Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
  
Reichstag — Religionsgesellschaften 
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vorgängigen Erlaubnis (Zensur) zu unterwerfen. 
Ferner darf a) das Wort nur aus rechtlichen Ur- 
sachen verweigert werden (Bemerkung zur Ge- 
schäftsordnung, mangelnde Unterstützung; Ver- 
tagung; Schluß der Debatte); lediglich den Zeit- 
punkt der Erteilung bestimmt der Präsident; 
b) Unterbrechen (Verweisen zur Sache; keine per- 
sönliche Bemerkung; Ablesen; Redezeit abge- 
laufen; Ordnungsruf) und Abschneiden (Wort- 
entziehung) ist ebenfalls nur aus geschäftsord- 
nungsmäßigen Gründen erlaubt; der Redner be- 
sitzt auch einen Anspruch gegen den Präsidenten 
auf Schutz gegen Unterbrechen durch andere 
(Regierung, Kollegen, Tribüne); c) Vertagungs- 
und Schlußanträge sind erschwert. Dagegen sind 
folgende Präventivbeschränkungen gegeben: a) 
keiner darf sprechen, ohne das Wort erbeten und 
erhalten zu haben (Zwischenrufe daher unzulässig); 
b teils direkt (Verweigerung des Wortes zur Ge- 
schäftsordnung), teils indirekt (Vertagung; Schluß 
der Debatte, Uebergang zur Tagesordnung) 
können Präsident und Plenum dem Halten von 
Reden vorbeugen; teils tut es die Geschäftsord- 
nung unmittelbar (Kautelen gegen Mißbrauch des 
Antrag-, Anfrage= und Interpellationsrechtes); 
) der Redner darf an dem Ablesen seiner Rede 
gehindert werden; nur Leute mit genügender 
Bildung sollen reden (und gewählt werden); 
obenan steht das Staatswohl, nicht Ehrsucht und 
Wahlkreisinteresse; d) statthaft ist, den Redner zur 
Sache zu verweisen; fährt er im Abschweifen fort, 
so darf er zum Schluß gezwungen, d. h. ihm auf 
Anfrage des Präsidenten von der Versammlung 
ohne Debatte das Wort entzogen werden; dies 
ist keine Strafe wegen Ordnungsverletzung, son- 
dern Maßnahme gegen unnötiges Verlängern der 
Beratung. 
5 8. Präsidialgewalt. A. Die Präsidialgewalt 
gegen die Abgeordneten zerfällt rechtlich 
in zwei Gruppen von Befugnissen. Die Ausübung 
der einen ist vor dem Plenum anfechtbar (Fest- 
setzung der Tagesordnung; Fragenstellung; Ord- 
nungsruf; Ausschließen von der Sitzung), die 
der anderen nicht. Im Zweifel gilt letzteres; denn 
Leitung und Handhabung der Ordnung ist nach 
der Geschäftsordnung Sache nur des Präsidenten 
und nicht des Plenums. Daher: a) er eröffnet, 
unterbricht und schließt die Sitzung und bestimmt 
Tag und Stunde der Sitzung nach freiem Ermes- 
sen; b) ebenso erteilt er das Wort zur Geschäfts- 
ordnung, während sonst der Satz gilt, wer sich 
meldet, dem darf das Wort nicht verweigert wer- 
den; c) die Reihenfolge unter den Gemeldeten 
bestimmt er rechtlich frei, durch Brauch ist er teil- 
weise gebunden (Parteienstärke); d) gegen Ver- 
weisen zur Sache gibt es kein Einspruchsrecht; 
e)das Plenum kann den Präsidenten nur bitten, 
nicht zwingen, einen Ordnungsruf zu erteilen. — 
Die Ausübung der Präsidialgewalt ist nicht nur 
Recht, sondern Pflicht, denn der Präsident muß 
die äußere Ordnung und Würde der Verhandlung 
wahren und die Geschäfte leiten und damit för- 
dern. Zur tatsächlichen Unterstützung dient ihm 
der Seniorenkonvent (lelltestenrat), der 
zwischen den Parteien (über Zeit und Art der 
Geschäftseinteilung, also auch Rednerliste usw.) 
verständigt. 
B. Ueber Witglieer. besitzt der Präsident auch 
Disziplin, über Nichtmitglieder nur Polizei. Die 
  
  
Diensträume des Parlaments sind immun. 
Andere Staatsorgane als die, welche den Verkehr 
zwischen Regierung und Polizei pflegen, haben 
— im Interesse der Unabhängigkeit der Volksver- 
tretung (StG s 339, 106, 105) — ohne Er- 
laubnis des Präsidenten keinen Zutritt zu den 
Räumen. 
8 9. Abteilungen und Kommissionen. Die Ab- 
teilungen werden durch Los gebildet und jedes 
Mitglied gehört einer und nur einer Abteilung an; 
die Kommissionen werden gewählt, ein Mitglied 
kann mehreren angehören. Die Abteilungen haben 
herkömmlich die Vorprüfung der Vollmachten der 
Mitglieder, sind also Wahlvorprüfungsausschüsse; 
das Prüfungsgeschäft soll dadurch beschleunigt 
werden, daß mehrere solche Ausschüsse vorhanden 
sind. Zweitens wählen sie die Kommissionen. Der 
Herrschaft der Kommissionen (Komiteeherrschaft) 
soll vorgebeugt werden dadurch, daß alle Mitglie- 
der an der Wahl teil haben. Allein die zur Ge- 
schäftserledigung notwendige Entwicklung des 
Fraktionswesens hat die Unabhängigkeit des Ab- 
geordneten aufgehoben; er untersteht dem Frak- 
tionszwang; von der Fraktion hat er tatsächlich ein 
imperatives Mandat. So stimmt er in der Kom- 
mission nach Fraktionsbeschluß; insbesondere die 
Verteilung der Sitze in den Kommissionen werden 
zwischen den Fraktionsvorständen vereinbart. (Die 
neue Gesch O der II. bad. Kammer v. 16. 7. 12 
hat daher die Abteilungen auf die Wahlprüfung 
beschränkt; die Kommissionen werden unmittelbar 
von der Kammer gewählt; dabei ist vorgeschrieben, 
daß die Fraktionen nach ihrer Stärke beteiligt 
werden sollen). —Der RT zerfällt in 7 Abteilungen. 
Deshalb bestehen die RTKommissionen aus 7 oder 
einem Vielfachen von 7 Mitgliedern (14, 21, 28 
usw.); denn jede Abteilung wählt die gleiche Zahl. 
  
Literatur: Die Lehrbücher des (Reichs.) Staats- 
rechts, außerdem Hatschek, Die Organisation der mo- 
dernen Volksvertretung, 1912; Derselbe, Das Inter- 
vellationsrecht, 1909 (dazu Laband, DJZ## 1009 S 677). 
Weitere Lit. bei Landtag, Abgeordnete, Wahlrecht, Reichs- 
verfassung. Rebm. 
Ws. 
Prisenangelegenheiten 
Religionsgesellschaften 
A. Die christlichen Religionsgeselschaften 
(Gewissensfreiheit, Evangelische Kirche, Katho- 
lische Kirche, Kirchenhoheit.) 
5 1. Geschichtliches. 1 2. Heutige Grundsätze. # 3. Lan- 
deskirchen. # 4. Religionsgesellschaften mit Korporations- 
rechten. 5. Religionsgesellschaften ohne Korporations- 
rechte. 
5 1. Geschichtliches. 1. Dem kanonischen Recht 
ist der Begriff R. unbekannt (J Katholische Kirchel. 
Religiöse Bildungen außerhalb der Kirche tragen
	        
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