Rechtsweg und Kompetenzkonflikt (Württemberg)
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D. Württemberg
I. Rechtsweg. 5 1. Geschichte. Grundsätzliches. # 2. Lan-
desgesetzgebung. — II. Kompetenzkonflikt # 3.
I. Rechtsweg
## 1. Geschichte, Grundsätzliches. Nach Maß-
gabe der Bestimmungen der Vul v. 25. 9. 1819
kam für die Geltendmachung eines verletzten sub-
jektiven Rechts nur der Rechtsschutz im gesetzlich
goordneten gerichtlichen Verfahren, der sog.
echtsweg in Frage; versagte dieser, so war
das bestrittene Recht der Entscheidung der Verw-
Behörden, dem sog. Verwaltungsweg,
anheimgegeben (5 95 V). Ein weiterer Schutz
war übrigens auch hier durch den Rekurs an den
Geheimen Rat (Vll ##60 Ziff. 1) für die Regel
in den Fällen gegeben, in denen der Beschwerde-
führer behauptete, daß er durch die Verfügung
eines Ministers nach Maßgabe der Vorschriften des
öffentlichen Rechts in einem ihm zustehenden
Rechte verletzt sei. Jetzt ist auf Grund des Ge-
setzes über die V R Pfl v. 16. 12. 76 der Gerichts-
barkeit der ordentlichen Gerichte, der Zivilgerichts-
barkeit, die Gerichtsbarkeit der Ver-
waltungsgerichte (Kreisregierungen und
VG#-h als gleichwertig zur Seite gestellt; es ist
daher jetzt der KW, der Verwaltungs-
rechtsweg und der VerwWeg zu unter-
scheiden. Die subjektiven Berechti-
gungen des öffentlichen Rechts
sind landesgesetzlich im Streitfall den Verw Ge-
richten zur Entscheidung überwiesen. Die ordent-
lichen wie die Verw Gerichte haben in erster Linie
selbständig über die Voraussetzungen ihrer Ge-
richtsbarkeit, über die Zulässigkeit des RW oder
VerwrW zu erkennen. KK zwischen den bürger-
lichen Gerichten und den Verwerichten und zwi-
schen den Verw Gerichten und den Verw Behörden
werden von dem gemäß & 17 GV# eingesetzten
Kompetenzgerichtshof nach den näheren Bestim-
mungen des G v. 25. 8. 79 entschieden.
Das Reichsrecht hat absichtlich eine Bestimmung
des Begriffs der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.
unterlassen und so die Feststellung dieses Begriffs
der Wissenschaft anheimgegeben. Für die Gren-
zen zwischen der Zivil- und Verw erichtsbarkeit
ist nach den Lehren der Wissenschaft die rechtliche
Natur der streitigen Ansprüche entscheidend: wer-
den sie aus dem Privatrechte abgeleitet, so ge-
hören sie vor die Zivilgerichte, wurzeln sie da-
gegen im öffentlichen Recht, so sind die Verw-
Gerichte zuständig. In einzelnen Zweifelfällen
ist die Frage, ob ein Anspruch dem Privatrecht
oder dem öffentlichen Recht angehört, unter Be-
achtung der konkreten Verhältnisse, der maßgeben-
den Vorschriften der Reichs= und Landesgesetze
und der von der Wissenschaft gewonnenen Grund-
sätze zu entscheiden.
Die 3 PO, die in 5 274 Abfs 2 Ziff. 2 die Ein-
rede der Unzulässigkeit des Rechts-
wegs unter die prozeßhindernden Einreden
einreiht, und mit ihr übereinstimmend das GV#
5 17 haben die Frage der Zulässigkeit des RW
zum Rang einer zwingenden Prozeßvorausset-
zung im Sinne der modernen Theorie erhoben,
die in jedem Stadium des Rechtsstreits von Amts
wegen zu prüfen ist und eine unentbehrliche
logische Voraussetzung für die Entscheidungsreife
des Rechtsstreits bildet (RG Z 45, 381). Diese
formale Anordnung schließt zugleich seitens der
Gesetzgebung eine Anerkennung der grundsätzlichen
Gleichberechtigung und Gleichwertigteit des Verw-
RW in sich. Bestehen Zweifel über die praktische
Tragweite und die dadurch bedingte rechtliche
Natur eines Anspruchs, so sind die Wirkungen
des beantragten Urteils nach der ihm gesetzlich
zukommenden Rechtskraft ins Auge zu
fassen. Soweit sich diese Wirkungen im Bereiche
privatrechtlicher Verhältnisse bewegen, ist der R#W
zulässig, soweit aber diese Wirkungen auf das
Gebiet des öffentlichen Rechts übergreifen und
hier für öffentliche Rechtsverhältnisse eine Norm
eben würden, hat sich der Zivilrichter einer Ent-
cheidung zu enthalten.
Von diesem Gesichtspunkt aus begreift sich und
begrenzt sich zugleich die Befugnis des Zivil-
richters zur Entscheidung über öffentlich-
rechtliche Verhältnisse. Diese Befug-
nis steht ihm zu hinsichtlich der Präjudizial-
punkte der sog. Elemente des Urteils, die einen
Teil der Entscheidungsgründe bilden und von der
Rechtskraft nach 8PO / 322 nicht mitumfaßt wer-
den, sie ist ihm versagt hinsichtlich der den streitigen
Anspruch entscheidenden, in Rechtskraft übergehen-
den Disposition des Urteils.
Obwohl schon die württemb. ZPO v. 3. 4. 68
in a 344 Ziff. 1 die Einrede gegen die Zulässigkeit
des RW als eine echte prozeßhindernde Einrede
behandelt und bei abgesonderter Entscheidung über
dieselbe in a 346 Abs 2 die sofortige Beschwerde
gegeben hatte, auch im württemb. G v. 25. 8. 79
die Möglichkeit negativer KK vorgesehen war,
hat die Rechtsprechung des vormaligen Obertri-
bunals, des ihm folgenden Oberlandesgerichts und
des württemb. VG#H lange Zeit an der irrigen
Auffassung festgehalten, daß das auf die Unzu-
lässigkeit des RW bezügliche Parteivorbringen
die materielle Begründung des geltend ge-
machten Anspruchs betreffe und dieser daher bei
seinem Zutreffen nicht wegen der Unzuständigkeit
des angerufenen Gerichts, sondern als materiell
unbegründet abzuweisen sei. Lebhafte Proteste
von berufener Seite in Verbindung mit der kon-
stanten Praxis des Reichsgerichts werden hier
Wandel schaffen, zumal der Kompetenzgerichtshof
in seiner neuesten Entsch v. 9./10. 6. 02 (württ.
Jahrb. 14, 234), die richtige Ansicht vertritt: die
Behauptung, der streitige Anspruch sei ein privat-
rechtlicher, bilde nicht einen Bestandteil des Klage-
grunds, sondern betreffe eine Prozeßvoraussetzung,
die Zulässigkeit des RW; die Entscheidung, daß
der streitige Anspruch kein privatrechtlicher sei,
sei keine Sachentscheidung, sondern verneine nur
eine Prozeßvoraussetzung, die Zulässigkeit des
Rechtswegs.
§+2. Landesgesetzgebung. Die württembergische
Landesgesetzgebung hat es abgelehnt, „das Pro-
blem einer prinzipiellen Grenzscheidung zwischen
den Gegenständen der bürgerlichen und der
Verwerichtsbarkeit (7|) zur gesetzlichen Lösung zu
bringen und hat sich darauf beschränkt, für einzelne
auf der Grenze liegende zweifelhafte Fälle Richt-
linien zu geben. In dieser Richtung können drei
Wege unterschieden werden:
I. In Württemberg ist die Gleichwertigkeit der
verwaltungsrichterlichen Rechtsprechung rückhalt-
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