Selbstverwaltung (A. Wesen der Selbstverwaltung)
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ehrenamtliche Selbst Verw. Durch den Ausdruck
„politisch“ wird auf jede juristische Erfassung dieser
letzteren Form der Selbst Verw verzichtet.
4. Gegenüber dieser Auffassung betont Preuß
in richtiger Erkenntnis, daß die Rosinsche Ansicht
eine Zweiteilung in den Selbst VerwBegriff
hineinlegt, indem sie einen Teil für politisch, den
anderen für juristisch erklärt. Auf dem Wege, der
bisher begangen worden ist, wäre nicht fortzu-
schreiten, sondern die Selbst Verw läge in der im-
manenten Gleichartigkeit der parlamentarischen
Regierung des Staats und der Organisation der
lokalen Verbände. Die wesentliche GleichartigkeiW
zwischen der nationalen Repräsentation und der
kommunalen Selbst Berw war auch immer ein
politisches Mittel (s. oben & 1 unter 4),
nicht bloß in Deutschland, sondern auch in Frank-
reich, Rußland, wie auch im mittelalterlichen Eng-
land, um die nationale Repräsentation zu fordern,
vorher aber lokale Selbst Verw zu begründen.
Aber dieser Auffassung ist es bisher nicht gelungen,
juristisch brauchbare Kriterien der Selbst-
Verw anzugeben. Sie ist und bleibt ein politisches
Prinzip. Die Auffassung von Preuß steht und
fällt mit seiner Ansicht von der Wesensgleich-
heit von Staat und Gemeinde. Wenn man diese
Auffassung, wie natürlich, im modernen Staat
nicht teilen kann; wenn man der Ansicht ist, daß
die Gemeinde nur eine dem Staate untergeordnete
Körperschaft ist, die von ihm, dem Staat, Recht
und Macht erhält, so muß die ganze Preußsche An-
sicht in juristischer Beziehung als unhaltbar be-
zeichnet werden. Aber auch politisch hat sie
nicht mehr die Bedeulung, wie sie sie vielleicht an-
fangs des 19. Jahrhunderts hatte. Gerade die
Abhängigkeit der Selbst Verw von der Staatsform
(s. oben unter II) zeigt, wie unvollkommen eine
Selbst Verw eingerichtet ist, wenn sie bloß in der
Einrichtung übereinandergelagerter Repräsentativ-
versammlungen gesucht wird.
5. Einc weitere Ansicht geht von der juristischen
Einheit der dem politischen Selbst VerwBegriffe
angepaßten Rechtstechnik aus. Es ist die Lehre
von der aktiven und passiven Selbst Verw, welche
von G. Jellinek und mir vertreten wird.
& 4. Die Lehre von der Selbstverwaltung.
I. Selbst Verw ist ein politisches Institut und be-
deutet eine Heranziehung von Kommunalverbän=
den für Staatszwecke. Diese Heranziehung kann
durch eine doppelte Rechtstechnik erzielt werden.
Entweder sie berechtigt oder verpflichtet den Kom-
munalverband als Ganzes, sie macht ihn zur
Korporation mit subjektivem Recht auf Selbst-
Verw, das bald mehr, bald weniger detailliert
sein kann. Hier ist die Aeußerung des Kommunal-
willens, sofern sie juristisch relevant sein soll, immer
Ausübung eines subjektiven Rechts des Kommunal=
verbaundes. Das ist der aktive Verband, der
Selbstverwaltungskörper.
Oder sie berechtigt und verpflichtet die einzelnen
Verbandsangehörigen durch zweckmäßige Vertei-
lung von Kommunalrechten und Pflichten und er-
zielt dadurch einen selbständigen Gemeinzweck.
Das ist der passive Verband der Selbstver-
waltung. Der juristisch bedeutsame Unterschied
zwischen aktivem und passivem Verbande liegt
kurzgefaßt darin, daß der aktive Verband seinen
Gemeinwillen als Ausübung des subjektiven
Rechts, das dem Verbande zusteht, äußert, der
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passive Verband nur als Realisierung objektiven
Rechts, durch Zusammenwirken von Trägern jener
Kommunalrechte und Fpflichten, d. i. der Ver-
bandsangehörigen.
Ob die Rechtsordnung den einen oder anderen
Weg geht, hängt nicht von ihr allein ab, sondern
von einem sozialen Mechanismus, den sie nur aus-
nützen, nicht schaffen kann. Dieser soziale Mecha-
nismus besteht in einer Interessenverknüpfung.
Vor allem ist das Staatsinteresse mit dem örtlichen
Kollektivinteresse der Kommunalverbände derart
verbunden, daß die Befriedigung des letzteren
uno actu auch Befriedigung des ersteren bedeutet.
Diese Interessenverknüpfung nützt die Rechts-
ordnung in der Weise aus, daß sie das örtliche
Kollektivinteresse, das mit dem Staatsinteresse so
verknüpft ist, als subjektives Recht des Kommunal=
verbandes anerkennt. Sie schafft ein Recht auf
Selbst Verw, den aktiven Verband, den Selbst-
Verwörper. Um aber den Verbandswillen mit
physischen Willensträgern zu versehen und so die
Ausübung jenes subjektiven Rechts zu sichern,
nützt sie wieder eine andere Interessenverknüpfung
aus. Diesmal die Interessenverknüpfung, die
zwischen örtlichem Kollektivinteresse des Kom-
munalverbandes und den Individualinteressen
der Verbandsangehörigen besteht. Auch hier muß
die Interessenverknüpfung derart beschaffen sein,
daß mit der Realisicerung des Individualinteresses,
das örtliche Kollektivinteresse des Kommunalver-=
bandes uno actu realisiert erscheint. Die Rechts-
ordnung erkennt zu diesen Zwecken Wahlrechte
und Wahlpflichten der Verbandsangehörigen an,
sie schafft Ehrenämter J] und Pflichten zur
Annahme dieser Aemter. — So spielt der soziale
Mechanismus hier in zwei Interessenverknüpfun-
gen, welche die Rechtsordnung ausnützt.
Mitunter überspringt jedoch die Rechtsordnung
die eine jener Interessenverknüpfungen, nämlich
diejenige, welche zwischen Staats= und örtlichem
Kollektivinteresse besteht. Sic wendet sich direkt
an die Verbandsangehörigen, verteilt Rechte und
Pflichten an die Kommunalangehörigen, ohne dem
Kommunalverband als Ganzes zu berechtigen
oder zu verpflichten. Dies kann sie insbesondere
dort tun, wo der Gedanke der freien Gemeinde-
genossenschaft nicht zur Entwicklung gekommen ist,
oder voraussichtlich nicht gleich zum Bewußtsein
kommen wird, oder wo der Selbst Verw Körper
wegen der hier häufig vorkommenden Interessen-
majorisierung der Staatsverwaltung nicht an-
vertraut werden kann.
Wir sehen demnach, unabhängig von der Rechts-
ordnung steht jener soziale Mechanismus in Gestalt
der uns bekannten Interessenverknüpfung, welche
der Staat nicht schaffen, sondern nur aus-
nützen kann. Dieser soziale Mechanismus ist
die politische Selbstverwal tung.
Er steht außerhalb der Rechtsordnung, denn
er ist eine sozial-psychische Erscheinung. Was
die Rechtsordnung in Gestalt der verteilten Rechte
und Pflichten davon in die Rechtswelt bringt,
ist nur ein schwacher Abdruck des wirklichen
Lebens jener Interessenverknüpfung. Da die
Selbst Verw als politisches Institut auf jenem
sozialen Interessenmechanismus ruht und dieser
nur dann entstehen kann, wenn die Verbände
zwischen denen es spielt, homogener Natur sind,
so folgt daraus, daß eine Selbst Verw nur dann