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Richter
Mecklenburg, Hamburg; dagegen erst nach Voll-
endung des 70. Lebensjahres in Hessen, Braun-
schweig und Oldenburg. In Sachsen und Hessen
ibt aber außerdem die Vollendung des 40.
Hienstiahres denselben Anspruch. Während regel-
mäßig es vom freien Willen des R. abhängt, ob
er nach Erreichung der Altersgrenze seine Ver-
setzung in den Ruhestand erbitten will, ist dies in
einzelnen Staaten anders. In Sachsen kann die
Justizverwaltung die Pensionierung des 65 Jahre
alten R. nach ihrem Ermessen herbeiführen. In
Elsaß-Lothringen ttritt sogar der R.
kraft Gesetzes in den Ruhestand beim
Ablaufe des Monats, in dem er das 70. Lebens-
jahr vollendet hat (§ 47 G v. 13. 2. 99, Gl 3).
Im übrigen 7/ „Beamte“.
§s 2. Fähigkeit zum Richteramte. Das G##
regelt sie nur in den allgemeinsten Grundzügen,
während im übrigen den Landesgesetzen freier
Spielraum bleibt. Die Fähigkeit zum R.Amte
wird reichsrechtlich durch zwei Prüfungen erlangt.
Der ersten Prüfung muß ein mindestens dreijäh-
riges Rechtsstudium voraufgehen, von dem
mindestens drei Halbjahre an einer deutschen
Universität zu verbringen sind. Zwischen der
ersten und der zweiten Prüfung liegt der
Vorbereitungsdienst, der nach Reichs-
recht mindestens drei Jahre beträgt und bei
Gerichten, Rechtsanwälten und zum Teil bei
der Staatsanwaltschaft zu leisten ist (unten § 3).
Das Landesrecht kann den Zeitraum für das
Studium oder für den Vorbereitungsdienst ver-
längern, kann auch bestimmen, daß der Vor-
bereitungsdienst bis zu längstens einem Jahre
bei Verw Behörden zu leisten ist oder geleistet
werden darf (GVG 5. 2). Ohne staatliche Prü-
fung und ohne Vorbereitungsdienst zum R. Amte
fähig ist ferner jeder ordentliche öffentliche Lehrer
des Rechtes an einer deutschen Universität (GVG
§4). Reichsrechtlich besteht eine richterliche Frei-
zügigkeit: wer in einem Bundesstaate die R. Amts-
fähigkeit erlangt hat, ist zu jedem R. Amt innerhalb
des Deutschen Reichs befähigt (GVG 8 5); wer
die erste Prüfung in einem Bundesstaat abgelegt
hat, kann in jedem Bundesstaate zum Vorberei-
tungsdienst und zur zweiten Prüfung zugelassen
werden (GVG 853). Diese Vorschriften geben in-
dessen nicht den geprüften Anwärtern ein Recht auf
Anstellung oder Zulassung, sondern nur den Einzel-
staaten eine entsprechende Befugnis. Ein praktischer
Gebrauch wird regelmäßig von ihr nicht gemacht.
3. Prüfungen und Vorbereitungsdienstt).
I. Die — am Schlusse unter „Rechtsquellen“
zusammengestellten — landesrechtlichen Vorschrif-
1) Val. die tabellarische Zusammenstellung in dem Gut-
achten von Berger, Freizügigkeit und Simultanzulassung,
Zugabe zur Jur. Wochenschrift 13 Nr. 13 mit Berichtigung
für Bauern und Sachien in JIW. 13. 760.
Die Frage der Vorbildung hat eine schon kaum mehr
übersehbare Fülle an literarischen Aeußerungen wachgeru-
sen. Hervorragend blieb Levbin Goldschmidt, Rechts-
studium und Prüjungsordnung, 1387. Für die neuere Zeit
vgl. (außer wiederholten Verhandlungen des deutschen
Juristentages) bes. Gerland, Die Reform des juristischen
Studiums, 1911. Den Zusammenhang zu halten mit der
Vorbereitung zum höheren Verwaltungsdienst [N1 ist
eine Frage von nicht hoch genug einzuschägender Bedeu-
tung. (D. H.)
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ten über die Prüfungen und den Vorbereitungs-
dienst ergeben folgendes Gesamtbild. Die reichs-
gesetzliche Studienzeit von drei Jahren
ist in einigen Bundesstaaten verlängert: in
Bayern auf 4 Jahre, von denen jedoch 1 Jahr
der Philosophie gewidmet werden darf; in Würt-
temberg, Baden und Hessen auf 3 ½ Jahre, wo-
bei Baden jedoch unter Umständen vom 7. Se-
mester befreit. Elsaß-Lothringen hült noch in
seiner neuesten Prüf O v. 16. 8. 13 daran fest,
daß der Vorbereitungsdienst sich um ½ Jahr,
also auf 3½ Jahre verkürzt, falls das Rechts-
studium freiwillig auf 7 Semester verlängert
wird. Sachsen gab früher ebenfeolls das 7. Se-
mester anheim und verkürzte, falls es dem Stu-
dium gewidmet wurde, den Vorbereitungsdienst
auf 3½ Jahre. Durch Kgl V v. 1. 7. 11 (GVBl.
151) ist dies aufgehoben, so daß das Studium
; Jahre und der Vorbereitungsdienst stets 4 Jahre
auert.
Die erste Prüfung findet in Preußen
bei den Oberlandesgerichten statt, wobei jedoch
die Bezirke Marienwerder, Posen, Frankfurt a. M.
und Düsseldorf keine eigenen Prüfungskommissio-
nen besitzen, sondern mit Nachbarbezirken zu-
sammengefaßt sind. Auch in Oldenburg und
Thüringen ist die Kommission für die erste Prü-
fung dem O# angegliedert. Bei den Universi-
täten wird die erste Prüfung abgehalten in
Bayern, Sachsen, Württemberg, Hessen und
Elsaß-Lothringen. In Baden findet sie, bei dem
Justizministerium statt. Die kleinen Staaten
lassen ihre Rechtskandidaten meist durch Preußen.
prüfen, die freien Städte außer durch Preußen
auch durch Sachsen, Mecklenburg, Jena und Elsaß-
Lothringen, Hamburg und Bremen auch durch
Baden.
Die Prüfungskommissionen für die erste
Prüfung bestehen nur aus Universitäts-
lehrern: in Sachsen, Württemberg und
Hessen, überwiegend auch in Bayern; nur
aus Praktikern in Baden und Braun-
schweig. In den übrigen Bundesstaaten prüfen
Praktiker und Universitätslehrer gemeinsam. Eine
große häusliche Arbeit mit sechswöchiger Frist
fordern Preußen, Anhalt, Mecklenburg, Thü-
ringen und Elsaß-Lothringen; daneben bestehen
in diesen Staaten drei Klaufuren. Bayern
kennt nur 4 Klausuren ohne häusliche Arbeit;
ebenso Sachsen 3 Klaufuren. Württemberg
fordert 16 Klausuren, Baden sogar 44 Klau-
suren. Bayern hat ferner seit 1899 eine Zwi-
schenprüfung, die frühestens nach dem 3. Stu-
diensemester abgelegt werden kann und die ge-
schichtlichen Grundlagen des römischen und deut-
schen Privatrechts umfaßt.
II. Der Vorbereitungsdienst, dessen
Dauer (wie in Abs 1 erwähnt) zwischen 3, 3½ und
4 Jahren in den einzelnen Staaten schwankt,
führt den „Referendar“ (in Bayern „Rechtsprakti-
kanten“) durch alle Zweige des gerichtlichen Dien-
stes, mit Einschluß der Staatsanwaltschaft, der
Rechtsanwaltschaft und des Notariats. In
Bayern, Baden, Hessen, Mecklenburg, Braun-
schweig, Elsaß-Lothringen wird der junge Jurist
auch noch bei Verwehörden ausgebildet; in
Sachsen, Württemberg und Hamburg ist ihm
eine Beschäftigung in der Verwaltung wenigstens
ermöglicht. Daneben wird für eine praktische und