßord- 
nung auf Sondergerichte für anwendbar erklärt 
sind, aber auch hier wiederum mit Ausnahme der 
Gewerbe= und Kaufmannegerichte [/|, von wel- 
chen die Anwälte ausgeschlossen sind. Es darf so- 
mit jeder deutsche R. (mit Ausnahme der Reichs- 
gerichtsanwälte) in Zivilsachen vor jedem Amts- 
gericht und bei dem Kollegialgericht, bei welchem
	        
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