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Annalen 1882, 1 ff; Laband" 1, 375 ff und die Lehr-
bücher von Zorn 112; v. Rönne 1142; G. Meyer
4 135; Schulze 2 14 267 ff. Bal. auch Annalen 1886,
321 ff. Laband.
Reichstag
1. Rechtliche Natur. 1 2. Wirkungskreis. # 3. Ge-
schäftsordnung. 1 4. Sitzungsperiode. # 5. Verfahren im
allgemeinen. 1 6. Interpellationen, Anfragen, Etatsreso-
lutionen. # 7. Redefreiheit. 8. Präsidialgewalt. 3 9. Ab-
teilungen und Kommissionen.
& 1. Rechtliche Natur. Der RI gilt rechtlich
als sichtbare Darstellung des Reichsvolkes. Sub-
jekt der Reichsgewalt sind die deutschen Staaten
als Einheit gedacht. Sie sind die Mitglieder des
Reiches. Ihre obersten Organe sind zwei: 1. die
Bundesfürsten und Senate der freien Städte, in der
Reichspraxis „Verbündete Regierungen“" genannt,
vertreten durch Bundesrat (A] und Kaiser (N),
2. das Bundesvolk. Die Reichsgewalt ist zwischen
einer Fürstenmehrheit und einem großen Volke
geteilt. Kein Teil kann dem anderen seine Rechte
nehmen. — Das Reichsvolk handelt nur bei den
Wahlen selbst (Reichswählerschaft). Sonst vertritt
es der RT. Weder der Kaiser (Kaiserreferendum)
noch sonst wer kann die Beschlüsse des RT der
Genehmigung des Volkes unterwerfen — es gibt
kein Reichsreferendum —; noch kennt das Reichs-
recht die Volksanregung (Volksinitiative). Weil
er das deutsche Volk darstellen soll, nicht die
Staatsvölker, besteht der RXI nicht aus Abordnun-
gen der Landtage.
Zusammensetzung IWahlrecht.
Im Gegensatz zu den größeren Einzelstaaten
bildet der RT nur eine Kammer. Von Groß-
staaten hat allein noch Norwegen das Einkammer-
system. Der RX besteht nicht aus Volks= und
Staatenhaus. Die RV von 1849 und der Duncker-
sche Entwurf von 1866 kannte ein solches, zur
Hälfte von den Regierungen gebildet. In der
geltenden Verfassung fehlt es. Es hätte den Ge-
schäftsgang zu sehr verlangsamt und es war nicht
nötig, weil der BR, aus ähnlichen Elementen wie
ein Oberhaus zusammengesetzt, seine Hemmungs-
sunktion ersetzte. Gesetzgebende Versammlung im
Reiche ist daher nur der Reichstag.
§ 2. Wirkungskreis. Die Zuständigkeit des
Parlaments heißt Legislative im subjektiven
Sinne. Der RIX hat ähnliche Aufgaben wie die
Landtage [JI. 1. Seiner Zustimmung bedürfen
alle Reichsgesetze. Auch besitzt er das Recht,
dem BR Gesetze (V1 vorzuschlagen (RV. 23).
2. Wichtige Regierungsakte unterliegen
seiner Genehmigung: a) die Vertagung des R,
wenn sie 30 Tage übersteigt oder während der-
selben Sitzungsperiode wiederholt wird (RV 206),
b) die Verträge mit anderen Staaten, die Ge-
genstände der Gesetzgebung betreffen (RV 11); die
Staatsverträge [“] selbst also müssen dem NI
unterbreitet werden; c) nach einer Reihe von Ge-
setzen sind Verordnungen [(] dem NX nachträg-
Reichstag
mal wird auch vorgängige Genehmigung gefor-
dert: so bei Abänderung des Wahlreglements
(RWahl G v. 31. 5. 69 é 15) und bei Verlän-
gerung des Privilegs der Reichsbank ( (BankG
v. 14. 4. 75 5 41). 3. Vor allem besitzt der RT.
ein Kontrollrecht (Recht der Kritik) gegenüber
den Reichs Min und insoferne, als er auch dem BR
Petitionen überweisen darf (RV 23), sogar ge-
enüber dem BR. Daß es im Verhältnis zum BR
eschränkt ist, folgt daraus, daß dieser dem RT
rechtlich nicht Rechenschaft (Antwort) schuldet.
Die Exekutive im subjektiven Sinne (die Regierung)
ist im Reiche zwischen BR und Kaiser (Reichskanz-
ler A) geteilt, der eine hat die generelle (Sank-
tions- und Verordnungsrecht), der andere die
konkrete Exekutive (Beamtenernennung usw.).
Der Unterschied zwischen beiden Reichsregierun-
gen, der bundesrätlichen und der kaiserlichen, ist,
daß die eine, die kaiserliche (die sog. Reichsleitung
oder Reichsregierung im engeren Sinne), dem
NRrechtlich verantwortlich ist, die andere nicht.
Entsprechend der Stellung der kaiserlichen Re-
gierung zum RI schreiben etliche Gesetze vor, daß
der NK dem R2 Berichte zu erstatten hat, so
über die Ergebnisse des Ergänzungsgeschäftes
(Militär G von 1874 5 37). Nur an der Reichsver-
waltung darf der RI Kritik üben, nicht an Landes-
organen. Die Aufsicht über den Vollzug von
Reichsgesetzen durch die Staaten ist ein Recht des
Kaisers, nicht des RX. Bloß wenn die kaiserliche
Negierung es an Aufsicht fehlen läßt, darf der RI.
tadeln.
Das Nähere 7 Gesetz, Staatsvertrag.
§5 3. Geschäftsordnung. Der RI kann sich nicht
selbst versammeln. Im übrigen hat er wie alle
Parlamente im Interesse seiner sachlichen Unab-
hängigkeit das Recht der Selbstbestimmung. Nicht
die Regierung, sondern er beruft und entläßt das
Kammerpersonal; nicht die Gerichte, sondern er
entscheidet über die Wahlgültigkeit; nicht die
Exekutive, sondern er regelt seinen Geschäftsgang
(RV 27). Zu den Geschäften gehört auch die Be-
handlung der Reg Vorlagen. Er muß sie beraten.
Das folgt aus dem Vorschlagsrecht des BR.
Aber den Beschlüssen über Form und Zeit der
Beratung ist auch die Regierung unterworfen.
Beim R steht es, wie viel Sitzungen er halten
will und ob er in seiner Geschäftsordnung Vorlagen
der Regierung Vorrechte (längere Beratung,
Zuerstberatung) einräumen will. Nur weniges ist
gesetzlich bestimmt [IJ Landtag §& 151. Die Mit-
glieder des BR müssen nach RV 9 jederzeit gehört
werden. Das gleiche gilt für die Reichs Min und
ihre Kommissare. Ohne dies könnte die Volks-
vertretung das Verteidigungsrecht der Min hin-
fällig machen.
Der Erlaß jedes Staatsorgans gilt auch für
dessen Nachfolger, aber dieser kann ihn im Zweifel
aufheben. So darf auch der neue RILT die alte
Geschäftsordnung jederzeit ändern. Die erste
Geschäftsordnung stellte der RX des Nordd. Bun-
des 12. 6. 68 auf. Die nachfolgenden RXT haben
sie in vielen Punkten geändert, zuletzt geschah es
8. 5. 12 (unten #& 6.) Die Geschäftsordnung
kommt durch rechtsgültigen Mehrheitsbeschluß zu-
stande. Im Einzelfalle kann ohne ordnungsmäßige
Aenderung davon abgegangen werden, aber nur
lich vorzulegen; sie treten außer Kraft, wenn der wenn kein Mitglied widerspricht; denn als Ord-
RI es verlangt (z. B. GewO 5 56 b); manch-
nung dient sie dem Schutze der Minderheit.