430
Selbstverwaltung (C. Niederlassungen in Tientsin und Hankau)
gierung war hierbei den Fremden in verschie-
denem Maße behilflich und begnügt sich mit einer
geringen Gebühr als Anerkennung der Fortdauer
ihrer Staatsgewalt an dem NGebiete. Grund-
eigentum von Chinesen in der N sollte möglichst
ausgeschlossen sein, stellenweise (die Verträge stim-
men nicht überein) auch ein Wohnrecht. Das hat
sich indes nicht durchführen lassen (vgl. unten § 3
Schanghai). Umsomehr mußte dann dafür ge-
sorgt werden, daß die Fremden trotzdem Herren
in dem ihnen eingeräumten Gebiete blieben: das
geschieht durch Ausbau einer städtischen
Verwaltung nebst Polizei l(und ge-
wisser Regelung der Gerichtsbarkeit) ausschließlich
seitens der Fremden; der Einfluß der Konsuln
wird durch einen Anteil der Bevölke-
rung an den Verwaltungsgeschäf-
ten beschränkt oder richtiger er engt sich zumeist
zu einer Aufsicht über die Selbstverwaltung
der NGemeinde ein. Ob sich der völlige Ausschluß
der Chinesen von der Verwaltung auf die Dauer
wird durchführen lassen, ist zweifelhaft.
Freilich läßt sich bei dem Zusammenfluß von
Fremden aus verschiedenen Staaten in den
chinesischen Vertragsplätzen schon jetzt ersehen,
daß die Abscheidung der Fremden je nach ihrer
Nationalität in gesonderte N sich kaum wird auf-
recht erhalten lassen. In Hankau z. B. bestehen
nebeneinander N von Deutschen, Engländern,
Franzosen, Belgiern, Russen und Japanern; in
Tientsin sogar außerdem noch von Oesterreichern
und Italienern (Post S 57, 61). Dabei ist das
Wohnen in den einzelnen N nicht etwa auf die
Angehörigen des betreffenden Staates beschränkt.
Der Verw'#Apparat wird kostspielig, umständlich
und bleibt doch unvollständig. Das Ziel wird
darum der Uebergang zu einer internatio-
nalen Niederlassung sein, an deren
Verwaltung die dort ansässigen Fremden ohne
Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit beteiligt
sind. Es ist bisher jedoch nur (und immer noch
nicht vollständig) für Schanghai (unten §5+ 3)
gewonnen, die älteste und größte Fremden, das
noch immer häufig sog. model settloment. In den
nach dem Frieden von Schimonoseki eröffneten
Städten Hangtschau und Sutschau sind von vorn-
herein general scttlements gegründet worden
(Schumacher 584); die chinesische Regierung strebt
sie im Interesse eigenen Anteils an der Verwal-
tung in den Plätzen an, die sie aus eigenem An-
triebe öffnet (Yotschau?).
Als Nebenwirkung des internationalen Zusam-
menschlusses mag der Befriedung Schanghais im
japanisch-chinesischen Kriege gedacht werden.
Einen besonderen Charakter trägt das Gesandten-
viertel in Peking, das auf Grund des Schluß-
protokolls v. 7. 9. 01 (Martens, Recuell des traités II 32
S 98) nach Beilegung des Boxeraufstandes von der chine-
sischen Regierung den Gesandten eingeräumt ist, „comme
un qduartier spécialement réservé à leur unnge et placé
scus leur police exclusive, o# les Chinols n’auraient pas
le drolt de résider et qul pourrait etre mis en éetat de
déiense“ (à 7). Das diplomatische Korps bestimmt hier
Amtestellen für Polizei und Wegewesen, und jede Gesandt-
schaft trägt zu den Kosten der Verw des Viertels nach
dem Anteile des von ihr cingenommenen Geländes bei
(Dauge S 853). Uebrigens berührt auch der Handels V#
##2. Die denutschen Niederlassungen in Tientsin
und Hankan.
Tientsin, die wichtigste Handelsstadt in Nordchina,
adas Tor von Peking“, mit mehr als 1 Million Einwohner,
am Peiho, 50 km von seiner Mündung in den Golf von
Petschili, 125 km Eisenbahn nach Peking. — Hankau,
der wichtigste Handelsplatz im Binnenlande, am Jangtf-=
strome, in den Sommermonate: für Seeschiffe jeden Tief-
ganges erreichbar (2—3 Tage bis Schanghai); fast 1 Million
Einwohner, mit den anstoßenden Orten Hanyang und
Wutschang über 2 Millionen. — Kiffern nach Mehers
Weltreiseführer I 1912; vgl. ferner Cordes, Handelsstraßen
und Wasserverbindungen von Hankau nach dem Innern
von China, 1899.
1. Unter dem 3. und 30. 10. 95 hat das Reich
mit China Verträge wegen Einräumung einer
Nin Hankau und in Tientsin abgeschlossen (mitge-
teilt in den Drucksachen des RT 1897/98 Nr. 217).
Die für den Erwerb der Grundstücke („Miete auf
ewige Zeit") erforderlichen Mittel sind von der
Deutsch-asiatischen Bank der deutschen Regierung
vorgestreckt (Vt v. 29. 5. 97 und 10. 2. 98; in den
Drucksachen des RT).
2. Die „deutsche Niederlassung“ ist eine Ver-
einigung von Wohnplätzen, in der das deutsche
Element vorwiegt, aber nicht ausschließlich ist.
Chinesen sind in Tientsin (§ 8 d. Vt) nicht ausge-
schlossen. Für Hankau (a II d. VW a. E.) ist das
Gegenteil bestimmt, vorausgesetzt wohl, daß den
Chinesen das gesamte Land abgekauft ist (a III
a. E.); die Bestimmung soll jedoch beseitigt
sein. Der deutsche Charakter wird der N durch
die Regelung des Grundstückrechts (nach engli-
schem Vorbilde) gewahrt. Nach der kais. V v.
25. 10. 00 (RGBl 1000) sind folgende Verpflich-
tungen des Grundeigentümers durch Eintragung
sicherzustellen: keine Veräußerung des Grund-
stücks an einen Nichtdeutschen ohne Genehmigung
des deutschen Konsuls; kein Nutzungsrecht für
einen Chinesen — Mitglied der deutschen NGe-
meinde nach Maßgabe der Gemeindestatuten zu
werden, die Gemeindelasten zu tragen und die
polizeilichen Vorschriften zur Vermeidung be-
stimmter Buße zu beachten — sich dem deutschen
Rechte und der deutschen Gerichtsbarkeit in allen
das Grundstück und seine Stellung zur NGemeinde
betreffenden Rechtsangelegenheiten zu unterwer-
fen; für nichtdeutsche Angehörige eines Vertrags-
staates muß die persönliche Verpflichtung hierzu
durch deren Konsul genehmigt sein. — Nichtdeut-
sche (nicht aber chinesische) Grundeigentümer und
Nutzungsberechtigte sind in bürgerlichen Rechts-
streitigkeiten dem deutschen Schutze unterstellt
(R 27. 10. 00, R.3Bl 574).
3. In Ausführung des R v. 3. 6. 05 (oben 81
z. A.) hat der Bundesrat durch Beschl v. 18. 1. 06
(Reichsanzeiger Nr. 22, 23 v. 25./26. 1. 06) der
„deutschen Niederlassungsgemeinde“
in Tientsin und der in Hankau das Recht eines
Kommunalverbandes verliehen. Unter
dem 9. 12. 05 hatte der Reichskanzler für jede N
(gleichlautend, abgesehen von unten a) eine Ge-
meindcordnung erlassen (Abdruck im Reichsanzei-
ger). Sie kann nur im Einvernehmen von Reichs-
kaonzler und Gemeindeversammlung abgeändert
werden; werden öffentlichrechtliche Befugnisse der
mit Japan v. 8. 10. 03 die Schaffung einer internatio. Gemeinde betroffen, bedarf es außerdem der
nalen Niederlassung in Peking. Cganisation steht bevor.
Zustimmung des Bundesrats ( 44).