Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

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Selbstverwaltung (C. Niederlassungen in Tientsin und Hankau) 
  
gierung war hierbei den Fremden in verschie- 
denem Maße behilflich und begnügt sich mit einer 
geringen Gebühr als Anerkennung der Fortdauer 
ihrer Staatsgewalt an dem NGebiete. Grund- 
eigentum von Chinesen in der N sollte möglichst 
ausgeschlossen sein, stellenweise (die Verträge stim- 
men nicht überein) auch ein Wohnrecht. Das hat 
sich indes nicht durchführen lassen (vgl. unten § 3 
Schanghai). Umsomehr mußte dann dafür ge- 
sorgt werden, daß die Fremden trotzdem Herren 
in dem ihnen eingeräumten Gebiete blieben: das 
geschieht durch Ausbau einer städtischen 
Verwaltung nebst Polizei l(und ge- 
wisser Regelung der Gerichtsbarkeit) ausschließlich 
seitens der Fremden; der Einfluß der Konsuln 
wird durch einen Anteil der Bevölke- 
rung an den Verwaltungsgeschäf- 
ten beschränkt oder richtiger er engt sich zumeist 
zu einer Aufsicht über die Selbstverwaltung 
der NGemeinde ein. Ob sich der völlige Ausschluß 
der Chinesen von der Verwaltung auf die Dauer 
wird durchführen lassen, ist zweifelhaft. 
Freilich läßt sich bei dem Zusammenfluß von 
Fremden aus verschiedenen Staaten in den 
chinesischen Vertragsplätzen schon jetzt ersehen, 
daß die Abscheidung der Fremden je nach ihrer 
Nationalität in gesonderte N sich kaum wird auf- 
recht erhalten lassen. In Hankau z. B. bestehen 
nebeneinander N von Deutschen, Engländern, 
Franzosen, Belgiern, Russen und Japanern; in 
Tientsin sogar außerdem noch von Oesterreichern 
und Italienern (Post S 57, 61). Dabei ist das 
Wohnen in den einzelnen N nicht etwa auf die 
Angehörigen des betreffenden Staates beschränkt. 
Der Verw'#Apparat wird kostspielig, umständlich 
und bleibt doch unvollständig. Das Ziel wird 
darum der Uebergang zu einer internatio- 
nalen Niederlassung sein, an deren 
Verwaltung die dort ansässigen Fremden ohne 
Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit beteiligt 
sind. Es ist bisher jedoch nur (und immer noch 
nicht vollständig) für Schanghai (unten §5+ 3) 
gewonnen, die älteste und größte Fremden, das 
noch immer häufig sog. model settloment. In den 
nach dem Frieden von Schimonoseki eröffneten 
Städten Hangtschau und Sutschau sind von vorn- 
herein general scttlements gegründet worden 
(Schumacher 584); die chinesische Regierung strebt 
sie im Interesse eigenen Anteils an der Verwal- 
tung in den Plätzen an, die sie aus eigenem An- 
triebe öffnet (Yotschau?). 
Als Nebenwirkung des internationalen Zusam- 
menschlusses mag der Befriedung Schanghais im 
japanisch-chinesischen Kriege gedacht werden. 
Einen besonderen Charakter trägt das Gesandten- 
viertel in Peking, das auf Grund des Schluß- 
protokolls v. 7. 9. 01 (Martens, Recuell des traités II 32 
S 98) nach Beilegung des Boxeraufstandes von der chine- 
sischen Regierung den Gesandten eingeräumt ist, „comme 
un qduartier spécialement réservé à leur unnge et placé 
scus leur police exclusive, o# les Chinols n’auraient pas 
le drolt de résider et qul pourrait etre mis en éetat de 
déiense“ (à 7). Das diplomatische Korps bestimmt hier 
Amtestellen für Polizei und Wegewesen, und jede Gesandt- 
schaft trägt zu den Kosten der Verw des Viertels nach 
dem Anteile des von ihr cingenommenen Geländes bei 
(Dauge S 853). Uebrigens berührt auch der Handels V# 
  
##2. Die denutschen Niederlassungen in Tientsin 
und Hankan. 
Tientsin, die wichtigste Handelsstadt in Nordchina, 
adas Tor von Peking“, mit mehr als 1 Million Einwohner, 
am Peiho, 50 km von seiner Mündung in den Golf von 
Petschili, 125 km Eisenbahn nach Peking. — Hankau, 
der wichtigste Handelsplatz im Binnenlande, am Jangtf-= 
strome, in den Sommermonate: für Seeschiffe jeden Tief- 
ganges erreichbar (2—3 Tage bis Schanghai); fast 1 Million 
Einwohner, mit den anstoßenden Orten Hanyang und 
Wutschang über 2 Millionen. — Kiffern nach Mehers 
Weltreiseführer I 1912; vgl. ferner Cordes, Handelsstraßen 
und Wasserverbindungen von Hankau nach dem Innern 
von China, 1899. 
1. Unter dem 3. und 30. 10. 95 hat das Reich 
mit China Verträge wegen Einräumung einer 
Nin Hankau und in Tientsin abgeschlossen (mitge- 
teilt in den Drucksachen des RT 1897/98 Nr. 217). 
Die für den Erwerb der Grundstücke („Miete auf 
ewige Zeit") erforderlichen Mittel sind von der 
Deutsch-asiatischen Bank der deutschen Regierung 
vorgestreckt (Vt v. 29. 5. 97 und 10. 2. 98; in den 
Drucksachen des RT). 
2. Die „deutsche Niederlassung“ ist eine Ver- 
einigung von Wohnplätzen, in der das deutsche 
Element vorwiegt, aber nicht ausschließlich ist. 
Chinesen sind in Tientsin (§ 8 d. Vt) nicht ausge- 
schlossen. Für Hankau (a II d. VW a. E.) ist das 
Gegenteil bestimmt, vorausgesetzt wohl, daß den 
Chinesen das gesamte Land abgekauft ist (a III 
a. E.); die Bestimmung soll jedoch beseitigt 
sein. Der deutsche Charakter wird der N durch 
die Regelung des Grundstückrechts (nach engli- 
schem Vorbilde) gewahrt. Nach der kais. V v. 
25. 10. 00 (RGBl 1000) sind folgende Verpflich- 
tungen des Grundeigentümers durch Eintragung 
sicherzustellen: keine Veräußerung des Grund- 
stücks an einen Nichtdeutschen ohne Genehmigung 
des deutschen Konsuls; kein Nutzungsrecht für 
einen Chinesen — Mitglied der deutschen NGe- 
meinde nach Maßgabe der Gemeindestatuten zu 
werden, die Gemeindelasten zu tragen und die 
polizeilichen Vorschriften zur Vermeidung be- 
stimmter Buße zu beachten — sich dem deutschen 
Rechte und der deutschen Gerichtsbarkeit in allen 
das Grundstück und seine Stellung zur NGemeinde 
betreffenden Rechtsangelegenheiten zu unterwer- 
fen; für nichtdeutsche Angehörige eines Vertrags- 
staates muß die persönliche Verpflichtung hierzu 
durch deren Konsul genehmigt sein. — Nichtdeut- 
sche (nicht aber chinesische) Grundeigentümer und 
Nutzungsberechtigte sind in bürgerlichen Rechts- 
streitigkeiten dem deutschen Schutze unterstellt 
(R 27. 10. 00, R.3Bl 574). 
3. In Ausführung des R v. 3. 6. 05 (oben 81 
z. A.) hat der Bundesrat durch Beschl v. 18. 1. 06 
(Reichsanzeiger Nr. 22, 23 v. 25./26. 1. 06) der 
„deutschen Niederlassungsgemeinde“ 
in Tientsin und der in Hankau das Recht eines 
Kommunalverbandes verliehen. Unter 
dem 9. 12. 05 hatte der Reichskanzler für jede N 
(gleichlautend, abgesehen von unten a) eine Ge- 
meindcordnung erlassen (Abdruck im Reichsanzei- 
ger). Sie kann nur im Einvernehmen von Reichs- 
  
  
kaonzler und Gemeindeversammlung abgeändert 
werden; werden öffentlichrechtliche Befugnisse der 
mit Japan v. 8. 10. 03 die Schaffung einer internatio. Gemeinde betroffen, bedarf es außerdem der 
nalen Niederlassung in Peking. Cganisation steht bevor. 
Zustimmung des Bundesrats ( 44).
	        
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