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chen; insbesondere kann er sich einzelne Befugnisse
zu persönlicher Ausübung vorbehalten. Es ist
anzunehmen, daß er solche Befugnisse, deren Aus-
Üübung dem Regenten versagt ist, auch dem Stell-
vertreter nicht delegieren kann (so ausdrücklich
Oldenb. Ste# 5 16). Stets bleibt der Monarch
befugt, selbst statt des Stellvertreters zu handeln.
d). Dem Stellvertreter kommt in der Ausübung
der ihm übertragenen Befugnisse keine Selb-
ständigkeit gegenüber dem Monarchen zu.
Vielmehr ist er von dessen Weisungen abhängig
(Oldenb. StG#G 5 16) und verpflichtet, auch den zu
vermutenden Willen des Monarchen zu befolgen.
Demgemäß ist auch Verantwortlichkeit
des Stellvertreters gegenüber dem Monarchen
anzunehmen (ausdrücklich erklärt Sachsen-kob.=
goth. StGG# #21 den Statthalter für dem Herzog
verantwortlich). Andererseits besteht keine Ver-
antwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
zumal seine Reg Akte in demselben Maße wie die
vom Monarchen unmittelbar oder von einem Re-
genten vorgenommenen ministerieller Gegenzeich-
nung bedürfen.
e) Auch das Ende der Regt hängt, sofern
sie nicht einer Regentschaft Platz zu machen hat,
von dem Willen des Monarchen ab, selbst wenn
dieser die Stellvertretung für eine bestimmte
Zeit angeordnet hatte.
Literatur: v. Gerber, Grundzüge des deut-
schen Staatsrechts"“, 1 34; H. v. Schulze, Lehrbuch
des deutschen Staatsrechts, 1 1## 109—114: Meyer-
Auschütz 92—93; Anschütz in Holtzendorff-Kohlers
Encnklop. d. Rechtsw. 2, 574—576; Laband“ 1, 219 ff:;
Rönne-Zorn 1, 1 16; H. v. Schulze' 1,
4# 66—72; Bornhaks 1, 34—38; Seydel St N 1,
440—506; Opitz, Staatsrecht des Kgr. Sachsen 1,
142 ff; O. Mayer, Staatsr. des Kgr. Sachsen, 1 14;
v. Sarwey, Staatsr. des Kgr. Württemberg 1,56—71:
Göz, Staatsr. des Kgr Württemberg, # 12 und 13:;
Walz, Staatsr. d. Großh. Baden, #1 16; van Calker,
Staatsr. d. Großh. Hessen, 190; Schücking, Staatsr.
d. Großh. Oldenburg, 118; Rhamm Staatsr. d. Herzogt.
Braunschweig, 1 6; G. Jellinek, Spystem der sfubiekt.
öfsentl. Rechte“, 153—154t; Rehm, Modernes Fürsten-
recht, 1 54. — Aus der Spezialliteratur sind hervorzuheben:
Kraut, Die Vormundschaft nach den Grunds. d. deutschen
Rechts, 3, 1859; R. v. Mohl, Ueber die ständischen Rechte
in bezug auf die Reichsverwesung, in „Staatsrecht, Völker-
recht und Politik“, 1, 1860, S 144 f; Mittnacht,
Ueber Stellvertretung des vorübergehend an der Regie-
rung verhinderten Fürsten, in der Deutschen Vierteljahrs-
schrift 1864, S 222 ff; Fricker, Thronunsähigkeit und
Reichsverwesung in Z Staatsw 31, 1875; v. Kirchen.
heim, Die K, 1880ö; Brockhaus, R Gesetze, und
v. Martitz, Regst, in v. Holtzendorffs RL 3, 1881;
Hancke, R und Stellvertretung des Landesherrn, 1887;
Peters, R und Regst des deutschen Landesherrn,
1889; Triepel, Das Interregnum, 1892; Kule-
mann, Eine staaterechtliche Neubildung (die Braun-
schweig. Regentschaft), in Arch OesfsR 16, 1901, S 485 ff;
J. Ircund, Die R nach preußischem Staatsrecht, 1903.
Brie.
ç Regierung · ·
1 Bezirksregierung (Preußen) 1 450; Kreisregie-
rung (Bayern, Württemberg) II 661, 668.
Regentschaft — Reich
# Rehabilitierung
Begnadigung Band 1 S 375, 377, 379, 383.
Reich
540 857 dkm — 64925993 Einwohner (1910)
auf 1 qkm: 120 Einwohner
Etat 1913/14: 3161 336 006 Mark.
A. Verfassung. S. 256—253. — B. Behörden.
S. 258—261.
A. Reichsverfassung
5 1. Reformversuche. 1 2. Die Verfassung des Nord-
deutschen Bundes. ## 3. Die Verfassung des Deutschen
Reichs. ## 4. Die Redaktion der Reichsverfassung. # 5. Ab-
änderungen der Reichsverfassung.
z 1. Refsormbversuche. Die Vorgeschichte der
RV ist nicht weiter zurückzuführen als bis zu den
Ereignissen des Jahres 1866. Als der infolge des
dänischen Krieges und des Erwerbs Schleswig-
Holsteins zwischen Preußen und Oesterreich ent-
standene Konflikt 1866 drohender wurde, verband
Bismarck diesen Streit mit der Frage der Bundes-
reform und legte in einer Zirkulardepesche v.
24. 3. 66 den deutschen Regierungen die Not-
wendigkeit derselben dar. Am 9. April stellte
Preußen am Bundestage den Antrag auf eine
Reform des Deutschen Bundes und forderte die
Einberufung einer aus direkten Wahlen und all-
gemeinem Stimmrecht hervorgehenden Versamm-
lung, um die Vorlagen der deutschen Regierungen
über eine Reform der Bundesverfassung zu bera-
ten. Der Antrag wurde an eine Kommission ver-
wiesen, welcher der preußische Gesandte, als sie
ihre Beratungen am 11. Mai begann, die Re-
foxmpläne seiner Regierung in acht Punkten for-
mulierte. Diese Vorschläge enthalten die Grund-
linien der späteren Verfassung; es war zum ersten
Male, daß die Umrisse des zu schaffenden Baues
deutlich entgegen traten, und zugleich zum letzten
Male, daß eine Bundesreform angestrebt wurde.
#2. Die Verfassung des Norddeutschen Bun-
des. Unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges
und der Auflösung des Deutschen Bundes teilte
Bismarck, am 10. 6. 66, den deutschen Regie-
rungen „Grundzüge zu einer neuen
Bundesverfassung“ zur Erwägung mit und legte
ihnen die Frage vor, ob sie, wenn die bisherigen
Bundesverhältnisse sich lösen sollten, einem auf
der Basis dieser Grundzüge neu zu errich-
tenden Bunde beizutreten geneigt sein wür-
den.“ Die Grundzüge stimmen sachlich und zum
Teil selbst hinsichtlich des Ausdrucks so sehr mit der
späteren Verfassung des Norddeutschen Bundes
überein, daß man sie als den ersten Entwurf der-
selben bezeichnen kann. Durch den Präliminar=
frieden von Nikolsburg v. 26. 7. 66 und den Pra-
ger Frieden v. 23. 8. 66 wurde der Ausschluß
Oesterreichs aus dem Bunde, zugleich aber die Be-
schränkung desselben auf die nördlich vom Main
gelegenen deutschen Staaten festgestellt. Sämt-
liche mit Preußen im Kriege befindlich gewesenen
Staaten traten in den mit ihnen festgestellten
Friedensverträgen diesen Bestimmungen bei.