Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Schlachtvieh- und Fleischbeschau 
  
in der gesundheitspolizeilichen Ueberwachung des 
Fleischverkehrs, indem in den behördlichen Ver- 
ordnungen eine gewisse Gleichgültigkeit gegen die 
mit dem Fleischgenuß verbundenen Gefahren 
hervortrat und infolgedessen eine Anzahl von 
Schlachthäusern [J| eingingen. Die in Nord- 
deutschland in schreckenerregender Weise auf- 
tretenden Massenerkrankungen von Menschen an 
Trichinen sowie die Feststellung des Zusammen- 
hanges der Schweinefinnen mit der Bandwurm- 
erkrankung des Menschen lenkten aber bald wieder 
die Aufmerksamkeit der Behörden auf die Rege- 
lung des Verkehrs mit Fleisch, wie die Verord- 
nungen in Württemberg (1860), Bayern (1862), 
Baden (1865) und Preußen (1868) zeigen. 
2. Gesetzliche Grundlagen. 
. Die vor dem Erlaß des SFG für den Ver- 
kehr mit Fleisch in Betracht kommenden reichs- 
gesetzlichen Bestimmungen waren als Grundlage 
für die Regelung der SF nicht ausreichend. Das 
Nahrungsmittelgesetz (/| v. 14. 5. 79 und der 
5367 Nr. 7 St GB stellen zwar das Inver- 
kehrbringen von verdorbenem Fleisch un- 
ter Strafe, sie bieten aber keine Handhabe, amt- 
liche Untersuchungen des Fleisches vor dem 
Inverkehrbringen vornehmen zu lassen. Aller- 
dings war dies in einer Reihe von Bundesstaaten 
auf Grund landesrechtlicher Vorschriften möglich; 
diese hatten aber den Mangel, daß sie in wesent- 
lichen Punkten voneinander abwichen und sogar 
innerhalb einzelner Staaten, in denen die SF 
durch Verordnungen der Provinzial-= und Bezirks- 
regierungen oder gar durch einzelne Gemeinden 
geregelt war, große Verschiedenheit zeigte. Diese 
Mannigfaltigkeit in der Regelung der SF durch 
landesrechtliche Vorschriften führte namentlich 
insofern zu mißlichen Zuständen, als Fleisch von 
nicht einwandfreier Beschaffenheit nach Orten 
wanderte, in denen eine SF nicht bestand oder 
ungenügend gehandhabt wurde. Eine weitere 
Folge war, daß Fleischverarbeitungsbetriebe ent- 
standen, die mit ihren Erzeugnissen eine Gefahr 
für das gesamte Reichsgebiet darstellten. Eine 
Lücke der Reichsgesetzgebung bestand auch darin, 
daß diese keine genügende Kontrolle des aus dem 
Ausland eingehenden Fleisches ermöglichte. 
II. Durch das SFG (RBl 547) und die 
gleichzeitig dazu erlassenen Ausführungsbestim- 
mungen des Bf.ist die Regelung der SF im 
Deutschen Reiche auf eine einheitliche 
Grundlage gestellt worden. " 
Nach der im §5 22 erteilten Ermächtigung zum 
Erlaß von Prüfungsvorschriften für Fleischbe- 
schauer und von Ausführungsvorschriften für die 
Inlandsfleischbeschau sowie die Untersuchung des 
in das Zollinland eingehenden Fleisches hat der 
Bundesrat Ausführungsbestimmun- 
gen gleichzeitig mit dem SFG bekannt gegeben. 
Die wichtigsten Vorschriften des Gesetzes sind: 
1. Alle zum Genuß für Menschen bestimmte 
Schlachttiere, zu denen Rindvieh, Schweine, 
Schafe, Ziegen, Pferde und auch Hunde gehören, 
sind vor und nach der Schlachtung eineramtlichen 
Untersuchung zu unterziehen; nur bei Not- 
schlachtungen, d. h. wenn die Schlachtung so 
schnell vorgenommen werden muß, daß eine 
vorherige Untersuchung durch den Fleischbeschauer 
nicht mehr vorgenommen werden kann, darf 
  
  
letztere unterbleiben (§ 1). Der # 2 stellt eine er- 
  
hebliche Einschränkung des #& 1 dar, indem lbei 
Schlachttieren, die im eigenen Haushalte des 
Besitzers verwendet werden sollen, die Unter- 
suchung vor, gegebenenfalls auch nach der Schlach- 
tung nicht vorgenommen zu werden braucht, wenn 
sich vor, bezw. bei der Schlachtung keine Merkmale 
einer die Genußtauglichkeit des Fleisches ausschlie- 
ßenden Erkrankung zeigen. Die im F 4 gegebene 
Begriffsbestimmung für „Fleisch“ ist insofern be- 
merkenswert, als auch die aus den Schlachttieren 
hergestellten Fette und Würste als Fleisch im 
Sinne des SFG gelten. Die Landesbehörden sind 
gehalten, zur Vornahme der Untersuchungen 
chaubezirke zu bilden und für jeden Bezirk 
mindestens einen Beschauer sowie einen Stell- 
vertreter zu bestellen (5 5). Das von dem Be- 
schauer untersuchte Fleisch ist entweder für taug- 
lich (6# 7 und 8) oder für untauglich (§ 9) oder für 
bedingt tauglich (5 10) zu erklären. Im Falle 
des §& 9 ist das Fleisch von dem Beschauer zunächst 
zu beschlagnahmen und dann von der PolBehörde 
in unschädlicher Weise zu beseitigen, so daß eine 
Verwendung zu Genußzwecken nicht möglich ist. 
Das bedingt taugliche Fleisch wird erst dann zum 
Verkehr zugelassen, wenn es unter den von der 
Pol Behörde angeordneten Sicherheitsmaßregeln 
zum menschlichen Genusse brauchbar gemacht 
worden ist. 
2. Die Ein fuhr [J] von Fleisch aus dem 
Auslande ist durch § 12 geregelt; nur solches 
Fleisch darf eingeführt werden, dessen Unschädlich- 
keit für die menschliche Gesundheit sich in zuver- 
lässiger Weise bei der Einfuhr nachweisen läßt. 
Es ist daher z. B. vorgeschrieben, daß das Fleisch 
in ganzen Tierkörpern, die bei den größeren 
Schlachttieren in Hälften zerlegt sein können, vor- 
liegen muß. Die Einfuhr von Büchsenfleisch, von 
Würsten und anderem zerkleinertem Fleisch ist 
wegen der Undurchführbarkeit einer zuverlässigen 
Feststellung ihrer Tauglichkeit verboten. Die Unter- 
suchung des einge führten Fleisches wird unter 
Mitwirkung der Zollbehörden ausgeführt (5 13). 
3. Der Vertrieb von Pferdefleisch ist 
Fleischhändlern, Speisewirten u. dgl. nur mit 
Genehmigung der PolBehörde gestattet; in den 
Geschäftsräumen dieser Personen muß indessen 
durch deutlichen Anschlag erkennbar gemacht wer- 
den, daß Pferdefleisch zum Vertrieb oder zur 
Verwendung kommt (7 18). 
4. Bei der gewerbsmäßigen Zubereitung von 
Fleisch dürfen Stoffe oder Verfahren, die ihm 
eine gesundheitsschädliche Beschaffenheit 
zu erteilen vermögen, nicht angewendet werden 
(5 21); ebenso ist es verboten, derartig zuberei- 
tetes Fleisch aus dem Auslande einzuführen. 
III. Mit dem S ist eine erschöpfende Re- 
gelung der SF nicht beabsichtigt; das Gesetz stellt 
vielmehr nur die Mindestforderungen 
auf, denen überall im Reiche nachzukommen ist. 
Demgemäß ist es nach 5 24 den Landesregierungen 
vorbehalten, strengere Vorschriften zu erlassen, 
soweit dazu ein Bedürfnis vorliegt. Es ist ihnen 
z. B. die Möglichkeit gegeben, die Bestimmungen 
über die Trichinenschau zu verschärfen, dem Ver- 
kauf von seltener zur Schlachtung kommenden 
Tieren (z. B. Pferden, Eseln, Maultieren, Hun- 
den) weitere Beschränkungen, als im &5 18 vorge- 
sehen ist, aufzuerlegen sowie anzuordnen, daß 
minderwertiges und bedingt taugliches Fleisch au
	        
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