Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Sachsen (Königreich) 
  
Entschließung, im Ablehnungsfalle unter 
Angabe der Gründe, mitgeteilt. 
. Der Geschäftsbetrieb. Ein or- 
dentlicher Landtag ist längstens alle 2 Jahre vom 
Könige einzuberufen; außerordentliche Land- 
tage werden nur im Bedürfnisfalle — bei dring- 
lichen Gesetzgebungs= und Bewilligungsange- 
legenheiten und bei Regierungswechsel — einberu- 
fen. Der König ordnet auch den förmlichen Schluß 
der Ständeversammlung, sowie eine Vertagung 
derselben oder eine Auflösung der II. Kammer an. 
Eine Vertagung darf ohne ständische Zustim- 
mung nicht über 6 Monate dauern. Im Falle der 
Auflösung hat die Neuwahl und die Einberu- 
fung der Stände — die I. Kammer wird durch die 
Auflösungsanordnung für vertagt erklärt — eben- 
falls binnen 6 Monaten zu geschehen. Die Eröff- 
nung und Entlassung der Ständeversammlung ge- 
schieht entweder durch den König selbst oder durch 
einen von ihm bevollmächtigten Kommissar. Ei- 
genmächtig dürfen sich die Kammern weder ver- 
sammeln noch nach Schluß oder Vertagung des 
Landtags oder nach Auflösung der II. Kammer 
versammelt bleiben und beratschlagen. Eine Aus- 
nahme hiervon bildet die zulässige Tagung ständi- 
scher Deputationen auch außerhalb des Land- 
tags zur Vorbereitung bestimmt anzuzeigender Be- 
ratungsgegenstände und zur Ausführung von 
sanktionierten Beschlüssen in ständischen Ange- 
legenheiten, wenn der König hierzu seine Geneh- 
migung erteilt hat. Die definitiven Resultate des 
Landtages werden in eine förmliche Urkunde, 
den Landtagsabschied, zusammengefaßt. 
Jede Kammer verhandelt getrennt von der ande- 
ren und hat bei den an den König zu bringenden An- 
gelegenheiten eine Kuriatstimme. Königliche Mit- 
teilungen über Abgabenbewilligungsgegenstände 
gehen zuerst an die II. Kammer, bei den übrigen 
ist es in das freie Ermessen des Königs gestellt, 
an welche Kammer die Mitteilung zuerst gelangen 
soll. Beratungen der Kammern können nur bei 
Anwesenheit von mindestens der Hälfte der durch 
die Verfassung bestimmten Zahl der Mitglieder 
stattfinden. Bei der Beschlußfassung gilt derselbe 
Grundsatz. Außerdem ist hierfür bestimmt, daß 
jedes Mitglied eine Stimme hat und die Be- 
schlüsse mit Ausnahme bestimmter weniger Fälle 
nach absoluter Stimmenmehrheit zu fassen sind. 
Von einer Kammer an die andere gebrachte 
Anträge, Gesetzentwürfe und Erklärungen können 
mit Verbesserungsvorschlägen wieder zurückgege- 
ben werden. Anträge und Beschlüsse, über welche 
beide Kammern einig sind, werden in eine ge- 
meinsame ständische Schrift zusammengefaßt und 
bei der obersten Staatsbehörde eingereicht. Sind 
die Kammern geteilter Ansicht, so hat zunächst 
das oben beschriebene Vereinigungsverfahren 
stattzufinden. 
5# 7. Verfassungsgarantien. Die Beobachtung 
der Verfassung wird gewährleistet durch das Ver- 
fassungsgelöbnis des Königs, den auf die Beob- 
achtung der Verfassung Bezug nehmenden Un- 
tertanen= und Staatsdienereid und durch die im 
§ 1 2 der Verf ausgesprochene besondere Er- 
schwerung von Verf Aenderungen im allein dazu 
führenden Wege der Gesetzgebung. 
Als die wichtigste Maßregel zur Gewähr der 
Verfassung bestehen die drei besonders geordne- 
ten Verfahrensarten der Verfassungsbe- 
  
schwerde (5 140: gemeinschaftlicher Antrag 
beider Kammern beim König), der Minister- 
anklage und der Verfassungsausle- 
gung in Streitfällen (5 153: durch den Staats- 
gerichtshof). 
B. Behördenorganisation 
5 8. Uebersicht. 1 9. Ministerium des Innern (I. Kreis- 
hauptmannschaften. II. Amtshauptmannschaften. III. Or- 
gane der Selbstverwaltung). 1 10. Ministerium der aus- 
wärtigen Angelegenheiten. ## 11. Ministerium der Justiz. 
12. Ministerium der Finanzen. 3 13. Ministerium des Kul- 
tus und öffentlichen Unterrichts. # 14. Kriegsministerium. 
z 8. NUebersicht. Auf Grund der Verfassung be- 
stehen für die Handhabung der Gesetze und Ver- 
ordnungen wie überhaupt für die Pflege des 
ganzen Staatsbetriebes als oberste Behörden die 
inisterien [ der Justiz, der Finanzen, des 
Innern, des Kriegs, des Kultus und der aus- 
wärtigen Angelegenheiten, deren Vorstände das 
„Gesamtministerium“ als die oberste kollegialische 
Staastbehörde bilden. Jedes Min ist bureau- 
kratisch konstituiert und hat die in seinen Verw- 
Zweig einschlagenden Gesetze vorzubereiten, die 
zu deren Ausführung und Handhabung erforder- 
lichen Verw Maßregeln zu treffen und die nötigen 
Verordnungen zu erlassen, die Oberaufsicht über 
die Verwaltung und die hierzu bestellten Diener 
zu führen, die Disziplin zu handhaben, die zu 
seinem Zweige gehörigen Stellen zu besetzen 
und die erforderlichen Befähigungen zu erteilen, 
die hierzu erforderlichen Prüfungen zu veranstal- 
ten oder zu leiten und für die Bewahrung der 
Landeshoheitsrechte Sorge zu tragen. 
Nebengeordnet zu den Ministerien (aber 3, 5, 6 
unter dem Gesamtmimnssterium) stehen: 
1. Der Staatsrat 1/II. 
2. Die in evangelicis beauftragten Staatsmini- 
ster (loben § 4 III). 
3. Die Oberrechnungskammer 
Staatsrechnungswesen!l. 
4. Der Kompetenzgerichtshof 
Rechtsweg (Sachsen)!. 
5. Das Oberverwaltungsgericht 
[IVerwaltungsgerichtsbarkeit (Sachsen)!. 
6. Das Hauptstaatsarchiv (/Archivelj. 
Alle übrigen Behörden Sachsens sind den ein- 
zelnen Ministerien je nach der Art ihres Dienst- 
zweiges unterstellt. 
5#9. Ministerium des Innern. Zu seinem Ge- 
schäftskreis gehören im wesentlichen sämtliche 
Staatsdiener= und Staatsangehörigkeitssachen, 
alle kommunalen Angelegenheiten, die Polizei- 
verwaltung, handels= und gewerberechtliche Funk- 
tionen u. a. m. 
Die Erledigung dieser Obliegenheiten erfolgt 
durch Staatsbehörden oder durch Organe der 
Selbstverwaltung. Die Verwaltung der Ge- 
schäfte durch die Staatsbehörden geschieht teils 
nach dem Realprinzip — d. h. es werden zur Wahr- 
nehmung bestimmter Geschäfte besondere Behör- 
den bestellt — teils nach dem Territorialprinzip 
— d. h. die nicht ausdrücklich bestimmten Be- 
hörden zugewiesenen Angelegenheiten eines räum- 
lich begren zten Bezirks werden von den für diesen 
Bezirk bestellten Behörden wahrgenommen. Be-
	        
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