Rechtsweg und Kompetenzkonflikt (Sachsen)
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den Bezirk, die Gemeinde, eine Kirchengemeinde
oder kirchliche Stiftung, ebenso über Ansprüche
ihrer Hinterbliebenen auf Gnadengenuß und Pen-
sion haben seit Erlaß des VRPflG (821) und des G
v. 25. 5. 02 (§ 1) die Verw Gerichte zu entscheiden.
3. Für die vermögensrechtlichen Ansprüche der
Geistlichen (vgl. G v. 3. 5. 92 §5 19), der Lehrer
(ugl. JB 8, 153 und Wenglers Arch. 1879, S
180 f) und der Hofbeamten aus ihrem Dienst-
verhältnisse ist indessen der RW gegeben.
4. Im Disziplinarverfahren gegen Staats-
diener ist der RW im allgemeinen ausgeschlossen;
nach G v. 7. 3. 38 5 30 können aber Staatsdiener,
die auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes
ihrer Stelle entsetzt oder entlassen sind, binnen
Jahresfrist bei dem ordentlichen Gerichte eine
Schadenklage anbringen, wenn die Vorschriften
über das Verfahren verletzt sind. Dies dürfte auf
Bezirksbeamte, Gemeindebeamte, Geistliche, kirch-
liche Unterbeamte und Lehrer entsprechend anzu-
wenden sein.
5. Nach einer den allgemeinen Grundsatz durch-
brechenden Vorschrift in 5 7 AG haben die ordent-
lichen Gerichte zu entscheiden, wenn jemand we-
en Mißbrauchs der Amtsgewalt oder wegen
sonpiger Verletzung der einem öffentlichen Be-
amten obliegenden Amtspflicht, insbesondere
wegen Unterlassung einer Amtshandlung Scha-
densersatz (BGB 5• 839) oder Herstellung des vori-
gen Standes fordert. Soweit der Staat oder die
Gemeinde usw. haften (vgl. EG z. BGB a 77,
Sächs. BGB 5KF 1507), kann nach der in der Ent-
stehungsgeschichte des AG Anhalt findenden all-
gemeinen Ansicht, die Klage gegen den Beamten
oder die haftende Körperschaft oder auch gegen
beide zugleich erhoben werden.
Wenn in einer öffentlichen Kasse Gelder
fehlen, die nach den Unterlagen vorhanden sein
müßten (wirkliches Defekt IN), so haben die dem
Rechnungsführer vorgesetzten Behörden die Be-
fugnis, die Gelder im Zwangsverfahren beizu-
treiben (AG #D 2, 3, 19 Ziff. 3), doch bleibt dem
Rechnungsführer vorbehalten, seine Ansprüche
im RW geltend zu machen. Wenn es sich aber
darum handelt, daß der Rechnungsführer durch
sein Verschulden Einnahmen vereitelt hat, so
kann Ersatz von ihm nur im RW beansprucht wer-
den. Dasselbe gilt für wirkliche Defekte, wenn der
Rechnungsführer nicht mehr im Amte ist. Der
Oberrechnungskammer steht die der vormaligen
Oberrechmungsdeputation verliehene Befugnis
zur Einleitung des Zwangsverfahrens nicht mehr
zu (G v. 30. 6. 04 + 19).
B. Kompetenzkonflikt
6 8. Geschichtliche Eutwicklung.
Bestimmungen über die Entscheidung von Kompetenz-
streitigkeiten zwischen Justiz= und Berw Behörden machten
sich erst mit Einführung der VBerfassung erforderlich, weil
bis dahin eine Trennung von Rechtspflege und Verwaltung
selbst in den obersten Instanzen nicht durchgeführt war. Eine
gegensätzliche Auffassung zwischen Regierung und Ständen
über die Entscheidung solcher „Kompetenzzweifsel“ beseitigte
zunächst 3 47 Abf 2 Bu: „Ueber Kompetenzzweifel zwi-
schen den Justiz, und VerwBehörden entscheidet in letzter
Instanz eine besondere Behörde, deren Organisation durch
ein Gesetz bestimmt wird und deren Mitglieder zur Hälfte
aus Räten des obersten Justizhofes bestehen müssen.“ Bei
v. Stengel- Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl.
der provisorischen Organisation der Behörden wurde die
Entscheidung durch die B v. 16. 11. 31 dem Staatsrate
übertragen. Um die nach der Verfassung erforderliche
Parität herzustellen, sollte jedoch für solche Fälle eine An-
zahl seiner Mitglieder durch solche der oberen Justizbehörden
ersetzt werden. Da aber die sämtlichen Staats Min dem
Staatsrate auch in dieser Zusammensetzung angehörten,
so erledigten sich die Bedenken der Stände durch diese
Regelung der Sache keineswegs. Trotzdem schlug die Re-
gierung dem nächsten Landtage (1833/4) in dem Entw zum
Ac# vor, die Einrichtung zu einer bleibenden zu machen.
Der Staatsrat sollte jedoch nur dann entscheiden, wenn
keine Bereinigung zwischen dem Justiz Min und dem betei-
ligten Berw Min erfolgte. Die Stände nahmen diese Vor-
schläge zwar an, es wurde aber auf ihren Wunsch in 3 18 AG
ausdrücklich ausgesprochen, baß der Staatsrat nur einst-
weilen zuständig sein solle und daß beteiligte Privatpersonen
befugt seien, seine Entscheidung zu verlangen, selbst wenn
eine Bereinigung der beteiligten Ministerien erfolgt sei.
Durch das G v. 13. 6ö. 40 wurde eine besondere „Kommission
für die Entscheidungen über Kompetenzzweifel zwischen
Justiz= und VerwBehörden“ eingesetzt. Sie bestand aus
dem Präsidenten des Oberappellationsgerichts als Vor-
sitzendem, drei Oberappellationsräten und vier Ministerial-
räten aus den Verw Ministerien. Der Grundsatz, daß eine
Einigung zwischen den beteiligten Ministerien das Eingrei-
fen der Kommission ausschloß, wurde beibehalten. Das
Justiz Min konnte also die Gerichte anweisen, sich der Ent-
scheidung über eine Sache zu unterziehen, auch wenn sie
sich für unzuständig hielten, und die Entscheidung den
VerwBehörden zu überlassen, obwohl sie ihre Zuständigkeit
ausgesprochen hatten. Wenn indessen die Bereinigung der
Ministerien gegen die Ansicht des Gerichts dahin ging, daß
die Verw Behörde zuständig oder daß in einer Verw Sache
der #W auszgeschlossen sei, so konnte jede beteiligte Privat-
person die Entscheidung der Kommission verlangen.
Die Vorschriften blieben in Geltung bis 1 17 des GV
eine gründliche Umgestaltung erforderlich machte. Diese
erfolgte durch G v. 3. 3. 79, das in der Hauptsache noch jetzt
gilt, aber bei Einführung der VerwRechtspflege durch G
v. 19. 7. 00 in einigen Punkten abgeändert worden ist.
8 9. Das geltende Recht.
I. Der Kompetenzgerichtshof.
Für Kompetenzstreitigkeiten zwischen den
Gerichten einerseits und den VerwBehörden
oder den Verwerichten andererseits besteht ein
besonderer „Kompetenzgerichtshof“, der aber
nicht zur Entscheidung über die Streitfrage be-
rufen ist, ob eine Sache zur Zuständigkeit der
Verwaltungsgerichte (# oder der Verw Behörden
gehört. Er ist zusammengesetzt aus elf vom Kö-
nige ernannten Mitgliedern, von denen sechs dem
Oberlandesgerichte angehören müssen, die ande-
ren fünf aber aus den Ministerialräten der Verw-
Ministerien zu entnehmen sind. Während früher
der Präsident des OL# den Vorsitz führte, werden
jetzt der Vorsitzende und sein Stellvertreter vom
Könige ernannt, damit die Möglichkeit geboten
ist, den Präsidenten des OVG die Leitung zu
übertragen. Bei der Entscheidung des einzelnen
Falles haben vier dem OL angehörende und
drei andere Mitglieder mitzuwirken. Die Reihen-
folge, in welcher die einzelnen Mitglieder teilzu-
nehmen haben, wird durch ein Regulativ bestimmt,
das von dem Gerichtshofe zu entwerfen ist, aber
der Bestätigung durch das Gesamt Min unterliegt
(Gv. 3. 3. 79 5 1; Gv. 19. 7. 00 5§ 88, 100).
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