Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Religionsgesellschaften (B. Israelitische) 
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ersteren gehörte oder wurde im Laufe der Zeit 
erhoben auch die jüdische R. In einigen Staaten 
blieb die Privilegierung der christlichen Kirchen 
rundsätzlich verfassungsmäßig aufrecht erhalten. 
nsbesondere wurde ihnen das Recht der öffent- 
lichen Religionsübung vorbehalten (so in Sachsen 
und Bayern). Doch besteht praktisch zwischen den 
beiden Gruppen kein wesentlicher Unterschied, 
da einerseits auch dort, wo verfassungsmäßig die 
isr. R. den christlichen Kirchen grundsätzlich gleich- 
gestellt ist, tatsächlich auch weiterhin gewisse 
Verschiedenheiten fortbestehen (Berücksichtigung le- 
diglich der christlichen Festtage bei der Auswahl der 
Staatsfeiertage, staatliche Sorge für die Aus- 
bildung von Religionsdienern durch Schaffung 
von theologischen Fakultäten an den Universitäten 
nur für die christlichen Kirchen loben A §5 2 Z. 30 
# 3 3. 2 d), andererseits auch in denjenigen 
Staaten, in denen grundsätzlich die Privilegie- 
rung der christlichen Kirchen aufrecht erhalten ist, 
eine weitgehende Rücksichtnahme auch auf das 
Judentum Platz gegriffen hat (unten & 4). 
Im einzelnen ist hervorzuheben: 
In Preußen ist durch die Vl v. ö. 12. 48 
(31. 1. 50) die Unterscheidung in öffentlich auf- 
genommene und geduldete R. beseitigt worden. 
Es blieb abgesehen von a 14 (1850), der die Berück- 
sichtigung der christlichen Feiertage verfassungs- 
mäßig sicher stellen sollte, lediglich die Unterschei- 
dung in R. mit und solche ohne Korporations- 
rechte. Zu den ersteren gehörte auch das Juden- 
tum seit dem G v. 23. 7. 47. In Bayern bildet 
die isr. R. eine Privatkirchengesellschaft im Sinne 
des Rel. Ed. v. 26. 5. 1818 (das Nähere bei Heim- 
berger). In Sachsen bildet sie eine „anerkannte“ 
Rel. Ges. i. S. des G. v. 20. 6. 70 F 20 (vgl. 
E. d. O G. v. 17. 3. 02, G. v. 10. 6. O04 8 6), 
besitzt jedoch mur das Recht privater Kultübung 
(G v. 10. 6. 04). In Württemberg bildet 
sie gleich den christlichen Kirchen eine Körperschaft 
des öffentlichen Rechtes mit weitgehender staat- 
licher Organisation (G v. 8. 7. 12); in Baden 
„einen eigenen konstitutionsmäßig aufgenomme- 
nen Religionsteil“, der gleich den übrigen unter 
seinem eigenen angemessenen Kirchenregiment 
steht (Ed v. 13. 1. 09); in Hessen gleich der 
evang. und kath. Kirche einen öffentlich-recht- 
lichen Verband, mit dem Recht der öffentlichen 
Gottesverehrung und dem Anspruch auf selbstän- 
dige Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegen- 
heiten unter Aufsicht des Staates (G v. 23. 4. 
75 betr. d. rechtl. Stellung der Kirchen und Re- 
ligionsgemeinschaften); in Elsaß-Lothrin- 
gen, gleich der kath. und prot. Kirche, eine an- 
erkannte R. im Gegensatz zu den nicht anerkann- 
ten (Sekten) (Dekr. v. 17. 3. 08, G v. 8. 2. 31). 
4. Berücksichtigung der israelitischen Reli- 
gionsgemeinschaft. 
I. Einzelne Gebiete der Verwaltung. 
1. Heeresverwaltung. Eine Organi- 
sation der jüd. Soldaten zu besonderen Militär- 
gemeinden, und Seelsorge durch besondere Mili- 
tärgeistliche ist nicht eingerichtet. Jedoch wird 
vielfach, soweit es die Verhältnisse des Dienstes 
gestatten, die religiöse Eigenart der jüd. Soldaten 
herüchsichtigt: Befreiung vom Dienst zwecks Teil- 
nahme am Gottesdienste (vgl. insbesondere die 
allgemeine Anordnung des württ. Kriegs Min, 
V'g des isr. Ober K. v. 21. 6. 02, 19. 7. 97), 
  
Verlegung des Dienstantritts oder austritts 
mit Rücksicht auf die hohen Feiertage. Auch findet 
eine besondere religiöse Vorbereitung für den 
Fahneneid durch einen israelitischen Religions- 
diener statt. 
2. Schulwesen. An Sabbaten und jüd. 
Feiertagen findet vielfach ein Dispens der jüd. 
Kinder von schristlichen und Handfertigkeitsarbei- 
ten statt, z. T. auf Antrag auch eine Befreiung 
vom Schulbesuch entweder überhaupt oder für 
die Zeit des Gottesdienstes (für Preußen: Freund, 
Rechtsstellung 213 ff; für Bayern: Heimberger 
77ff; Sachsen: V v. 7. 3. 78 und 29. 11. 84; 
Württemberg: Min E v. 30. 7. 29 5 17 Abs 
8. 8. 29 und 7. 3. 13). 
3. Eine Rücksicht auf die Sabbate und jüdischen 
Feiertage wird im Prüfungswesen und im Han- 
delsgewerbe sowie auf die Religionsvorschriften 
des Judentums im Beerdigungswesen geübt 
(Bayern, Heimberger 81). 
4. Justizverwaltung. Rücksichtnahme 
auf die jüdischen Feiertage bei Ansetzung von Ter- 
minen a) falls Zeugen oder Parteien (Pr. Min E 
v. 2. S. 73, Beschl d. KG v. 23. 9. O01; Bad. Min E 
v. 11. 12. 67), b) falls Anwälte (Pr. Entsch d. 
K v. 1906) dem Judentum angehören, ferner 
bei Vornahme von Zwangsvollstreckungen (Pr. 
V v. 22. 9. 67 + 7, Anw v. 15. 9. 79 z. Ausf. 
d. V v. 7. 9. 79; Els.-Lothr. Zw. Vollstr. O v. 
26. 5. 1905). 
5. Fürsorgeerziehung (I#I. Die gesetzlich 
geforderte Rücksichtnahme auf die religiösen Ver- 
hältnisse gilt zumeist auch für die jüdischen Für- 
lorgezöglinge (Preußen: MinE v. 19. 3. ol, 
25. 11. O.1 und 25. 6. 07, betr. die Unterbringung 
jüdischer Fürsorgezöglingen in der israelitischen Er- 
ziehungsanstalt zu Repzin und Plötzensee). 
6. Gefängniswesen sssJ. a) Rücksicht 
auf die jüdischen Speisegesetze bei der Bekösti- 
gung der jüdischen Strafgefaugenen, insbesondere 
am Passahfeste: 
(Preußen: Speiset. 3z. Verpfl. Regl v. 5. ö. 72 Abs 6, Min E 
v. 20. 4. 83, 2. 5. 84, 5. 4. 87, 3. 5. 87, 13. 11. 96, Gef.O 
v. 21. 12. 98 K# 67 und 98, Dienst O f. d. d. Min Inn unterst. 
Strafanst. v. 14. 11. 02 5J 134 8. 2. — Bayern: Haus O f. d. 
Ger.-Gef. v. 3. 1. 10 5 82, Haus O f. d. Strasanst. v. 20. 9. 07 
* 31: — Württ.: Haus O f. d. Landesgef. v. 4. 3. 99 # 37). 
b) Rücksicht auf die Heiligung des Sabbats und 
bestimmter Festtage: kein Zwang zur Arbeit und 
Zulässigkeit geräuschloser Ersatzarbeit an Sonn= und 
dchristlichen Feiertagen. 
(Pr.: Gef. O v. 21. 12. 98 175, D.Ov. 14. 11. 02 9 145 
Z. 3 und 4; Bay.: H. O v. 3. 1. 10 f 96 II; Württ.: 
H. O v. 4. 3. 99 ## 65 Abs 2, V v. 31. 1. 92, betr. d. amtsger. 
Gef. # 4, und v. 24. 7. 94 5 18, V f. d. amtsger. Gef. v. 
31. 1. 92 1 2, 24. 7. 94 5 19; — Hessen: D. O f. d. Landes- 
zuchthaus Marienschloß v. 17. 2. 02, f. d. Zellenstrafanst. 
Butzbach v. 16. 12. 01 5 75, Abs 3 und 95, D.O f. d. Provinz.= 
Arresthäuser und Haftlokale v. 2. 5. 01 1# 82, Abs 3 und 
97; — Elsaß-Lothr.: Gef. O 1 238). 
c) Veranstaltung von besonderem Gottesdienst 
und Seelsorge für die jüd. Gefangenen. 
(Pr.: Gef.O v. 21. 12. 98 #8# 75 und 82 Abs 8, D.O v. 
14. 11. 02 1#8 145, 161, 162 und 165; Bay.: H.O v. 3. 1. 10 
1 108, H.O v. 20. 9. 07 1 5% I; Württ.: H.O v. 4. 3. 99 # 65 
Albts 1 und 3, V v. 24. 7. 94 1 31, Vig d. Ober K. v. 21. 6. 97, 
25. 3. 01, 26. 6. 05; Heff.: u. a. O.; Els.-Lothr.: a. a. O.). 
7. Steuer= und son stige Privi- 
legien. a) Reichsrecht: Erbsch. St.Gv.
	        
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