Reichsgebiet
Nach a 1 RV besteht das „Bundesgebiet“ aus
den in folgender Reihe aufgezählten Staaten:
Preußen mit Lauenburg, Bayern, Sachsen,
Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-
Schwerin, Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz,
Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Meiningen,
Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, An-
halt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg- Son-
dershausen, Waldeck, Reuß ältere Linie, Reuß
jüngere Linie, Schaumburg--Lippe, Lippe, Lübeck,
Bremen, Hamburg. Z
Ueber die Erweiterung durch Elsaß-Lothringen
diesen Artikel. Wegen der Kolonien Schutz-
gebiete.
Im Allgemeinen Reich A. Verfassung (oben
S 256 ff) und die Artikel für jeden Einzelstaat,
ferner Landesgrenze (II 705 ff), besonders Is 1,
2, 4 (Grenzveränderungen).
Reichshaushalt
Reichsfinanzwesen IV S 285—289.
Reichskanzler
5 1. Allgemeine Charakteristik. 1 2. Der Reichskanzler
im Bundesrat. # 3. Der Reichskanzler als Reichsminister.
#s 4. Die Stellvertretung des Reichskanzlers. 1 5. Die
Reichskanzlei.
5 1. Allgemeine Charakteristik. Der RK hat
eine Doppelstellung; er ist teils das Organ, durch
welches der König von Preußen seine Mitglied-
schaftsrechte im Reiche ausübt, teils der oberste
Reichsbeamte, der kaiserliche Reichsminister. Nach
dem Entwurfe der norddeutschen Bundes-
verfassung war eine solche Doppelstellung nicht
in Aussicht genommen; der Bundeskanzler sollte
keine Bundesbehörde, sondern nur der Bevoll-=
mächtigte des Königs von Preußen zum BR und
der Vorsitzende dieser Körperschaft sein. Fürst
Bismarck sagte am 5. 3. 78 im RIT, daß „nach
diesem Entwurfe der Kanzler einfach das war, was
man in Frankfurt in bundestäglichen Zeiten einen
Präsidialgesandten nannte, der seine Instruktio-
nen von dem preußischen Min der auswärtigen
Angelegenheiten zu empfangen hatte und der
nebenher das Präsidium im BR hatte“. Bei der
Beratung des Entwurfes im RT wurde aber die
Stellung des Kanzlers im Organismus des Reichs
wesentlich umgestaltet, indem dem jetzigen a 17
RV die Bestimmung beigefügt wurde, daß die
Anordnungen und Verfügungen des Bundes-
präsidiums zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeich-
nung des Bundeskanzlers bedürfen, welcher da-
durch die Verantwortlichleit übernimmt. „Nun
wurde durch den a 17“ — sagte Fürst Bismarck in
der erwähnten RRede — „die Bedeutung des
RK plötzlich zu der eines kontrasignierenden
Ministers und nach der ganzen Stellung nicht
mehr eines Unterstaatssekretärs für deutsche An-
gelegenheiten im auswärtigen preußischen Min,
wie es ursprünglich die Meinung war, sondern zu
der eines leitenden Reichs Min heraufgehoben“.
Diese fundamentale Aenderung hat im Wortlaut
der NV einen sehr unvollkommenen Ausdruck ge-
funden. Denn nur eine einzelne Konsequenz der
Ministerstellung des RK ist im a 17 sanktioniert
worden, so daß die Ministerialgewalt des RK auf
einem Rückschluß aus dieser Bestimmung beruht,
also nach Inhalt und Umfang verfassungsmäßig
unbestimmt und unbegrenzt geblieben ist. Es sind
ferner die beiden, im a 15 und im a 17 begründeten,
wesentlich verschiedenen Funktionen des Kanzlers
verfassungsrechtlich unvermittelt nebeneinander
stehen geblieben.
# 2. Der Reichskanzler im Bundesrat. Nach
à 15 steht der Vorsitz im Bundesrate [Nl und die
Leitung der Geschäfte dem RK zu, welcher vom
Kaiser (X| zu ernennen ist. Hieraus ergibt sich die
Notwendigkeit, daß der RK preußischer
Bevollmächtigter im Bfi ist. Denn jedes Bundes-
mitglied kann jederzeit seine Bevollmächtigten aus
dem B. abberufen, den RK kann nur der Kaiser
ernennen und entlassen, mithin kann nur ein
vom Kaiser in seiner Eigenschaft als König von
Preußen ernannter Bevollmächtigter zum RK
ernannt werden. Der Rét ist der preußische „Prä-
sidialgesandte".
Weder als Mitglied noch als Vorsitzender des
BR ist der RK Reichsbeamter, sondern preußi-
scher Bevollmächtigter. Er ist daher an die In-
struktionen gebunden, welche ihm der König von
Preußen erteilt und diesem gegenüber verant-
wortlich dafür, daß er seiner Instruktion gemäß
ehandelt hat. Von einer Verantwortlichkeit des
R gegen den BR und R für die Art und Weise,
wie er die Präsidialstimme führt oder die übrigen
preußischen Rechte im BR handhabt, kann daher
ebensowenig die Rede sein, wie von einer der-
artigen Verantwortlichkeit des Bevollmächtigten
irgend eines anderen Bundesgliedes. Staats-
rechtlich ist es auch nicht erforderlich, daß der
RK zugleich preußischer Min ist; nur tatsächliche,
politische Gründe ergaben die Notwendigkeit,
daß der RK, weil er der kaiserliche Reichs Min ist,
zugleich der leitende preußische Staats Min sein
muß. Es ist dies eines der Bänder, durch welches
die Reichsregierung und die preußische Regierung
zusammengehalten werden. Sollte der Fall ein-
mal eintreten, daß der RK nicht zugleich preußi-
scher Staats Min ist, so würde seine Verantwort-
lichkeit darauf beschränkt sein, daß er den ihm vom
preußischen Min erteilten Instruktionen gemäß
gestimmt habe.
8 3. Der Reichskanzler als Reichsminister.
Der R als der Min und Gehilfe des Kaisers hat
alle diesenigen Geschäfte auszuführen, welche die
Prärogative des Kaisers bilden. Seine Funktio-
nen sind auf folgende Kategorien zurückzuführen:
1. Der Kanzler ist auswärtigen Staaten und
überhaupt allen dritten gegenüber legi-
timiert, die Rechte des Reichs wahrzunehmen,
Verhandlungen zu führen, Verträge zu verein-
baren, Leistungen entgegenzunehmen und zu ge-
währen, ohne daß er einer Spezialvollmacht be-
darf, obwohl es selbstverständlich nicht ausge-