330
Sachsen (Königreich)
Entschließung, im Ablehnungsfalle unter
Angabe der Gründe, mitgeteilt.
. Der Geschäftsbetrieb. Ein or-
dentlicher Landtag ist längstens alle 2 Jahre vom
Könige einzuberufen; außerordentliche Land-
tage werden nur im Bedürfnisfalle — bei dring-
lichen Gesetzgebungs= und Bewilligungsange-
legenheiten und bei Regierungswechsel — einberu-
fen. Der König ordnet auch den förmlichen Schluß
der Ständeversammlung, sowie eine Vertagung
derselben oder eine Auflösung der II. Kammer an.
Eine Vertagung darf ohne ständische Zustim-
mung nicht über 6 Monate dauern. Im Falle der
Auflösung hat die Neuwahl und die Einberu-
fung der Stände — die I. Kammer wird durch die
Auflösungsanordnung für vertagt erklärt — eben-
falls binnen 6 Monaten zu geschehen. Die Eröff-
nung und Entlassung der Ständeversammlung ge-
schieht entweder durch den König selbst oder durch
einen von ihm bevollmächtigten Kommissar. Ei-
genmächtig dürfen sich die Kammern weder ver-
sammeln noch nach Schluß oder Vertagung des
Landtags oder nach Auflösung der II. Kammer
versammelt bleiben und beratschlagen. Eine Aus-
nahme hiervon bildet die zulässige Tagung ständi-
scher Deputationen auch außerhalb des Land-
tags zur Vorbereitung bestimmt anzuzeigender Be-
ratungsgegenstände und zur Ausführung von
sanktionierten Beschlüssen in ständischen Ange-
legenheiten, wenn der König hierzu seine Geneh-
migung erteilt hat. Die definitiven Resultate des
Landtages werden in eine förmliche Urkunde,
den Landtagsabschied, zusammengefaßt.
Jede Kammer verhandelt getrennt von der ande-
ren und hat bei den an den König zu bringenden An-
gelegenheiten eine Kuriatstimme. Königliche Mit-
teilungen über Abgabenbewilligungsgegenstände
gehen zuerst an die II. Kammer, bei den übrigen
ist es in das freie Ermessen des Königs gestellt,
an welche Kammer die Mitteilung zuerst gelangen
soll. Beratungen der Kammern können nur bei
Anwesenheit von mindestens der Hälfte der durch
die Verfassung bestimmten Zahl der Mitglieder
stattfinden. Bei der Beschlußfassung gilt derselbe
Grundsatz. Außerdem ist hierfür bestimmt, daß
jedes Mitglied eine Stimme hat und die Be-
schlüsse mit Ausnahme bestimmter weniger Fälle
nach absoluter Stimmenmehrheit zu fassen sind.
Von einer Kammer an die andere gebrachte
Anträge, Gesetzentwürfe und Erklärungen können
mit Verbesserungsvorschlägen wieder zurückgege-
ben werden. Anträge und Beschlüsse, über welche
beide Kammern einig sind, werden in eine ge-
meinsame ständische Schrift zusammengefaßt und
bei der obersten Staatsbehörde eingereicht. Sind
die Kammern geteilter Ansicht, so hat zunächst
das oben beschriebene Vereinigungsverfahren
stattzufinden.
5# 7. Verfassungsgarantien. Die Beobachtung
der Verfassung wird gewährleistet durch das Ver-
fassungsgelöbnis des Königs, den auf die Beob-
achtung der Verfassung Bezug nehmenden Un-
tertanen= und Staatsdienereid und durch die im
§ 1 2 der Verf ausgesprochene besondere Er-
schwerung von Verf Aenderungen im allein dazu
führenden Wege der Gesetzgebung.
Als die wichtigste Maßregel zur Gewähr der
Verfassung bestehen die drei besonders geordne-
ten Verfahrensarten der Verfassungsbe-
schwerde (5 140: gemeinschaftlicher Antrag
beider Kammern beim König), der Minister-
anklage und der Verfassungsausle-
gung in Streitfällen (5 153: durch den Staats-
gerichtshof).
B. Behördenorganisation
5 8. Uebersicht. 1 9. Ministerium des Innern (I. Kreis-
hauptmannschaften. II. Amtshauptmannschaften. III. Or-
gane der Selbstverwaltung). 1 10. Ministerium der aus-
wärtigen Angelegenheiten. ## 11. Ministerium der Justiz.
12. Ministerium der Finanzen. 3 13. Ministerium des Kul-
tus und öffentlichen Unterrichts. # 14. Kriegsministerium.
z 8. NUebersicht. Auf Grund der Verfassung be-
stehen für die Handhabung der Gesetze und Ver-
ordnungen wie überhaupt für die Pflege des
ganzen Staatsbetriebes als oberste Behörden die
inisterien [ der Justiz, der Finanzen, des
Innern, des Kriegs, des Kultus und der aus-
wärtigen Angelegenheiten, deren Vorstände das
„Gesamtministerium“ als die oberste kollegialische
Staastbehörde bilden. Jedes Min ist bureau-
kratisch konstituiert und hat die in seinen Verw-
Zweig einschlagenden Gesetze vorzubereiten, die
zu deren Ausführung und Handhabung erforder-
lichen Verw Maßregeln zu treffen und die nötigen
Verordnungen zu erlassen, die Oberaufsicht über
die Verwaltung und die hierzu bestellten Diener
zu führen, die Disziplin zu handhaben, die zu
seinem Zweige gehörigen Stellen zu besetzen
und die erforderlichen Befähigungen zu erteilen,
die hierzu erforderlichen Prüfungen zu veranstal-
ten oder zu leiten und für die Bewahrung der
Landeshoheitsrechte Sorge zu tragen.
Nebengeordnet zu den Ministerien (aber 3, 5, 6
unter dem Gesamtmimnssterium) stehen:
1. Der Staatsrat 1/II.
2. Die in evangelicis beauftragten Staatsmini-
ster (loben § 4 III).
3. Die Oberrechnungskammer
Staatsrechnungswesen!l.
4. Der Kompetenzgerichtshof
Rechtsweg (Sachsen)!.
5. Das Oberverwaltungsgericht
[IVerwaltungsgerichtsbarkeit (Sachsen)!.
6. Das Hauptstaatsarchiv (/Archivelj.
Alle übrigen Behörden Sachsens sind den ein-
zelnen Ministerien je nach der Art ihres Dienst-
zweiges unterstellt.
5#9. Ministerium des Innern. Zu seinem Ge-
schäftskreis gehören im wesentlichen sämtliche
Staatsdiener= und Staatsangehörigkeitssachen,
alle kommunalen Angelegenheiten, die Polizei-
verwaltung, handels= und gewerberechtliche Funk-
tionen u. a. m.
Die Erledigung dieser Obliegenheiten erfolgt
durch Staatsbehörden oder durch Organe der
Selbstverwaltung. Die Verwaltung der Ge-
schäfte durch die Staatsbehörden geschieht teils
nach dem Realprinzip — d. h. es werden zur Wahr-
nehmung bestimmter Geschäfte besondere Behör-
den bestellt — teils nach dem Territorialprinzip
— d. h. die nicht ausdrücklich bestimmten Be-
hörden zugewiesenen Angelegenheiten eines räum-
lich begren zten Bezirks werden von den für diesen
Bezirk bestellten Behörden wahrgenommen. Be-