Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Religiöse Kindererziehung 
schlechtern tritt in solchen Fällen nur in Bayern 
ein; eine Aenderung der R. K. durch die Mutter 
gestatten nach dem Tod usw. des Vaters Kur- 
hessen (bei nichtchristlichen Ehen), Holstein, Ba- 
den (nach Sachuntersuchung und mit Genehmigung 
des Staats), Hessen (nach Sachuntersuchung und 
mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts). 
Im einzelnen ist folgendes hervorzuheben: 
§& 2. Preußen. Die Rechtslage ist territorial 
verschieden. 
I. Altpreußen (Gebiet des ALR). Die 
R. K. ist durch Gesetz bestimmt. Nach ALgxl sollten 
die Söhne dem Bekenntnis des Vaters, die Töch- 
ter dem der Mutter folgen. Die „Deklaration“ v. 
21. 11. 1803 legte die Religion des Vaters als 
für alle Kinder maßgebend fest. Dies gilt auch 
nach dem Tode des Vaters. Eine Konfessions- 
änderung des Vaters in der letzten Krankheit 
bleibt unberücksichtigt. Verträge vermögen die 
gesetzlichen Grundsätze nicht zu ändern, außer 
wenn die Eltern während der Ehe gemeinsam die 
R. K. (streitig ist, ob nur mit Wirksamkeit für 
die Dauer der Ehe oder auch nach des Vaters 
Tode) anderweit festlegen oder, wenn der Vater 
vor seinem Tode die Kinder mindestens ein Jahr 
lang in dem Glaubensbekenntnis der Mutter hat 
unterrichten lassen. Uneheliche Kinder haben die 
Religion ihrer Mutter. Unterscheidungsjahr ist 
das 14. — Diese Bestimmungen gelten in der 
Hauptsache noch heute für Ostpreußen, Westpreu- 
ßen, Brandenburg, Pommern (mit Ausnahme 
von Neuvorpommern und Rügen), Schlesien, 
Sachsen, außerdem für Westfalen und in der 
Rheinprovinz für den Bezirk des OLG# Hamm. 
Das AG# z. BGB v. 20. 9. 99 hat die Grundsätze 
des ALfR aufrecht erhalten. 
Die Deklaration gilt nicht in Hannover, Nassau, 
Frankfurt, Holstein, Schleswig, Kurhessen und 
in den ehemals bayerischen Aemtern Weyhers, 
Hilders und Orb. Lediglich die Vorschriften des 
BG#gelten in Neuvorpommern, Rügen, Hohen- 
zollern, Lauenburg und Homburg v. d. H. 
II. Auf die Rheinprovinz und West- 
falen (sowie die vormals bayerische Enklave 
Kaulsdorf — a 1 der V v. 22. 5. 67 — und das 
vormalige Oberamt Meisenheim — 8 1 des Pa- 
tents v. 15. 11. 1816 und V v. 20. 9. 67 —) ist 
die Deklaration v. 21. 11. 1803 durch Kab O v. 
17. 8. 1825 ausgedehnt worden. Hiernach sind 
Verträge usw. über R. K. unverbindlich. Die 
Religion des Vaters ist maßgebend; jedoch darf 
niemand widersprechen, wenn die Eltern über 
den Religionsunterricht der Kinder einig sind. 
Diese Vorschriften sind (anders als zu I, wo es 
zweifelhaft ist) auch nach dem Tode eines Eltern- 
teils oder beider Eltern zu befolgen, da ALR 
5# 80—82 hier nicht eingeführt sind (anderer An- 
sicht auch für die westlichen Provinzen das Kam- 
mergericht, da, wenn der Vater sterbe, bevor die 
Kinder das Alter für den Religionsunterricht 
erreicht haben, von einer Einigung der Eltern nicht 
die Rede sein könne; die Religion des Vaters sei 
daher auch nach seinem Tode maßgebend, auch 
wenn er ausdrücklich oder durch konkludente Hand- 
lungen versprochen habe, die Kinder in der Re- 
ligion der Mutter erziehen zu lassen). Das Un- 
terscheidungsjahr ist das 14. — Für uneheliche und 
Pflegekinder gelten die betreffenden Abschnitte 
des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 
  
  
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III. Holstein hat ein G v. 14. 7. 63 über 
die Religionsübung und Gemeindeverhältnisse 
der Reformierten, Katholiken, Mennoniten, Angli- 
kaner und Baptisten. Der Wille des Vaters ent- 
scheidet. Aeußert er ihn nicht vor seinem Tode 
oder wird er unfähig, ihn zu äußern, so entscheidet 
der Wille der Mutter. Im Zweifel ist die Religion 
des Vaters maßgebend. Verträge über die R. K. 
vor der Ehe sind nicht gültig. Das Unterschei- 
dungsjahr ist für Knaben das 16., für Mädchen das 
15. Jahr. Die Pflicht zum Besuch des Religions- 
unterrichts in der Volksschule erstreckt sich nur auf 
den Unterricht in der betr. Konfession; doch haben 
die Eltern für Ersatz zu sorgen. — Im übrigen 
gilt das Bürgerliche Gesetzbuch. 
IV. In Schleswig gilt nach der Ve g der 
österreichisch-preußischen provisorischen Regierung 
zu Flensburg v. 23. 4. 64 für christliche Misch- 
ehen der Satz, daß die R. K. dem freien Ermessen 
der Eltern unterliegen solle. — Alles übrige regelt 
sich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. 
. Hannover. Die V v. 31. 7. 1826 
(die nach § 2 des G v. 23. 3. 73 auch im Jade- 
gebiet gilt) behandelt die R. K. der unehelichen 
Kinder und der Findlinge, deren Eltern verschie- 
dener Konfession sind. Der Vater hat das Be- 
stimmungsrecht. Verträge über die R. K. sind 
ungültig. Die Mutter hat bei der R. K. rechtlich 
nicht mitzureden. Der Vater kann die R. K. be- 
liebig ändern, auch Konfessionslosigkeit vorschrei- 
ben. Der Wille des Vaters entscheidet auch noch 
nach seinem Tode; doch muß er „ernstlich und 
sortwährend gehegt“ sein, z. B. wenn der Vater 
bis an seinen Tod den Kindern Unterricht durch 
Geistliche einer andern Konfession hat erteilen 
lassen, oder wenn er vor Gericht (und zwar vor 
seiner letzten Krankheit) die Aenderung erklärt 
hat (andernfalls sind, falls nur ein Kind vor 
dem Tode des Vaters den Religionshauvtunter- 
richt erhalten hat, alle Kinder in der Konfession 
der Mutter zu erziehen); ebenso greift die gesetz- 
liche Vermutung Platz, der Vater habe die Kinder 
in der Religion erzogen haben wollen, zu der er 
sich vor seiner letzten Krantheit öffentlich bekannt 
hat. Dasselbe gilt für legitimierte oder anerkannte 
und im Haus des Vaters lebende uneheliche Kin- 
der (andere haben die Religion der Mutter). Un- 
terscheidungsjahr ist das 14. Lebensjahr. — Sonst 
gilt das Bürgerliche Gesetzbuch. 
VI. Kurhessen hatte die Materie zunächst 
durch Gv. 29. 10. 48 betr. die Religionsfreiheit 
und die Einführung der bürg. Ehe geregelt. Der 
Vater hatte über die ehelichen, die Mutter über 
die unehelichen und nach dem Tode des Vaters 
auch über die ehelichen zu bestimmen. Die Be- 
stimmung war dem Ortsvorstand anzuzeigen. 
Aenderung war zulässig. Wurde nichts bestimmt, 
so folgten die ehelichen Kinder dem Bekenntnis 
des Vaters, die unehelichen dem der Mutter. 
Verzichts= oder Selbsteinschränkungsverträge wa- 
ren nicht wirksam. Das Unterscheidungsjahr war 
das 18. Eine V v. 13. 4. 53 hat jedoch diese Be- 
stimmungen abgeändert. Der Vater hat nun- 
mehr über die ehelichen, die Mutter über die 
unehelichen Kinder zu entscheiden. Die Ent- 
scheidung war für die Zeit vom 7. bis 14. Lebens- 
jahr des Kindes unabänderlich (doch kann kein 
Zwang zur Befolgung dieser Vorschrift ausgeübt 
werden), außer, wenn ein Elternteil zu einer
	        
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