Schlachtvieh- und Fleischbeschau
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Freibänken verkauft wird. Im Interesse der
Wahrung der Rechtseinheit innerhalb des Reiches
sind den Landesregierungen jedoch gewisse Schran-
ken auferlegt. Durch den Erlaß des SFist,
wie im §# 29 ausdrücklich festgestellt ist, das Nah-
rungsmittel G v. 14. 5. 79 für die SF nicht über-
flüssig geworden, denn ersteres regelt nur den
Verkehr mit Fleisch im Sinne des SFo, läßt also
den mit Wild, Geflügel, Fischen, Krustentieren
u. dgl. unberührt; ebenso enthält es keine Vor-
schriften hinsichtlich der Verfälschung der Fleisch-
waren, wie Wurst u. dgl. In dieser Beziehung
stellen namentlich die §& 1—4 und 10—14 des
Nahrungsmittel (JNahrungsmittel-
verkehr]) eine unentbehrliche Ergänzung des
SF dar, um den gesamten Verkehr mit Fleisch
beaufsichtigen zu können.
Von sonstigen reichsgesetzlichen Vorschriften
kommen für die SF vornehmlich noch die ös 136
und 137 St GB (Beseitigung von beschlagnahmtem
Fleisch) und 8 367 Nr. 7 (Feilhalten und Verkauf
von trichinenhaltigem Fleisch) sowie § 16 des
Viehseuchen G v. 26. 6. 09 (Beaufsichtigung von
Vieh= und Schlachthöfen durch beamtete Tier-
ärzte) in Betracht.
IV. Landesrechtliche Vorschrif-
ten, die sich auf das Bestehen öffentlicher
Schlachthäuser [N|] beziehen, bleiben unberührt
(5 20) und es ist den Landesregierungen im §5 24
auch die Befugnis erteilt, weitergehende Vor-
schriften über die Trichinenschau, den Vertrieb
von minderwertigem Fleisch und dgl. zu erlassen.
Hiervon ist in den meisten Staaten Gebrauch
gemacht worden, indem die bestehenden Schlacht-
hausgesetze in Kraft geblieben und auch Aus-
führungs- und Vollzugsvorschriften erlassen sind;
in Preußen z. B. das AE v. 28. 6. 02/23. 9. 04.
Die Ergebnisse der SF werden einem Bun-
desrats Beschl v. 1. 6. 04 gemäß alljährlich ge-
sammelt, im Kaiserlichen Gesundheitsamte sta-
tistisch bearbeitet und veröffentlicht. Diese
Statistik ermöglicht auch eine Berechnung
des Fleischverbrauchs in Deutschland, die jedoch
nur annähernd genau sein kann, weil die größten-
teils nicht beschaupflichtigen Hausschlachtungen
nur schätzungsweise mitgerechnet werden können
und es noch an sicheren Grundlagen für ein ge-
naues Durchschnittsgewicht des Fleisches der
Schlachttiere fehlt. Der Verbrauch an Fleisch
auf den Kopf der Bevölkerung belief sich im Jahre
1904 auf 52,05 kg, 1905 auf 51,39 kg, 1906 auf
50,29 kg, 1907 auf 52,6 kg.
#. Praktische Durchführung der Schlachtvieh-
und Fleischbeschau. Der Vollzug der SF üliegt
ebenso wie der der sonstigen Lebensmittelkontrolle
den Landesbehörden ob. Soweit es sich um die
SF in Städten handelt, wird ihre Durchführung
durch die öffentlichen Schlachthäuser [Nlermöglicht,
ohne die die Kontrolle der einzelnen Schlacht-
stätten eine zu große Anzahl von Tierärzten und
Fleischbeschauern erforderlich machen würde. Im
Deutschen Reiche bestanden im Jahre 1908 etwa
900 öffentliche Schlachthäuser, die fast ausschließ-
lich von Gemeinden erbaut sind. Auf dem Lande
läßt sich die Ueberwachung der Schlachtungen
auch ohne solche Anstalten durchführen.
Als Sachverständige für die Vornahme der SF
kommen in erster Linie Tierärzte [H in Betracht,
bei deren Ausbildung und Prüfung daher auf die
S besondere Rücksicht genommen wird. Da jedoch
die Zahl der Tierärzte nicht groß genug sein würde,
um die SF auf dem Lande ausüben zu können,
so ist man gezwungen, diese größtenteils nicht-
tierärztlichen Fleischbeschauern zu überlassen, die
zu diesem Zweck an Schlachthöfen mit tierärzt-
licher Leitung entsprechend vorgebildet sind.
Diesen Fleischbeschauern kann in Anbetracht ihrer
begrenzten Kenntnisse lediglich bei gesunden
Tieren und bei besonders namhaft gemachten
Fällen von unerheblichen Erkrankungen das
Recht zur Entscheidung darüber eingeräumt
werden, ob und inwieweit ein Schlachttier oder
dessen Fleisch als genußtauglich anzusehen ist;
in allen anderen Krankheitsfällen ebenso wie bei
Notschlachtungen muß eine Entscheidung des zu-
ständigen tierärztlichen Beschauers eingeholt wer-
den. Wenn es sich um die Frage handelt, ob im
gegebenen Falle ein Verstoß gegen den 5+ 21 SFG
(oben § 2 II 4) oder die Bestimmungen der §## 10
bis 14 des Nahrungsmittel G vorliegt, steht die
Entscheidung meistens nahrungsmittelchemischen,
in einzelnen Fällen auch medizinischen Sachver-
ständigen zu.
Im Zusammenhange mit der Durchführung
der SF stehen die Schlachtviehversicherungen
gegen gesundheitspolizeiliche Beanstandungen von
Schlachttieren. Durch diese Viehversicherung [(N
wird erreicht, daß der Schaden, der den einzelnen
durch solche Beanstandungen trifft, zum größten
Teil ersetzt und damit auch das Interesse an Um-
gehungen der SF beseitigt wird. Eine derartige
Schlachtviehversicherung ist z. B. in Bayern durch
das G. v. 11. 5. 96 und in Sachsen durch das
Gv. 2. 6. 98, 24. 4. 06 eingerichtet worden; ähn-
liche Versicherungen bestehen auch in anderen.
Staaten.
s 4.-Schutzgebiete 1). I. Die Gefahren, die der
menschlichen Gesundheit von dem Genusse unge-
eigneten (mit Krankheitskeimen behafteten oder
verdorbenen) Fleisches drohen, haben auch in den
meisten Sch G bereits zu Vorschriften Anlaß ge-
geben, die in gewissem Umfange eine SF (einschl.
Trichinenschau) einführen. Die Gefährdung ist
in den Sch G infolge der klimatischen Verhältnisse
z. T. größer als in der Heimat. Auf der andern
Seite liegen aber die Verhältnisse zumeist ein-
facher und durchsichtiger, und die weiße Bevöl-
kerung in den Sch G ist gewöhnt, Nahrungsmitteln
gegenüber größere Vorsicht zu beobachten als die
heimische. Im übrigen entspricht es der Natur
der Sache, daß die Einrichtung der SF in den
Sch G auf einzelne größere Orte beschränkt bleiben
muß, da nur dort die Voraussetzungen für ihre
Durchführung gegeben sind. Tort pflegt auch
das Bedürfnis für sie am dringendsten zu sein.
Tie rechtliche Grundlage für Vorschriften zur
Einführung der SF bilden in den Sch G & 15
Schutzgeb G (Röl 1900, 813) und die Vsig des
RK v. 27. 9. 03 (KBl 509), wonach der Rtl sowie
die Gouverneure usw. befugt sind, polizeiliche und
sonstige die Verwaltung betreffende Vorschriften
zu erlassen und gegen ihre Nichtbefolgung Strafen
anzudrohen.
An einschlägigen Borschriften kommen hauptsächlich in
Betracht für D Ostafrika die Gour B betr. SF v. 28. 7. 13
1) Bon Geh. Oberregierungsrat Gerstmeyer be-
arbeitet.