Rheinschiffahrt
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Rheinschiffahrt“ werden zunächst die allgemeinen
Vorschriften über die Freiheit der Schiffahrt,
die gemeinsame Verwaltung der Abgaben und
der Polizei wiederholt. Aus den Sondervor-
schriften für den Rhein ist hervorzuheben, daß aus
je einem Vertreter der Uferstaaten eine alljährlich
zusammentretende Zentralkommission gebildet
werden und daß die Uferstaaten die weiteren Ein-
zelvorschriften allein erlassen sollen. Die Zentral-
kommission hat nach Maßgabe der „Artikel für die
Rheinschiffahrt“ das Schiffahrtsreglement zu ent-
werfen, das außerdem alles in der Oktroikonven=
tion Angeordnete umfaßt. Sodann soll sie einen
Teil der Aufgaben der „provisorischen Verwal-
tung“ übernehmen, während ein anderer Teil,
insbesondere die Erhebung der Abgaben, auf die
uferstaatlichen Behörden übergeht. Durch die
Aufnahme in die Akte des Wiener Kongresses
wurden diese Bestimmungen zu einer Sache aller
Kongreßmächte. Demgemäß hoben auf dem
Kongresse zu Verona die fünf europäischen Groß-
mächte hervor (Prot v. 17. 11. 1822), daß sie an
der Durchführung dieser Vorschriften mitzu-
wirken befugt seien.
Die Zentralkommission trat im August 1815
zusammen. Die Vereinbarung des endgültigen
Reglements verzögerte sich jedoch durch lange
Kämpfe, die im wesentlichen dadurch entstanden,
daß die Niederlande die in den Bestimmungen des
Pariser Friedens und des Wiener Kongresses
gebrauchte Wendung „jusqu'à la mer“ nur auf
die Schiffahrt bis an das Meer, nicht auf den
Uebergangsverkehr durch die Mündungsarme des
Rheins in das offene Meer bezogen und diesen
mit willkürlichen, beschwerlichen Abgaben be-
lasteten. Als endlich die Entwicklung der Rhöch
eine Einigung unaufschiebbar machte, kam am
31. 3. 31 das Reglement als „Rheinschiffahrts-
ordnung“ zustande (Ratifikation 16. 6. 31). Man
ließ die grundsätzlichen Streitfragen unberührt
und gestand auch den Niederlanden zu, außer den
allgemeinen Schiffahrtsabgaben eine besondere
Gebühr für den Uebergang von der See in den
Strom zu erheben. Im Laufe der Jahre wurde
die Schiffahrtsordnung mancherlei Aenderungen
unterworfen. Besonders einschneidend wirkte
die im Jahre 1860 beginnende Aufhebung sämt-
licher Schiffahrtsabgaben, die Preußen gegen-
über den andern deutschen Uferstaaten in den
Friedensverträgen von 1866 zum Abschluß brachte.
Am 1. 7. 69 wurde daher an Stelle der „Rhein-
schiffahrtsordnung“ die am 17. 10. 69 von der
Zentralkommission beschlossene „revidierte
Rheinschiffahrtsakte“ (Rhöch A) mit
einem Schlußprotokoll, in dem erläuternde Be-
merkungen und Verabredungen niedergelegt sind,
gesetzt. Am 18. 9. 95 ist ein Zusatzprotokoll zum
Schlußprotokoll und am 4. 6. 98 eine Aenderung
der Ziff. 4 A des Schlußprotokolls vereinbart
worden.
Außerdem sind von den Rheinuferstaaten durch
die Zentralkommission weitere teilweise noch
später zu erwähnende Vereinbarungen zur Aus-
führung der Rhöch A und über besondere Ange-
legenheiten der RhSch getroffen worden, deren
wichtigste die „Rheinschiffahrtspolizeiordnung“ ist.
III. Die Schweiz ist an den angeführten
Verhandlungen und Abmachungen nicht betei-
gegählt obwohl der schiffbare Lauf des Rheins
is Basel gerechnet, also auch schweizerisches Ge-
biet berührt, und Schiffahrt tatsächlich bis dort
betrieben wird. Es besteht nur ein besonderer Vt
zwischen Baden und der Schweiz v. 16. 5. 75
Über die Schiffahrt auf der Strecke Neuhausen
bis unterhalb Basel.
# 3. Der Rhein als konventioneller Strom.
Durch diese Vereinbarungen ist der Rhein bis
zum Ausfluß der Waal bei Loevestein und des
Lek bei Krimpen, wo das Mündungsgebiet be-
innt, zum „konventionellen Strom“ geworden.
ie einzelnen Uferstaaten sind verpflichtet, die
Rhch im Einverständnis miteinander und mög-
lichst gleichmäßig auf Grund von vereinbarten
Vorschriften zu verwalten, haben aber die Ge-
bietshoheit über die ihr Land berührenden Teile
des Stromes inne, und zwar über die ganze Breite,
soweit beide Ufer zum Landgebiete desselben
Staates gehören, soweit die Ufer verschiedenen
Staaten angehören, nach allgemeiner Regel bis
zum „Talweg“ oder bis zu einer durch besondere
Abmachung bestimmten anderen Linie, und üben
insbesondere die Schiffahrtspolizei selbst aus. Die
Vereinbarungen der Uferstaaten treten nur durch
Vermittlung der Staatsgewalt der einzelnen
Uferstaaten in Kraft. Die früher vorhandenen
Ansätze zu einer Entwicklung dahin, daß die Ver-
waltung der Rhöch durch eine für die ganze
Wasserstraße maßgebende Gewalt unmittelbar
den Einzelnen gegenüber ausgeübt werde, sind
verschwunden.
Der Grundsatz, daß die Uferstaaten alles, was
auf die Rhöch bezug habe, gemeinsam regeln
sollten, ist aber vielfach durchbrochen worden.
Unter Nr. 5 des Schlußprotokolls zur Rhöch A
ist gesagt, daß die Befugnis des einzelnen Ufer-
staates, Uebertretungen polizeilicher Vorschriften,
die in den gemeinsam erlassenen Verordnungen
nicht erwähnt seien, unter Strafe zu stellen, nicht
beschränkt werde. Damit ist den einzelnen Ufer-
staaten die allgemeine Ermächtigung gegeben,
neben der Erfüllung der Vereinbarungen sämtlicher
Uferstaaten selbständig eine weitere schiffahrts-
polizeiliche Tätigkeit zu entfalten. Ferner sind in
der Rhöch A selbst und der Rhch Polizeiordnung
einige besondere Ausnahmen von der gemein-
samen Regelung enthalten. Infolge dieser Be-
fugnis der einzelnen Uferstaaten zur selbständigen
Tätigkeit auf dem Gebiete der Rhöch können sie
auch mit einzelnen oder mehreren anderen Ufer-
staaten Sondervereinbarungen über die Rhöch
treffen, was insbesondere die deutschen Uferstaa-
ten durch Abmachungen untereinander getan ha-
ben. Endlich ist, soweit nicht bereits in den Ver-
einbarungen Vorschriften enthalten sind, die Ein-
setzung der zur Verwaltung der Rhöch notwen-
digen Behörden und die Umgrenzung ihrer Zu-
ständigkeit Sache der einzelnen Uferstaaten, so daß
hierfür die besonderen landesrechtlichen Be-
stimmungen und ergänzend das allgemeine Lan-
desrecht zur Anwendung kommen.
# 4. Die Freiheit der Rheinschiffahrt ist in
zweifacher Beziehung festgelegt, in bezug auf die
Ausübung der Schiffahrt und hinsichtlich
der Abgaben. Nach a 1 Rhöch #soll „die
Schifsahrt auf dem Rhein von Basel bis in das
offene Meer . . sowohl aufwärts als abwärts
ligt und wird auch nicht zu den Rheinuferstaaten unter Beachtung der in diesem Vertrage festge-