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Seäkularisation
32, 1, 36 ff und Roth, Benefizialwesen). Aehnlich
verfuhr im 10. Jahrh. Herzog Arnulf v. Bayern
im Kampfe gegen Magyaren und König Kon-
rad I. (Riezler, Gesch. Bayerns 1, 324 ff), im
11. Jayrh. König Heinrich II. u. a. Umwandlung
eistlicher Territorien und Einziehung deutscher
irchengüter im großen Stil brachte die Refor-
mation (Lit. bei Dove-Sehling 840—843).
Als Typus sei Hessen genannt, das allein ein halbes
Hundert Klbster beherbergte und für dessen S. jetzt die
genauesten Zahlen vorliegen. W. Wolff (Die S. und VBer-
wendung der Stifts= und Klostergüter in Hessen-Kassel
unter Philipp d. Gr. und Wilhelm IV, 1913, 384) hat be-
rechnet, daß etwa 59% des säkularisierten Klostergutes zu
rein kirchlichen, kirchlich-wissenschaftlichen und speziell wohl-
tätigen Zwecken verwendet worden sind und 88% als Ersatz
für die wegge fallenen Leistungen der Kirchen und Klöster
der staatlichen Landesverwaltung Überwiesen wurden.
Uebrigens säkularisierten katholische Fürsten,
allen voran Oesterreich, nicht weniger gründlich
als protestantisch gewordene. Durch das säkula-
risierte Kirchengut wurden damols vielfach Uni-
versitäten (Marburg, das erste Generalstudium
ohne päpstliche Genehmigung; Jena, Altdorf,
Gandersheim-Helmstädt, Königsberg), Hospitä-
ler, Pfründnerhäuser u. a. gemeinnützige Anstalten
ins Leben gerufen. ç
III. Auf dem westfälischen Frie-
denskongreß 1645—48 war es besonders
Kurfürst Friedrich Wilhelm, der unter heftiger,
aber vergeblicher Gegnerschaft Bayerns der S.
das Wort redete. Frankreich bekam Metz,
Toul, Verdun; Schweden: Bremen, Verden;
Brandenburg: Halberstadt, Minden, Ka-
min, Magdeburg; Mecklenburg I/I die
Bistümer Schwerin und Ratzeburg; Hessen-
Kassel die Abtei Hersfeld usw. Auch in der
Folgezeit war es das brandenburgisch-preußische
Kabinett (besonders unter Friedrich d. Gr., Ver-
E# anonymer S. Flugschriften), das unausge-
etzt den Gedanken einer allgemeinen deutschen
S. propagierte. Doch gingen von den beiden
rößeren S. des 18. Ihs. die eine vom Hause
Habsparg aus (Josef II. hebt etwa 700 öster-
reichische Klöster auf), die andere vom Papste
selbst. Clemens' XIV. Breve Dominus ac re-
demptor noster v. 21. 7. 1773 sequestrierte näm-
lich zugleich mit der Aufhebung des Jesuiten-
ordens dessen sämtliche Güter. Seine Absicht,
dieselben für sich einzuziehen, wurde von den
rascher zugreifenden deutschen Landesherrn durch-
kreuzt und seine Proteste durch Entsch. des Reichs-
hofrats zurückgewiesen dank der damals herrschen-
den naturrechtlichen Lehren (vgl. [J. J. Moserl
12 Reichshofrats-Gutachten wegen des Jesuiten-
ordens, 1775). Durch die Revolution von
1789 verlor die Kirche fast alles Gut auf franzö-
sischem Boden und die Konvention des 26 mess.
an IX brachte als a 13: die Kirche entsagt allen
Rechtsansprüchen auf ihr während der Revolu-
tion verkauftes Gut.
IV. In Deutschland waren die Re-
gierungsverhältnisse in den geistlichen Staaten
unhaltbar geworden, indem letztere vielfach zur
Domäne des katholischen Hochadels gemacht und
nicht selten kumuliert wurden.
Kurfürst Joseph Clemens v. Köln (1 1723) besaß außer
Köln die Bistümer Freising, Regensburg, Sildesheim,
Lüttich und die Propstei Berchtesgaden; sein Nesse Clemens
August: Köln, Münster, Paderborn, Osnabrück, Hildesheim,
Hoch= und Deutschmeisteramt, Lüttich u. d. (vgl. auch
v. Salver, Proben teutschen Adels, 1775).
Durch den Kongreß von Rastatt (1798), bezw.
durch den Frieden von Luneville (9. 2. 1801)
wurde der Rhein als Grenze vereinbart und
demgemäß das ganze linke Rheinufer an Frank-
reich abgetreten, das alsbald sämtliche geistlichen
Territorien säkularisierte. Die in Mitleidenschaft
gezogenen weltlichen Fürsten sollten laut a 7
entschädigt werden, und zwar auf Grund voraus-
gegangener Abmachungen durch S. aller geist-
ichen Territorien und Mediatisierung der Reichs-
städte. Für dieses Entschädigungsgeschäft wurde
am 2. 10. 1801 eine „Reichsdeputation-"
eingesetzt, bestehend aus Kurmainz, Böhmen,
Kursachsen, Kurbrandenburg, Württemberg, Pfalz,
Hessen-Kassel und dem Hoch= und Deutschmeister-
orden. Die maßgebenden französischen Persön-
lichkeiten (Talleyrand, Mme. Legrand u. v. a.)
wurden mit Sestechns eldern und Bettelbrie-
fen überschüttet. Von den geistlichen Fürsten
rettete sich aber nur einer, der Kurerzkanzler
Freih. v. Dalberg in Mainz, aus dem Zusammen-
bruche, bis auch ihm 1810 die geistliche Souveräni-
tät genommen wurde (vgl. Hergenröther-Kirsch,
HB d. allg Kirchengesch. III, 2, S 767 ff).
Durch den Reichsdeputationshauptschluß v.
25. 2. 1803 (vom Reich am 24. 3., vom Kaiser
am 27. 4. ratifiziert) wurden von der S. betrof-
sen: die vier Erzbistümer Salzburg, Mainz,
Köln, Trier; 18 Bistümer, nämlich Augsburg,
Bamberg, Basel, Brixen, Corvey, Eichstädt,
Freising, Fulda, Hildesheim, Konstanz, Osna-
brück, Paderborn, Passau, Speyer, Straßburg,
Trient, Worms, Würzburg; ferner das lutherische
Stift Lübeck und zahllose Klöster, Abteien und
Kollegiatstifter. Der § 35 RDHS bestimmte
außerdem: „Alle Güter der fundierten Stifter,
Abteien und Klöster, in den alten sowohl als in
den neuen Besitzungen, katholischer so-
wohl als Augsburger Konfessions-
verwandten, mittelbarer sowohl als un-
mittelbarer . . werden der freien und vollen
Disposition der resp. Landesherrn, sowohl zum
Behufe des Aufwandes für Gottesdienst,
Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten,
als zur Erleichterung ihrer Fi-
nanzen ülbberlassen unter em be-
stimmten Vorbehalte der festen
und bleibenden Ausstattung der
Domkirchen, welche werden beibehalten
werden, und der Pensionen für die
aufgehobene Geistlichkeit.“
V. Von dieser Rechtsbefugnis machten die
Landesherren (mit Ausnahme des Königs von
Sachsen; vgl. Treitschke, Deutsche Gesch. 1, 299),
soweit sie nicht bereits im voraus säkularisiert
hatten, umfassendsten Gebrauch. Unter dem 30.
10. 1810 (GS 1806—10 S 32) erließ der König
von Preußen das sog. S.Edikt, demzufolge im
Gesamtumfange der Monarchie alle Klöster,
Abteien, Dom= und sonstigen Stifter, Balleien
und Kommenden aufgehoben wurden. Dasselbe
geschah später in den bis 1866 hinzuerworbenen
Landesteilen (Hinschius, Preuß. Kirchenrecht,
1884, S 445). Die Güter wurden vom Fiskus
eingezogen (Domänen, oben I, S 592, 595, 600),
doch hatte § 4 S.Edikt „eine hinreichende