Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Sachsen (A. Verfassung) 
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Das Hausfideilommiß ist zwar Eigentum des 
Kgl Hauses und sein Besitz geht auf den jedes- 
maligen Regenten über; vom Lande getrennt 
oder veräußert werden darf es abgesehen von be- 
sonderen Ausnahmen jedoch nicht. 
3. Das Privatvermögen des Kö- 
nigs besteht aus dem, was der König vor der 
Thronbesteigung bereits besessen hat oder später 
aus Privatrechtstiteln erworben hat. Ueber das- 
selbe steht dem Könige freie Verfügungsgewalt 
zu. Bei Nichtverfügung im Todesfalle tritt keine 
gesetzliche Erbfolge nach BGB ein; es wächst 
vielmehr das Privatvermögen dem Hausfidei- 
kommisse zu. 
4. Die Civilliste IM ist eine mit den 
Ständen für die Dauer der jedesmaligen Regie- 
rung vereinbarte, dem Könige überwiesene Sum- 
me aus den Staatskassen, über die der König freie 
Verfügungsgewalt hat. Sie dient zur Bestrei- 
tung des persönlichen Bedarfs des Königs und der 
Königin, der Unterhaltungs= und Erziehungs- 
kosten seiner Kinder und des Gesamtaufwands für 
die Hofhaltung, Hofküche, Hofkapelle, Hoftheater 
und Schlösser. Die beim Todesfall des Königs 
vorhandenen Ersparnisse an der Zivilliste fallen 
an das Hausfideikommisß, falls nicht über sie auf 
den Todesfall verfügt worden ist. 
5. Apanagen (I und andere Ge- 
bührnisse der Glieder des Kgl Hauses, 
deren Höhe und Zuteilung im Hausgesetz näher 
geordnet ist. Sie sind im Einvernehmen mit 
den Ständen festzusetzen und aus den Staats- 
kassen ohne Zurechnung auf die Zidvilliste zu ge- 
währen. *! i*.“-—.ö 
3. Rechtsstellung der Untertanen. Jede 
innerhalb der Grenzen Sachsens sich aufhaltende 
Person ist zur Beobachtung der Gesetze verpflichtet 
und hat Anspruch auf gesetzlichen Schutz. Jedem 
Landesbewohner ist völlige Gewissensfreiheit und 
Schutz in der Gottesverehrung seines Glaubens 
gewährt. Einen Unterschied in der Perufung. zu 
irgend einer Stelle im Staatsdienst infolge Ver- 
schiedenheit von Stand und Geburt gibt es nicht. 
Wegen eines gesetz= oder ordnungswidrigen Ver- 
fahrens einer Behörde oder wegen Verzögerung 
einer Entscheidung kann jeder bei der zunächst 
vorgesetzten Behörde schriftlich Beschwerde führen. 
Auch nach Ausspruch der obersten Staatsbehörde 
kann 8 Betreffende bei den Ständen noch wei- 
tere Beschwerde führen. Im übrigen bleibt es 
unbenommen, Wünsche und Beschwerden bei dem 
Regenten unmittelbar anzubringen. 
Die meisten besonderen Pflichten, die in der 
Verfassung genannt sind, haben im späteren Ver- 
lauf der Entwicklung eine spezielle landes- oder 
reichsrechtliche Normierung erfahren IX Oeffent- 
liche Rechtel. 
#s4. Die Staatsorganisation. 
I. Vom Staatsdienst. Als oberste 
Dienststellen für die sächsischen Behörden bestehen 
die Ministerialdepartements der Justiz, der Fi- 
nanz, des Innern, des Kriegs, des Kultus und 
öffentlichen Unterrichtes und der auswärtigen 
Angelegenheiten, deren Vorstände den Ständen 
verantwortlich sind und die zusammen das 
„Gesamtministerium“ und die oberste kollegiale 
Staatsbehörde bilden. Daneben kann vom König 
ein Staatsrat I gebildet werden, in welchen 
  
außer den Ministern die dem König geeignet 
erscheinenden Personen entsandt werden. 
Die Staatsdiener sind für ihre Dienstleistungen 
verantwortlich. Ihre Verhältnisse sind durch ein 
besonderes Gesetz geregelt. Hofdienst ist nicht 
Staatsdienst. 
Alle vom König unterzeichneten Verfügungen 
in Regierungsangelegenheiten müssen von dem 
Vorstande des betreffenden Ministerialdeparte- 
ments gegengezeichnet sein. Eine Verfügung 
ohne solche Gegenzeichnung ist unverbindlich. 
II. Die Rechtspflege. Neben der 
reichsrechtlichen Regelung der Rechtspflege gibt 
das Landesrecht Garantien für die Unabhängig- 
keit der Richter in dem Staatsdienstgesetz. 
Der Fiskus [J/I nimmt in allen Rechtsstreitig- 
keiten bei den ordentlichen Landesgerichten Recht. 
Jedem, der sich durch einen Akt der Staatsver- 
waltung in seinen Rechten verletzt glaubt, steht der 
Rechtsweg offen, soweit nicht in einem besonderen 
Gesetz Ausnahmen hiervon getroffen sind. Bei 
Zuständigkeitszweifeln zwischen Justiz= und Verw- 
Behörden oder Verwaltungsgerichten (h entschei- 
det in letzter Instanz eine besondere Behörde, der 
Kompetenzgerichtsbof [J Rechtsweg III, 2371. 
Der König hat in strafrechtlichen Fällen das 
Recht der Abolition [, sowie der Verwandlung, 
Minderung oder des Erlasses der Strafe; schärfen 
kann er die zuerkannte Strafe jedoch nicht. 
III. Von den Kirchen, Unter- 
richtsanstalten und milden Stif- 
tungen. Die freie öffentliche Religionsaus- 
Übung steht nur den im Königreich S. aufgenom- 
menen (ev.-luth. Landeskirche, ev.-ref. Kirche, 
röm.-kath., deutsch-kath. Kirche) oder künftig, mit- 
tels besonderen Gesetzes, aufzunehmenden Kon- 
fessionen zu. Es dürfen weder neue Klöster errich- 
tet noch Jesuiten (j oder irgend ein anderer 
geistlicher Orden [X] jemals im Lande aufge- 
nommen werden IN Religionsgesellschaften)]. 
Der König übt die Staatsgewalt über die Kirche 
(das ius circa sacra), die Aufsicht und das Schutz- 
recht über dieselbe aus. Es sind daher die geist- 
lichen Behörden aller Konfessionen der Oberauf= 
sicht des Min des Kultus untergeordnet. Die 
innerkirchlichen Angelegenheiten werden durch 
die besondere Kirchenverfassung einer jeden Kon- 
fession geordnet. Die landesherrliche Kirchen- 
gewalt (ius episcopale) über die evangelischen 
Glaubensgenossen wird, solange der König einer 
anderen Konfession zugetan ist, von den in evange- 
licis beauftragten Staats Min — dem Vorstande 
des Kultus Min in Gemeinschaft mit wenigstens 
drei anderen Mitgliedern des Gesamt Min, sämt- 
lich der Landeskirche angehörend (besonderer Eid) 
— ausgeübt. 
Beschwerden über Mißbrauch der kirchlichen 
Gewalt können auch bis zu der obersten weltlichen 
Staatsbehörde gebracht werden. Die Kirchen, 
Schulen und deren Diener sind in ihren bürger- 
lichen Beziehungen und Handlungen den Staats- 
gesetzen unterworfen. 
Alle Stiftungen (X stehen unter dem besonderen 
Schutze des Staates. Ihr Vermögen oder Einkom- 
men darf nur zu Stiftungszwecken benützt werden. 
Nur in Ausnahmefällen, wenn der stiftungsmäßige 
Zweck nicht mehr zu erreichen ist, darf eine 
Verwendung zu anderen ähnlichen Zwecken unter 
Beobachtung gewisser Bedingungen platzgreifen. 
 
	        
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