ches ihm die Verfassung gegeben und im Wege
Rechtens wieder nehmen kann.
2. Das Verhältnis der deutschen
Staaten zum Deutschen Reich s ist
durch folgende Sätze gekennzeichnet:
Das Reich hat nach RV a 78 Abs I die Kom-
petenzkompetenz, seine Gesetze haben nach R 2
unmittelbare und gemeinverbindende Kraft, sie
gehen im Bereich der Reichskompetenz den Landes-
gesetzen vor. Die unmittelbaren Reichsorgane Bun-
desrat, Kaiser, Reichstag leiten ihre Gewalt aus
der Reichsverfassung ab, ihr Wille ist Reichswille,
hat aber den Bestand der St. zur Voraussetzung.
Der Bundesrat (N1 setzt sich, von den Elsaß-
Lothringenschen stimmführenden Bevollmächtig-
ten abgesehen, nur aus Bevollmächtigten der
Herrscher der St. zusammen. Das Kaisertum I/A!
ist an das preußische Königtum gebunden und
vererbt sich mit diesem, hat also den preußischen
St. zur Voraussetzung. Der Reichstag (NI hat
keine selbständige Reg Gewalt, sondern nur ein
die Bundesgewalt ergänzendes Mitwirkungsrecht.
Den St. ist in den Grenzen der Reichsverfassung
und der Reichsgesetze das Recht der Landesgesetz-
gebung, Landesverwaltung und Gerichtsbarkeit
geblieben, sie haben in Schranken ein Recht aus-
wärtiger Vertretung, aber kein Kriegführungs-
recht, der Oberbefehl im Kriege ist durchaus ein-
heitlich nur ein Recht des Kaisers.
III. Die deutschen Kolonien sind nicht nur
völkerrechtlich sondern auch staatsrechtlich Bestand-
teile des Deutschen Reichs. Die höchste Gewalt in
ihnen steht dem Reiche zu, das Reich hat das Recht
der Kolonialgesetzgebung und ihrer auswärtigen
Vertretung. Der Kaiser übt die Schutzgewalt in den
Kolonien im Namen des Reichs aus (Schutzgeb G
5+11). Sie sind Ausland nur im Sinne der ein-
zelnen Reichsgesetze, welche nicht für sie erlassen
und auch nicht in ihnen eingeführt sind. Eigene
St. Gewalt besitzen sie nicht. N Schutzgebiete.)
& 4. Das Wesen des Staates.
I. Aus Begriff und Ideal ergibt sich das
Wesen des St. als die Erscheinung der höch-
sten menschlichen Willensmacht im wirklichen
Leben. Er ist die erreichbar vollkommenste
Form der Hingebung des Individuums an seine
Art. Die Opfer, die der St. von allen for-
dert, sollen allen dienen. Das Herrschaftsver-
hältnis ist der starke sinnlich wahrnehmbare Aus-
druck dieses Wesens. Die Herrschenden repräsen-
tieren die ganze Art, wenn sie dem St. die höchsten
Dienste leisten, sie sind dagegen nur ein Passivum
auf der Rechnung des St., wenn ihnen die Herr-
schaft nur Genuß und nicht Pflicht und Arbeit ist.
Das Herrschaftsverhältnis ist im Grunde
aus der natürlichen Tatsache der vielen Unterschiede,
welche das genus Mensch in seinen specics und in
seinen Individuen birgt, entstanden. Auch bildet
es sich als eine Summierung und Ordnung der
verschiedensten differierenden Eigenschaften.
Aus dem Verlauf der Geschichte als der reichsten
und reinsten Erfahrungsquelle abstrahiert Jakob
Burckhardt drei Potenzen des Gemein-
schaftslebens: Staat, Religion und
Rultur, alle drei als allgemeine, aber aus ver-
schiedenen Anlagen und Bedürfnissen des Men-
schen abgeleitete Werte, jene beiden, St. und
Religion, als die beharrlichen, diese, die Kultur,
als den flüchtig beweglichen; und an die Analyse
Staat und Staatswissenschaften
ihrer besonderen Naturen knüpft er Betrachtungen
über ihre Beziehungen zueinander und ihre
Wirkungen aufeinander. Diese Lehre projiziert
die individuelle Dreiteilung von Leib, Seele und
Geist ins Leben der Gattung — ein ohne Zweifel
anregendes und gewinnversprechendes Kriterium.
II. Im Gegensatze zu Religion und
Kultur betrachtet, offenbaren sich vom Wesen des
St. sofort und zumeist seine massive Struktur, seine
auf Erhaltung und Sicherung des bloßen Daseins
berechnete Metallpanzerung mit Stahl und Gold,
seine bis zur Explosionsfähigkeit gesteigerte Kraft-
verdichtung sowie endlich auch sein namentlich in der
Diplomatie keineswegs giftfreies Gebaren. Von
alledem wollen Religion und Kultur sich freihalten,
freilich nur im Prinzip. Die leiseste Berührung
mit dem St. teilt ihnen leicht etwas von jenen
Elementareigentümlichkeiten des Staates mit.
Die Religion wird fanatisch, sobald sie sich vom
starken Arm des Staates „geschützt“ weiß; die
Kultur gerät in die Versuchung der Roheit und
Lüge, schlimmer noch, sie wird platt, wenn der
Staat sich ihrer annimmt. Die Religion muß sich
im Gegensatz zum St. halten schon deshalb, weil
ihre Gefühlswelt, das Glauben, Hoffen und Lie-
ben, und alle Jenseitswünsche mit der Tatsächlich-
keit des Staates keine irgendwie befriedigende
Verbindung eingehen können. Die Kultur muß
ihre Unabhängigkeit behaupten, weil die gewalt-
same und ungeduldige Art des St. den feineren
Bedingungen ihres Keimens und Wachsens und
der Stille, Zartheit und Langsamkeit ihrer Geistes-
welt nicht immer gerecht werden kann.
1. Die den Staat unweigerlich erfüllende Sorge
für die einfache Existenz und die dringenden ma-
teriellen Interessen stellt an ihn vor allem anderen
und ohne Aufschub das Erfordernis der Festigkeit
und Sicherheit. Daher ist es zu allen Zeiten und vor
allem anderen die Machtpolitik gewesen, die
den Staat zumeist beschäftigte und seine Einrich-
tungen, Mittel und Funktionen bestimmt hat.
Versäumnisse haben sich in keiner anderen Auf-
gabe an ihm selbst so bitter gerächt wie in dieser
Grundfrage. Gegenüber dieser Sorge ist oft und
für lange Zeit selbst das Recht zu kurz gekommen.
Militär (K] und Polizei [I sind die Mittel seiner
Selbstbehauptung stets gewesen und sie werden es
in wechselnden Formen immer sein. Das Merkmal
des gewaltsamen Tatsächlichen ist diesen Einrich-
tungen ausgeprägt. Den mit diesen Einrichtungen
gegebenen allgemeinen Sicherungs-Dienst= und
Duldungspflichten, der Wehrpflicht (] und der
Pflicht zum polizeimäßigen Verhalten, treten als er-
gänzende allgemeine Sachpflichten die Steuerpflicht
und die Enteignung (] für öffentliche Unterneh--
mungen hinzu. Selbst in der straffen Struktur des
diese Dinge regelnden Rechtes (Einseitigkeit der An-
ordnungen, vorwiegende Unentgeltlichkeit, Knapp-
heit des Verfahrens) zeigt sich der Ursprung seiner
Normen aus dem dringlichen Bedürfnis und der
ihm abhelfenden Gewalt. Aber noch mehr als in
diesen nach innen gerichteten Keilen der Macht
behält der Staat trotz aller Gegenvorstellungen
der Kultur und Religion die Physiognomie und
das Gebaren der äußersten Rücksichtslosigkeit
bei, wenn er unter Zusammenfassung all seiner
Kräfte einen Gegensatz der Interessen mit anderen
Mächten durchzukämpfen hat. Wohl baut das
Völkerrecht auch hier Brücken und Wege und bil-