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Rheinschiffahrt
Rheinschiffahrt
3 1. Der Rhein als „internationaler“ Sttom. 3 2. Ent-
wicklung zum „konventionellen“ Strom. 13 3. Der Rhein
als „konventioneller Strom“. 1 4. Freiheit der Schiffahrt.
55. Schiffahrtspolizei. # 6. Zentralkommission und andere
Verwaltungsorgane. 1 7. Rheinschiffahrtsgerichte. 1# 8.
Einwirkung der Reichsverfassung.
5s 1. Der Rhein als „internationaler Strom“
(Wasserstraße, Schiffahrt).
I. Von den Staaten, die der schiffbare Lauf
des Rheins berührt, sind Baden, Elsaß--Lothringen,
Hessen, Bayern, Preußen jetzt durch die bundes-
staatliche Organisation des Deutschen Reichs
staatsrechtlich verbunden. Zwischen dem Deut-
chen Reiche, der Schweiz und den Niederlanden
bestehen jedoch keine innerstaatsrechtlichen Be-
ziehungen. Der Rhein gehört daher, weil er zu-
leich mit dem Meere in schiffbarer Verbindung
Keht, zu den internationalen Strö-
men (AII. Hinsichtlich dieser Ströme treten
zweierlei Bestrebungen, einerseits nach gleich-
mäßiger Verwaltung und Freiheit der Schiffahrt
auf der ganzen Wasserstraße, anderseits nach un-
gehinderter Ausübung der Hoheitsrechte der
Uferstaaten auf den einzelnen Stromstrecken,
einander entgegen. Für den Rhein kommt noch
hinzu, daß das Deutsche Reich an Stelle oder ne-
ben den ihm angehörenden Uferstaaten die Ver-
waltung der Rhöch übernehmen oder beein-
flussen kann.
II. Der schiffbare Lauf des Rheins wird von
Basel an gerechnet; seine Länge beträgt von dort bis zur
deutsch-niederländischen Grenze rund 690 km, weiter bis
Rotterdam in der Richtung der südlichen Schiffahrtsstraße
(Waal, Merwede, Noord, Nieuwe Maas) etwa 138 km,
in der Richtung der nördlichen Schiffahrtsstraße (Nieder-
Rhein, Lek, Nieuwe Maas) rund 142 km, von Rotterdam
bis zur Nordsee etwa 33 km. Zur Unterhaltung und
Verbesserung dieses Schiffahrtsweges sind schon seit langer
Zeit große Arbeiten ausge führt worden. Im Jahre 1008
haben die Rheinuferstaaten als Ziel dieser Arbeiten folgende
Fahrwassertiefen bei 1,50 am Kölner Pegel bezeichnet:
von Köln abwärts 3 m (auf der nördlichen Schiffahrtsstraße
in den Niederlanden 2 m), von Köln bis St. Goar 2,50 m,
von dort bis Straßburg 2 m (Taschenkalender). Man hat
berechnet, daß allein in der Zeit von 1900 bis 1911 ein-
schließlich an staatlichen Strombaukosten sowie staatlichen,
kommunalen und privaten Hafenbaukosten rund 190 000 000
Mark verausgabt worden sind.
III. Die Schiffahrt ist entsprechend entwickelt.
An Waren wurden über die deutsch-niederländische Grenze
befördert: im Jahre 1836 etwa 33 000 t, 1865 etwa 140 000,
1911 etwa 31 000 000 t; den Gesamtverkehr auf dem Rhein
hat die Zentralkommission auf rund 90 000 000 t an Waren
für das Jahr 1911 berechnet. Zur Rheinflotte gehörten
1819 1043 Fahrzeuge (Eckert), Ende 1911 1619 Dampf-
schisfe, 10 894 Segelschisse und Schleppkähne, im ganzen
12 513 Schiffe mit rund 34 000 Mann Besatzung. Die
Schiffe führen meist die deutsche oder niederländische Flagge,
auch die belgische, vereinzelt die britische, französische, luxem-
burgische oder andere Flaggen. Anfang des 19. Jahrhunderts
großte Lade fähigkeit der Rheinschisse 500 t, heute größte
Tragfahigkeit 3531 t. Der erste Schleppdampfer 1829 hatte
200 Pferdekräfte, der größte 1911 hat 1700. Wichtig ist
auch die Rheinseeschiffahrt, d. h. der unmittel-
bare Verkehr vom Rhein über See. Schon in den 30er Jahren
des 19. Jahrhunderts begonnen, 1834 als erfolglos einge-
stellt, wurde sie 1885 wieder ausgenommen. 1011 verkehrten
an Seeschisffen auf dem Rhein 58 Dampfer, etwa 6 Leichter
und 79 Segler von den Häfen der Nord- und Ostsee bis
Köln, einige Segler auch bis Remagen und Rhens (Mineral=
wasserverladung). An der deutsch niederländischen Grenze
belief sich der unmitnelbare Verkehr mit überseeischen Häsen
1910 auf etwa 452 257 t.
8 2. Entwicklung zum „konventionellen“
Strom.
I. Das Streben nach einheitlicher Berwaltung und Frei-
heit der Rh Sch besteht schon lange. Als mit dem Erschlafsen
der Gewalt des Kaisers, dem ursprünglich Verwaltung und
Nutzung von Strom und Schiffahrt als Regal zustanden,
die anliegenden Städte und Herren durch Zölle, Stapel-
und Umschlagszwang die Schiffahrt erschwerten, da unter-
nahmen es zunächst die Rheinischen Bündnisse, den Frieden
auf dem Rhein zu wahren und ungerechten Belastungen
vorzubeugen. Später gewannen die vier rheinischen Kur-
fürsten den größten Einfluß auf die RhSch. Im Jahre
1557 kamen sie überein, daß zur Ordnung der Zölle und der
Wasserstraße sich alljährlich ihre Bevollmächtigten zu Kon-
venten oder Zollkapiteln vereinigen sollten. Aber noch am
Ende des 18. Jahrhunderts erhoben von Straßburg bis zur
deutsch-niederländischen Grenze 10 Landesherrschaften Rhein-
zölle an 31 Zollstätten („Rheinstrom“). Im Zusammenhang
mit der französischen Revolution wurde das Streben nach
Freiheit und einheitlicher Verwaltung der Schiffahrt auf
den internationalen Strömen, vor allem auf dem Rhein,
neu belebt. Nach Abtretung des linken Rheinufers an
Frankreich im Frieden v. Lüneville v. 9. 2. 1801 wurde
im Reichsdeputationshauptausschuß ausgesprochen, daß der
Rhein von den Grenzen der Batovischen bis zu denen der
Helvetischen Republik ein für das Deutsche Reich und die
französische Republik gemeinsamer Strom geworden und
daß der Schiffahrtsoktroi von beiden gemeinsam geregelt
werden solle. Die näheren Vereinbarungen kamen am 14. 8.
1804 als „Cconvention sur Uoctrol de navigation du Rhin“
oder „Oktroikonvention“ zustande, an deren Spitze die
Gemeinsamkeit der Rh Sch ausdrücklich betont ist. Die Aus-
führung soll ein von Deutschland und Frankreich gemeinsam
zu ernennender Generaldirektor mit Unterstützung von vier
Inspektoren überwachen und leiten. Die Abgaben werden
gemeinschaftlich durch 12 Oktroistellen erhoben. 1811 wurde
die Konvention auf die Niederlande für Niederrhein, Lek,
Waal und Asel ausgedehnt. Während der Freiheitskriege
übertrug Frhr. vom Stein als Leiter der Zentralverwaltung
der Verbündeten dem Grafen Solms-Laubach die Rh Sch-
Angelegenheiten zur „provisorischen Verwaltung“.
II. Die heutige Verwaltung nimmt ihren Aus-
gang vom I. Pariser Frieden v. 30. 5. 1814,
dessen a 5 die Freiheit der Rh Sch unter den euro-
päischen Großmächten vertraglich festlegt. Zur
Beratung über die Ausführung wurde auf dem
Wiener Kongresse eine Kommission ernannt, be-
stehend aus den Vertretern Preußens, Oester-
reichs, Englands und Frankreichs, später auch
Bayerns, Badens, Rheinhessens, Nassaus, der
Niederlande, Württembergs und Kurhessens.
Das Ergebnis war, daß einmal in die Akte des
Wiener Kongresses selbst einige grundlegende Be-
stimmungen für alle internationalen Ströme auf-
genommen wurden, wonach die Uferstaaten die
Schiffahrt auf diesen Strömen „d'un commun
accord“ regeln sollen. Die besonderen für den
Rhein und andere Wasserstraßen bestimmten
und der Akte beigefügten Artikel sollten ebensolche
Geltung haben, als wenn sie in den Text der
Akte selbst eingefügt wären. In den „Artikeln für