Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
meinde, welche Benennung sie ihrem Gemeinde- 
vorsteher geben und ob sie einen berufsmäßigen 
oder einen im Ehrenamt tätigen Gemeindevor- 
steher wählen will. Hinsichtlich der Zuständigkeit 
und Geschäftsführung des Gemeinderats sind bis 
zur denkbar äußersten Grenze Vereinfachungen 
des Geschäftsganges vorgesehen worden. 
Die Gemeinden haben das Recht, die Gemeinde- 
angehörigen zu Abgaben heranzuziehen. Eine 
Gefahr für mißbräuchliche Anwendung besteht 
nicht, da die Aufsichtsbehörde in dem 
Genehmigungsrecht für die Ortsgesetze ein Kor- 
rektiv in der Hand haben würde. Das staatliche 
Aufsichtsrecht ist nur soweit ausgedehnt, als es 
unbedingt die Staatsrücksichten erfordern. Die 
Aufsicht übt an sich der Gouverneur; er kann die 
Ausführung der Aufsicht den Bezirks= und Di- 
striktsämtern übertragen. 
2. Alle Gemeinden und die außerhalb der Ge- 
meinden gelegenen Wohnplätze der selbständigen 
VerwBezirke werden zusammengeschlossen zu 
einem das Gebiet des betreffenden Amtes um- 
fassenden Bezirksverband. Dieser Be- 
zirksverband ist nach seiner rechtlichen Natur ein 
Kommunalverband wie die Gemeinden, aber 
sein tatsächlicher Aufgabenkreis ist enger gezogen. 
Angelegenheiten des Bezirksverbandes sind Bau 
und Unterhaltung öffentlicher Wege, Plätze, 
Wasserläufe und Brücken innerhalb des Bezirkes, 
soweit diese Anlagen nicht Gemeindesache sind, 
Einrichtung und Unterhaltung öffentlicher Wasser- 
versorgungsanlagen im gleichen Umfange und die 
Pflege und Förderung einzelner, gesetzlich ge- 
nannter Gebiete der öffentlichen Wohlfahrt des 
Bezirks. Bei Erledigung dieser Angelegenheiten 
ist der Bezirksverband genau so selbständig wie der 
Gemeindeverband. Die Rechte und Pflichten des 
Bezirksverbandes nimmt der Bezirksamtmann 
oder Distriktschef wahr, aber es steht ihm hierbei 
ein Bezirksrat mit dem Recht der Be- 
schlußfassung zur Seite. Der Bezirksrat besteht 
unter dem Vorsitz des leitenden Bezirksbeamten 
aus mindestens vier Bezirksangehörigen und ist 
entscheidendes Organ bei Festsetzung der Mit- 
tel zur Erfüllung der Bezirksverbandsangelegen- 
heiten, bei Beschlußfassung über Leistungen, die 
dem Bezirksverband obliegen, bei Festsetzung des 
Haushaltplaus und bei Entlastung der Rechnung 
für den Bezirksverband. Die Mitglieder des Be- 
zirksrates werden von den Angehörigen des Be- 
zirksverbandes zum Teil von den Gemeinden, zum 
Teil von den außerhalb der Gemeinden stehen- 
den Bezirksangehörigen gewählt. Die Wahl 
der Vertreter der Gemeinden geschieht durch den 
Gemeinderat, die der übrigen Vertreter unmittelbar 
durch die außerhalb der Gemeindeverbände stehen- 
den Bezirksangehörigen. Wahlrecht und Wählbar- 
keit sind genau so gestaltet, wie in den Gemeinden. 
Der Bezirksrat ist als solcher über den Auf- 
gabenkreis des Verbandes hinaus an der Gesamt- 
verwaltung des Bezirkes beteiligt, und die Mit- 
glieder des Bezirksrates sind als Einzelpersonen 
mit Erledigung auch von anderen Verw Geschäften 
als denen des Verbandes unmittelbar betraut 
worden. Eine besondere Bedeutung erhält der 
Bezirksrat dadurch, daß er der Wahlkörper für 
den Landesrat ist. 
3. Der Landesrat seellt sich als eine Wei- 
terführung der im Gonvernementsrat (oben §& 1) 
  
Selbstverwaltung (B. Deutsch-Südwestafrika) 
  
—. — ——— 
enthalten gewesenen Anfänge dar. Die Weiter- 
bildung erstreckt sich auf die Konstruktion, 
auf die Zuständigkeit und auf die Geschäftsfüh- 
rung der Vertretungskörperschaft. Die Vertre- 
tung der Bevölkerung ist auf eine breitere 
Grundlage gestellt und wird nicht mehr allein 
durch Ernennung des Gouverneurs, son- 
dern durch Wahlen geschaffen. Wahl- 
körper sind die Bezirksräte. In der Zusammen- 
setzung der Bezirksräte spiegelt sich die wirtschaft- 
liche Eigenart des Bezirkes wieder. Jeder Bezirk 
soll einen Vertreter zum Landesrat wählen. 
Neben diesen gewählten Vertretern hat der Gou- 
verneur das Recht, bis zur gleichen Anzahl seiner- 
seits Vertreter in den Landesrat zu entsenden. 
Der Gouverneur selbst oder der von ihm beauf- 
tragte Beamte ist Vorsitzender des Landesrats. 
Wählbar zum Landesrat ist jeder Deutsche, der 
das 30. Lebensjahr zurückgelegt hat und minde- 
stens zwei Jahre mit Grundeigentum im Schutz- 
gebiete angesessen ist, oder seit zwei Jahren einen 
selbständigen Beruf im Schutzgebiete ausübt. Die 
Ernennung durch den Gouverneur ist an keine 
Voraussetzung gebunden. Der Landesrat dient 
zur Unterstützung des Gouverneurs bei Wahr- 
nehmung der Interessen des Schutzgebietes. Er 
hat das Recht, eigene Anträge dem Gou- 
verneur zu unterbreiten (was dem Gouverne- 
mentsrate formell fehltec). Die jährlichen 
Haushaltsplanvorschläge und alle 
vom Gouverneur zu erlassenden oder vorzu- 
schlagenden Verordnungen allgemeiner 
Natur sind ihm vorher zur Beratung vor- 
zulegen. Der Landesrat ist also konsultative Kör- 
perschaft für alle wesentlichen Maßnahmen der 
Schutzgebietsverwaltung. Ueberdies ist der Lan- 
desrat zum beschlußfassenden Organ 
gemacht worden für alle die Gegenstände, die ihm 
durch den RK zur Beschlußfassung überwiesen 
werden. Die Geschäftsführung des Landesrats 
wird durch eine Geschäftsordnung geregelt. Ge- 
schäftsordnungsmäßig kann der Landesrat die 
Oeffentlichkeit seiner Verhandlungen beschränkt 
oder unbeschränkt einführen. Der Landesrat ist 
erstmals im April 1910 zusammengetreten und 
seitdem regelmäßig jedes Jahr. Seine Befug- 
nisse sind durch Vog des RK v. 26. 6. 13 wesentlich 
insofern erweitert worden, als er zum mitbeschlie- 
ßenden Organ gemacht wurde in Fragen der 
Seuchenbekämpfung, des Wege= und Wasser- 
rechts, des Jagdrechts, der Förderung der Farm- 
wirtschaft und Viehzucht und auf dem Gebiete 
des Arbeiterwesens der Eingeborenen. 
3. Ostafrika war das erste Schutzgebiet, in dem 
sich Anfänge zu kommunaler Verwaltung zeigten. 
I. Durch V des RK v. 29. 3. 01 (KBl 217) 
wurden die Wohnplätze sämtlicher Bezirksämter 
zu einem das Gebiet des betreffenden Amtes 
umfassenden kommunalen Verbande vereinigt. 
Im Laufe der folgenden Jahre traten zu diesen ursprüng- 
lichen Berbänden noch mehrere andere hinzu (KBl 
1903, 105; 1904, 116; 1905, 261; 1007, 281), so daß schließlich 
die 14 Verbände Daressalam, Tanga, Pangani, Wilhelmstal, 
Moschi, Bagamoyo, Morogoro (Kilossa), Rufidil, Kilwa, 
Lindi, Songea, Langenburg, Tabora und Muansa bestanden. 
Eine gesetzliche Umgrenzung der Aufgaben bieser 
Kommunalkörper gab es zunächst nicht; verschiedene Gouv.= 
Verfügungen suchten zu regeln, bis eine RK B v. 17. 9. 06 
(KBl 669) grundlegende Normen aufstellte. Die Mittel
	        
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