Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Sachsen (Königreich) 
  
fassungsgelöbnisses in Gegenwart sämtlicher Mi- 
nister und der beiden Präsidenten der Stände- 
kammern ist die Rechtspflicht des Königs begrün- 
det, die Staatsgewalt unter den durch die Ver- 
fassung festgesetzten Bestimmungen auszuüben. 
Ohne Zustimmung der Stände kann der König 
nicht Oberhaupt eines andern Staates werden, 
Erbanfälle ausgenommen, noch seinen wesent- 
lichen Aufenthalt außer Landes nehmen. 
Als Ehrenrechte kommen in Betracht: beson- 
dere Titulatur (durch das Generale v. 29. 12. 1806 
festgestellt), Führung des Familienwappens, das zu- 
gleich Staatswappen ist, Haltung eines Hofstaates 
mit Rangregelung durch die Hofrangordnung, die 
renhoheit d. i. die Fähigkeit, persönliche Aus- 
zeichnungen in Gestalt von Titeln, Orden und 
Adelsprädikaten zu verleihen, und die Landes- 
trauer. Unter diesen äußerlichen Vorzügen genießt 
der König den Vorteil eines besonderen Ehrenstan- 
des. Dazu gehört sowohl der besondere strafrecht- 
liche Schutz seiner Person als auch sein besonderes 
Verhältnis zur Rechtsordnung 11 danderhen 
Der König erläßt und „promulgiert“ die Gesetze 
mit Bezugnahme auf die erfolgte Zustimmung 
der Stände und erteilt die zu deren Vollziehung 
und Handhabung erforderlichen, sowie die aus 
dem Aussichts= und Verwzechte fließenden Ver- 
fügungen und Verordnungen. Der König erläßt 
auch die sog. Notverordnungen, wenn 
deren vorübergehender Zweck durch Verzögerung 
vereitelt würde; dafür, daß hierbei das Staats- 
wohl die Eile gebietet, sind sämtliche Minister ver- 
antwortlich und haben daher auch sämtlich die 
Notverordnung gegenzuzeichnen. Die Verfassung 
und das Wahlgesetz können durch die Notverord- 
nung nicht abgeändert werden. ( Verordnung.) 
II. Thronfolge. Die Krone ist erblich 
im Mannesstamme des Sächsischen Fürstenhauses 
— d. i. das Kgl Haus S. Albertinischer Linie (vgl. 
&1 des Haus G v. 30. 12. 37) — nach dem Rechte 
der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge 
vermöge Abstammung aus ebenbürtiger Ehe. 
Vermag das sächsische Fürstenhaus nicht eine 
diese Bedingungen in sich erfällende Person als 
Thronfolger zu stellen, so tritt an Stelle der or- 
dentlichen die außerordentliche Thronfolge ein, 
in der Verfassung „fernere Erbfolge" genannt. 
Bei dieser haben zunächst die durch die abge- 
schlossenen Erbverbindungen Berech- 
tigten Anspruch auf Thronfolge. Die Einrichtung 
der Erbverbindung geht auf das alte Lehensrecht 
zurüc. Um die bei diesem Lehensrecht bestehende 
öglichkeit des Lehensheimfalls an den Kaiser 
im Falle des gänzlichen Mangels von Leibeslehens- 
erben zu vermeiden, verbanden sich blutsverwandte 
oder befreundete Fürstenhäuser, zwischen denen 
ein lehensrechtlicher Zusammenhang nicht oder 
nicht mehr bestand, zu gegenseitiger Erbfolge durch 
Vertrag, der dann die kaiserliche Bestätigung durch 
die Vornahme der „Mitbelehnung" fand. S. hat 
solche Erbverbindungen in erster Linie geschlossen 
mit der ernestinischen Linie durch den Naum- 
burger Leihvertrag v. 26. 2. 1554 — das zwischen 
beiden Linien bestehende Lehensband war durch 
die Aechtung des Kurfürsten Johann Friedrich 
im Jahre 1546 zerrissen worden — dann mit 
Hessen und schließlich mit Brandenburg. 
In Ermangelung auch der durch Erbverbrü- 
derung Berechtigten geht dann die Krone im 
  
Wege der ferneren Erbfolge auf eine aus eben- 
bürtiger Ehe abstammende weibliche Li- 
nie, ohne Unterschied des Geschlechtes, über. 
Hierbei hat zunächst die Nähe der Verwandtschaft 
mit dem zuletzt regierenden Könige, bei gleicher 
Nähe das Alter der Linie und in dieser das 
Alter der Person zu entscheiden. Nach dem Ueber- 
gang gilt dann wieder der Vorzug des Mannes- 
stammes in der Primogeniturordnung. 
III. Regierungsverwesung. Wie die 
Erbfolge, so hat die Verfassung auch für den Fall, 
der Minderjährigkeit des Königs — mit Vollen- 
dung des 18. Lebensjahres volljährig — oder sei- 
ner Verhinderung an der Ausübung der Regie- 
rung infolge von Krankheit, längerer Abwesen- 
heit usw. genaue Bestimmungen getroffen. Der 
Ausschluß von der Thronfolge bei körperlichen oder 
geistigen Gebrechen des Berufenen, wie er früher 
stattfand, ist weggefallen. Bei jeder Art von 
Regierungsunfähigkeit tritt jetzt die Regie- 
rungsverwesung ein ( Regentschaftl. 
Der Regierungsverweser übt die Staatsgewalt 
mit folgenden Einschränkungen aus: 
1. Es steht ihm ein Regentschaftsrat, durch die 
oberste Staatsbehörde gebildet, zur Seite, dessen 
Gutachten er in wichtigen Angelegenheiten ein- 
zuholen hat. 
2. Verfassungsänderungen M dürfen weder von 
ihm bei den Ständen angeregt, noch, falls sie von 
den Ständen beantragt werden, von ihm geneh- 
migt werden. Letzteres ist ihm jedoch nachge- 
lassen, wenn der zur Anordnung der Verwesung 
berufene Familienrat der Aenderung mit absolu- 
ter Mehrheit zustimmt. 
3. Die Erziehung des minderjährigen Königs 
gebührt dem Verweser neben der Mutter bezw. 
Großmutter väterlicherseits. Bei Festsetzung des 
Erziehungsplanes und Ernennung der Lehrer hat 
in Streitfällen der Regentschaftsrat unter dem 
Vorsitze des Verwesers zu entscheiden. 
IV. Staatsgut und Vermögen 
des Königshauses. Die vor der Ver- 
fassung vorhanden gewesenen öffentlichen Ver- 
mögensmassen sind in der Verfassung folgender- 
maßen geordnet worden: 
1. Staatsgut. Zu ihm ist alles zu rechnen, 
was die Krone an Kammergütern, Domänen [Nl, 
Grundstücken, Gebäuden, Regalien, Kapitalien, 
Einkünften, öffentlichen Rechten usw. besitzt und 
erwirbt. Es ist unteilbar und geht in seinem gan- 
zen Umfange auf den jedesmaligen Thronfolger 
über. Verwaltet wird es von dem Finanz Min, 
das es lediglich zu Staatszwecken benützen darf. 
Nötige oder nützliche Veräußerungen klleineren 
Umfanges sind erlaubt; es treten dann besondere 
Bestimmungen in Kraft. Die in 5 19 getroffene 
Uebergangsbestimmung hebt nur die geänderte 
Stellung der Person des Eigentümers — der bis- 
herige Landesherr alten Rechts ist jetzt verfassungs- 
mäßiger König mit Beschränkung in der Staats- 
gutgebarung — hervor. 
2. Das Königliche Hausfidei- 
kommifß besteht a) aus allem, was zur Ein- 
richtung und Zierde der Kal Schlösser, Hofge- 
bäude und Güter und überhaupt zum Glanze des 
Hofes dient, den Ställen, Pferden. Wagen und 
dem Inhalt sämtlicher Kgl Sammlungen. b) Aus 
dem, was ihm aus dem Privatvermögen des 
Königs oder von dessen Civilliste ( zuwächst.
	        
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