Selbstverwaltung (C. Schanghai)
Zweck der NGemeinde: „die gemeinsamen An-
gelegenheiten der deutschen N zu verwalten, ins-
besondere die zu deren Ordnung, Wohlfahrt und
Sicherheit erforderlichen Anlagen, Anstalten und
Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten“
(5 1). — Mitglieder der Nemeinde sind
alle Eigentümer oder Nutzungsberechtigten von
Grundstücken in der N, die in den das Grundstück
oder ihre Stellung zur NGemeinde betreffenden
Rechtsverhältnissen der deutschen Gerichtsbarkeit
unterworfen sind (5 2); vgl. oben Ziffer 2. —
Organe der NGemeinde sind: a) die „Gemein-
deversammlung“: diejenigen (nicht chinesischen)
Gemeindemitglieder, die mindestens 50 (für Han-
kau 75) Taels jährlich Grundabgabe zahlen (Ab-
stufung nach der Steuerleistung bis zu 12 Stim-
men); Vorsitzender ist der Konsul; Geschäfts-
sprache deutsch (§ 13, Bekanntmachung der Be-
schlüsse außerdem englisch § 14). — b) Der „Ge-
meinderat“: 5 Mitglieder im Ehrenamte, auf
ein Jahr aus der Zahl der stimmberechtigten Ge-
meindemitglieder gewählt; darunter müssen 3
Deutsche sein; der Vorsitzende wird aus den
Deutschen gewählt; Geschäftssprache deutsch (§21).
Gegen ihre Beschlüsse hat der Konsul (beim Ge-
meinderat jedoch nur aus Gründen des öffent-
lichen Wohls) binnen 10 Tagen den Einspruch
an den Gesandten in Peking (§5 37, 38).
4. Die laufende Verwaltung (gericht-
liche und außergerichtliche Vertretung) führt der
Gemeinderat, auch die Verwaltung der Ge-
meindepolizei, namentlich Gesundheits-,
Verkehrs-, Gewerbepolizei (s 31). Pol Verord-
nungen erläßt der Konsul nach dem Konsularge-
richtsbarkeitsgesetz; die Gemeindeversammlung ist
jedoch zu Vorschlägen berechtigt und, falls der
Konsul ihrem Beschlusse nicht nachkommt, zu Vor-
stellungen beim Reichskanzler (5 29). Der Ge-
meinderat ist zu polizeilichen Ausführungsbestim-
mungen befugt sowie zu Zwangsmaßnahmen, be-
sonders im Straßenverkehr (§ 32), jedoch gegen
Nichtchinesen nie durch farbige Pol Beamte. Die
Feststellung des Gemeindehaushalts
(§ 24) liegt der Gemeindeversammlung objz sie
beschließt über Gemeindeabgaben; zur Gemeinde-
kasse fließen u. a. auch Geldstrafen wegen Zuwider-
handlungen gegen ortspolizeiliche Vorschriften
(kais. V v. 30. 12. 06, Röl 1907, 1).
5. Die Justiz über Deutsche handhabt der
Konsul. Fremde unterstehen ihren eigenen Or-
ganen, abgesehen von dem Falle oben Ziffer 2
am Ende. Die Strafgerichtsbarkeit über Chinesen
übt ein chinesischer Richter in der N unter Mit-
wirkung eines Konfulatsbeamten. Klagt ein Nicht-
chinese gegen einen Chinesen, so wohnt der Ver-
handlung und Entscheidung der deutsche Konsul
oder sein Vertreter (Dolmetscher) bei, durch
dessen Vermittlung auch die Berufung an den
Zollsuperintendenten (commissioner of customs)
gehen kann (vgl. Vertrag für Hankau a IX,
Denkschrift S 7); das wird jedoch nicht praktisch.
Vorläufige Festnahme bei strafbaren Handlungen
(bei Chinesen auch im Interesse der öffentlichen
Ordnung) durch die Gemeindepolizei (§ 33) unter
Zuführung der Nichtchinesen an den Konsul. „Ver-
suche, die Festnahme eines von den chinesischen Be-
hörden verfolgten Chinesen ohne Genehmigung
des Konsuls herbeizuführen, sind nötigenfalls mit
Gewalt abzuweisen“ (& 35).
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6. Der Gemeindeverband untersteht der Auf-
sicht des Konsuls und Gesandten (oben Ziffer
3 a. E., Beschwerde #s 39), endlich des Reichs-
kanzlers. Der Bundesrat kann die durch die Ver-
leihung begründeten Rechte wieder entziehen,
wofern dies im öffentlichen Interesse — z. B. all-
gemeine politische Lage, Anschluß an eine andere
remden N (oben §& 1 III Abs 2) — erforderlich ist.
83. Internationale Niederlassung (Schanghai).
I. In Schanghaibesteht eine von Engländern und
Amerikanern gegründete aber zur „internationa-
len“ gewordene, wenn auch nicht so bezeichnete
N, an der die (17) Vertragsstaaten, darunter in
hervortretendem Maße auch die Deutschen, teil
haben (oben § 1 III Abs 2). Daneben hat sich eine
gesonderte französische N erhalten.
Schanghai ist die bedeutendste Handelsstadt in China,
die ungefähr ein Drittel des Handels sämtlicher Bertrags-
plätze umfoßt. Volkszahl im Jahre 1010: für die intern.
N 13 436 Nichtchinesen (darunter 4465 Engländer, 940
Amerikaner, 811 Deutsche, 102 Oesterreicher, 52 Schwei-
zer, 330 Franzosen, 3361 Japaner) und 548 000 Chinesen —
während in der Chinesenstadt selbst nur noch 175 000 Chi-
nesen wohnen. Die Angaben schwanken übrigens sehr.
Ueber das starke Eindringen der Chinesen in die Frem-
den N z. B. Chronicle and Directory for China etc., Hongkong
1893, S 101, 102; Journal des débats, Wochenausgabe 1905,
S 1168. — Sitz des (einzigen) deutschen Generalkonfuls
für China, der bis zur kais. B v. 28. 9. 07 auch die zweite
Gerichtsinstanz für das Schutzgebiet Kiautschou bildete
I1 Band lI 5081, Sitz des deutschen Handelssachverständigen
für China und der kaiserl. deutschen Postdirektion für das
deutsche Postwesen in China und in Kiautschou. Der Etat des
Auswärtigen Amts für 1914 wirft 50 000 Mark zur Unter-
stützung der deutschen Medizinschule in Schanghai aus.
Eine englische N ist auf Grund des Ver-
trages von Nanking (1842) im Jahre 1845 an-
gelegt worden; die französische im Jahre 1849;
die nordamerikanische im Jahre 1850 (die Zeitan-
gaben schwanken; Cordier, les origines S XXVII,
XXXVI, XXXIVz. B. nennt 1846, 1849, 1848).
1854/55 verständigten sich die Konsuln der drei
Mächte über Land-regulations 1) für die N.
1862 zogen sich die Franzosen aus dem gemein-
samen Munizipalrate zurück; das hindert aber
nicht den Wohnsitz von Franzosen in der inter-
nationalen N, sodaß auch der französische Konsul
von der Mitwirkung an gewissen Beschlüssen für
die internationale NGemeinde nicht ausgeschlossen
ist. Mehrfache Wiedervereinigungsversuche hatten
keinen Erfolg. Dagegen wurde Ende 1863 die
amerikanische R mit der englischen vereinigt.
Im weiteren Verlaufe hat sich dieses englisch-
amerikanische foreign settlement zu einem „inter-
nationalen“" gestaltet. Dessen Rechtslage ruht jetzt
im wesentlichen auf den land-regulations, über
die sich zwischen 1866 und 1869 die an der N
interessierten Mächte — darunter auch Preußen
und Frankreich — verständigt haben (State papers
90 p. 970, t. 91 p. 1198). Aenderungen sind durch
die erforderliche Zustimmung aller Vertragsmächte
erschwert (eine bedeutendere erfolgte 1898). Die
Gemeindeversammlung hat ein gewisses Recht
zum Erlaß von Ausführungsbestimmungen. I[Das
Reglement dorganisation municipale der fran-
zösischen N (1868, 1907) zeigt eine stärkere Ein-
1) Abdruck bei Mayers, The treaty ports of China und
Japan S 355 (London 1867), war mir nicht zugänglich.