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Rechtsanwalt
(5 48). Die Geschäftsordnung ist nicht ztenene
sie ist aber überall festgestellt. Auch die Beschlüsse
der Kammer werden nach absoluter Stimmen-
mehrheit gefaßt (&+ 54).
Ueber die Räumlichkeiten, in welchen die Ver-
sammlungen der Kammer und des Vorstandes
zusammentreten sollen, ist in dem Gesetz eine
Bestimmung nicht getroffen. Nach den Motiven
aber ist es für wünschenswert erklärt, daß die durch
das Gesetz gegebene Organisation auch äußerlich
in derjenigen Gestalt zur Erscheinung kommt,
welche ihrer Bedeutung entspricht. Es wird des-
halb auf die Zweckmäßigkeit hingewiesen, die Ver-
sammlungen der Kammer wie des Vorstandes
in den Räumlichkeiten der Gerichte stattfinden zu
lassen (Motive S 73).
55. Ehrengerichtliches Verfahren.
lI. Voraussetzungen. Ein R., der die
ihm obliegenden Pflichten verletzt, hat die ehren-
gerichtliche Bestrafung verwirkt (§ 62). Hierher
gehören nicht die leichteren Pflichtverletzungen, die
nach der ständigen Judikatur vermöge des dem Vor-
stande nach § 49 Ziff. 1 gewährten Aufsichtsrechts
zu beurteilen sind („Mißbilligung“ vgl. Wreschner,
Bl. f. Rechtspflege 15, 1); dagegen die Verletzung
von Pflichten, die außerdem noch mit krimineller
Strafe bedroht sind, so der Verstoß gegen das
Schweigegebot (§ 300 St G), wissentliche Ueber-
hebung von Gebühren (5 352 St G), pflicht-
widrige Tätigkeit durch Rat oder Beistand an
beide Parteien in derselben Sache (Prävarikation
des § 356 St GB). Es genügt zur ehrengericht-
lichen Strafbarkeit schon Fahrlässigkeit.
Die Verfolgung geschieht von Amts wegen, sie
beschränkt sich aber auf Handlungen, die ein R.
in dieser Eigenschaft nach seiner Zulassung be-
gangen hat, und erstreckt sich auf frühere Hand-
ungen nur dann, wenn diese die Ausschließung
von der Rechtsanwaltschaft begründen (§5 64).
Schwebt ein öffentliches Strafverfahren gegen
einen R., so wird das ehrengerichtliche Verfahren
zunächst nicht eröffnet oder nach erfolgter Eröff-
nung ausgesetzt. Bei Freisprechung im Straf-
verfahren findet ein ehrengerichtliches Verfahren
nur insofern statt, als die im Strafverfahren be-
reits erörterten Tatsachen an sich und unabhängig
von dem Tatbestand einer im Strafgesetze vorge-
sehenen Handlung die ehrengerichtliche Bestrafung
begründen. Bei Verurteilung im Strafverfahren
zu einer Strafe, welche die Unfähigkeit zur Aus-
Übung der Rechtsanwaltschaft zur Folge hat (88 31,
33, 35, 36 St GB5, tritt mit der Rechtskraft des Ur-
teils diese Unfähigkeit von selbst ein. In allen an-
deren Fällen der Verurteilung beschließt das Ehren-
gericht, ob außerdem das ehrengerichtliche Verfah-
ren zu eröffnen oder fortzusetzen sei (§ 65).
II. Das ehrengerichtliche Verfahren kennt zwei
Instanzen. Als erste Instanz ist ausschließlich
das Ehrengericht zuständig, das in der
Besetzung von 5 Mitgliedern entscheidet. Die
Mitglieder des Ehrengerichts werden vom Vor-
stande aus seiner Mitte gewählt. Der Vorsitzende
und stellvertretende Vorsitzende gehören ihm ohne
Wahl kraft Gesetzes an (5 67). Zuständig ist das
Ehrengericht der Kammer, welcher der Angeschul-
digte z. Z. der Erhebung der Klage angehört
(568). Als Berufungsinstanz fungiert der Ehren-
gerichtshof in Leivzig; er besteht aus dem
Präsidenten, 2 Senatspräsidenten und 6 Mit-
gliedern des Reichsgerichts sowie aus 6 Mitglie-
dern der Anwaltskammer bei dem Reichsgericht.
Jeder der zwei Senate des Ehrengerichtshofes ent-
scheidet in der Besetzung von 7 Mitgliedern. Den
Vorsitz führt im ersten Senat der Präsident des
Reichsgerichts, im zweiten Senat ein Senats-
präsident, die übrigen 6 Mitglieder bestehen aus
je 3 Mitgliedern des Reichsgerichts und 3 Mit-
gliedern der Anwaltskammer bei dem Reichs-
gericht. Die Bestimmung der richterlichen Mit-
glieder und die Verteilung der Geschäfte erfolgt
nach §§ 62, 63, 133. Die Mitglieder der Anwalts-
kammer werden von dieser, und zwar für jeden
der Senate vor Beginn des Geschäftsjahres für
dessen Dauer gewählt (§ 90, in der Fassung d. G
v. 22. 5. 10 betr. Aenderung der R.O).
Das ehrengerichtliche Verfahren iichtet
sich nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung
bis auf einige von der R.Ordnung besonders her-
vorgehobene abweichende Bestimmungen. Die
Anklage oder der Antrag auf Eröffnung der Vor-
untersuchung geht von der Staatsanwaltschaft
bei dem Oberlandesgericht (bei dem Ehrengerichts-
hofe von der Staatsanwaltschaft bei dem Reichs-
gericht) aus. Wenn das Ehrengericht den Antrag
auf Eröffnung der Voruntersuchung ablehnt, so
steht der Staatsanwaltschaft die sofortige Be-
schwerde, gegen die Eröffnung steht dem Ange-
schuldigten die Beschwerde, aber nur wegen Un-
zuständigkeit des Ehrengerichts, zu (& 69). Die
Voruntersuchung wird durch einen vom Präsi-
denten des Oberlandesgerichts beauftragten Rich-
ter geführt (5 71). Die Vernehmung der Zeugen
und Sachverständigen richtet sich nach den Be-
stimmungen der Strafprozeßordnung. Die Be-
eidigung kann aber hier auch in der Vorunter-
suchung erfolgen (§5 73).
Eine Verhaftung, vorläufige Festnahme oder
Vorführung des Angeschuldigten ist unzulässig
(5 72). Nach Abschluß der Voruntersuchung sind
dem Angeschuldigten auf seinen Antrag die Er-
gebnisse des Verfahrens mitzuteilen (§ 75). In
der Hauptverhandlung fungiert als Gerichts-
schreiber ein von dem Vorsitzenden zugezogener
R. (5 81). Die Hauptverhandlung ist grundsätz-
lich nicht öffentlich, nur Mitglieder der Kammer
sind als Zuhörer zuzulassen, nach Ermessen des
Vorsitzenden auf Antrag des Angeklagten auch
andere Personen ( 82).
Das Ehrengericht kann das persönliche Erschei-
nen des Angeklagten unter der Verwarnung an-
ordnen, daß bei seinem Ausbleiben ein Vertreter
nicht werde zugelassen werden (5 83). Die Ver-
nehmung von Zeugen und Sachverständigen kann
sowohl in der Hauptverhandlung erfolgen, wie
auch durch einen ersuchten Richter (§ 86). Um
Verhängung von Zwangsmaßregeln aber sowie
um Festsetzung von Strafen gegen Zeugen und
Sachverständige ist das amtierende Gericht des
Aufenthaltsorts zu ersuchen (§5 87). Geldstrafen
fließen zur Kasse der Kammer; ihre Vollstreckung
wird von dem Schriftführer des Vorstandes nach
den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung
der Zivilprozeßordnung betrieben (§8 97). Erfolgt
eine Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft, so
wird diese, sobald das Urteil rechtskräftig ist, von
dem Schriftführer mit der Bescheinigung der Voll-
streckbarkeit sowohl dem Gericht der Zulassung wie
der Landesjustizverwaltung mitgeteilt (§ 96).